Fällt kaum auf, stand aber sowieso nur am Rand (Bildquelle) |
Alles wird gefördert, nur weiße Jungen nicht. Denn deren Belange sind weder opportun, noch haben weiße Jungen eine Lobby, die sich um sie kümmern würde. Und wenn doch, dann sind diese Bemühungen "nazi". So entstand eine gesetzlich abgesicherte Lücke im System, durch die immer mehr weiße Jungen fallen. In Großbritannien, das uns bei der Umvolkung in etwa eine Generation voraus ist, zeigt sich das ganz besonders deutlich, wo sich der Kampf gegen die Rassendiskriminierung in eine der Klassendiskriminierung wandelte.
The Spectator: Die verlorenen Kinder: Die weiße Arbeiterklasse wird verloren gegeben
Über den Sinn des
Stürzens von Statuen lässt sich zwar streiten, allerdings lässt
sich kaum etwas gegen die Wirkung von Massenprotesten einwenden. Sie
provozieren mindestens Debatten und lenken die Aufmerksamkeit auf
unbequeme Themen, die man sonst gerne aus seinem Alltag verdrängt.
Aufgrund der jüngsten Proteste wurden wir alle dazu gezwungen, uns
der schwierigen Debatte rund um Rasse, Klasse, Armut und die
Errungenschaften unserer Gesellschaft zu führen.
Jede ernsthafte
Beschäftigung mit den Zahlen zeigt, dass wir noch immer ziemlich
weit von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt sind, wobei
darin ebenso ablesbar ist , dass es falsch und schädlich ist, sehr
unterschiedliche Gruppen in einen Topf zu werfen. In der Debatte
nehmen Politiker oftmals die bequeme Position ein, wonach alle „BAME“
(Schwarze, Asiaten und Angehörige ethnischer Minderheiten) gleich
sind, während gleichzeitig alle weißen Gruppen in der gleichen
Weise privilegiert sind. Ein genauer Blick auf die vorhandenen
Statistiken zeigt jedoch nicht nur, dass es auffällige Unterschiede
innerhalb der BAME gibt, sondern auch, dass die weiße Arbeiterklasse
als die in hoher Regelmäßigkeit vergessene demografische Gruppe, zu
jenen gehört, die mit die schlechtesten Ergebnisse erzielt.
Die Aufschlüsselung
nach unterschiedlichen Gruppen an sich mag spalterisch wirken, doch
wir dürfen nicht vergessen, dass Leistungen in der Bildung und im
Leben stets variieren, und wenn wir jenen helfen wollen, die in der
Gesellschaft am am schlechtesten abschneiden, dann müssen wir
wissen, wer sie sind. Selbstverständlich sollten wir stets allen
helfen, die Hilfe nötig haben. Jedoch ist auch der gruppenweise
Vergleich ein wichtiges Werkzeug, damit wir wissen, wer im Vergleich
zu seinen Altersgenossen zurückfällt. Britische Bangladeschis
beispielsweise verdienen im Durchschnitt 20 Prozent weniger als weiße
Briten, während Briten mit indischer Abstammung hingegen
wahrscheinlich 12 Prozent mehr verdienen als ihre weißen Mitbürger.
Schwarze Briten wiederum verdienen neun Prozent weniger im
Durchschnitt und Chinesen verdienen 30 Prozent mehr. Diese
Unterschiede zeigen uns, dass die Arbeitgeber des Landes nicht in
systematischer Weise aufgrund der Hautfarbe einer Person
diskriminieren, so dass wir uns anderweitig umsehen müssen, um die
Ursachen der Ungleichheit zu erkennen.
Rassismus in Zahlen belegt? Oder eher das Gegenteil?
Einen ganz besonders
guten Einblick in die Sache bietet dabei die britische
Universitätszulassungsstelle. Dort werden für jeden Jahrgang
detaillierte Informationen über alle Universitätsbewerber
gesammelt, darunter das Alter, das Geschlecht, der Wohnort und der
besuchte Schultyp. Diese Informationen lassen sich verknüpfen mit
dem gewünschten Studienfach des Bewerbers und ob dieser angenommen
wurde.
Die Vielzahl der
dort erfassten Informationen zeigt offensichtliche Tendenzen auf:
Einmal gibt es eine Kluft zwischen Arm und Reich, wie man es in einem
Schulsystem wie dem britischen erwarten kann, in dem die besten
Schulen in der Regel in den teuersten Gegenden angesiedelt sind. Aber
es gibt auch überraschende Erkenntnisse. Denn fast die Hälfte der
Kinder, die in London einen Sozialhilfeanspruch auf kostenlose
Schulspeisung haben, erlangen die Hochschulreife, während es
jenseits der Hauptstadt nur 26 Prozent sind.
Britische Kinder mit
schwarzafrikanischem Hintergrund schneiden besser ab als weiße
Kinder, während schwarze Kinder aus der Karibik tendenziell
schlechter abschneiden. Arme chinesische Mädchen wiederum schneiden
besser ab als reiche weiße Kinder. Unerwarteterweise aber sind es
die weißen Briten als ethnische Gruppe, deren Kinder die kleinste
Chance auf einen Universitätsbesuch haben. Mit der einzigen Ausnahme
der Zigeuner hat jede ethnische Gruppe einen höheren Anteil an
Kindern an den Universitäten des Landes als weiße Briten, wobei die
allermeisten Weißen unter den Studenten aus der Mittelschicht
stammen, die zu 57 Prozent weiblich sind. Das macht weiße Jungen zur
Gruppe, die am seltensten ein Hochschulstudium absolviert. Lediglich
13 Prozent von ihnen besuchen eine Hochschule, weniger als jede
andere ethnische Gruppe.
Diese Entwicklung
spiegelt sich auch in den GCSE Schulprüfungen wider; gerade einmal
17 Prozent der weißen britischen Schüler mit einem Anspruch auf
eine kostenlose Schulspeisung erreichen einen guten Abschluss in
Englisch und Mathematik. Schüler mit einem Hintergrund in
Bangladesch, Schwarzafrika oder Indien genießen eine doppelt so hohe
Erfolgswahrscheinlichkeit. Im Jahr 2007 qualifizierten sich 23
Prozent aller schwarzen Schüler über eine staatliche Schulen für
ein Hochschulstudium. Demgegenüber stehen 22 Prozent der Weiß, also
in etwa der gleiche Anteil. Bei der neuesten Zählung im Jahr 2018
jedoch ergab sich eine Schere, die sich auf 11 Prozent beläuft (41
Prozent für schwarze Schüler, 30 Prozent für Weiße). Damit ist
klar, dass Kinder aus der weißen Arbeiterklasse hinter ihren
Altersgenossen so weit zurückfallen, dass sie verloren gehen
könnten.
Ignorierte Spirale ins Elend
Das
Universitätsstudium ist heute nicht mehr das goldene Ticket in ein
besseres Leben, wie es früher einmal war. Aber man sollte sich nicht
vormachen, dass sich sieben von acht armen weißen Jungen nach dem
nüchternen Blick auf die Gehaltsaussichten als Studienabsolvent
gegen ein Studium entscheiden und ihr eigenes Unternehmen gründen.
Die traurige Wahrheit ist, dass für die meisten von ihnen nach dem
Abgang von der Schule und kaum vertraut mit der Fähigkeit zu lesen
und schreiben eine kalte Realität wartet, die wir uns
veranschaulichen können, indem wir jene „zurückgelassenen“
Gebiete ansehen, in denen die statistischen Werte für
Arbeitslosigkeit, Kriminalität und „Todesfälle aus Verzweiflung“
deutlich über dem Durchschnitt liegen.
Den Begriff
„Todesfälle aus Verzweiflung“ prägte Angus Deaton, ein
Nobelpreisträger der Universität Princeton, nachdem er sich mit der
Demografie jener Menschen beschäftigen, die an Alkoholismus,
Depression und Drogenmissbrauch leiden. Suizide unter Weißen, so
stellte er fest, seien im sprunghaften Anstieg begriffen, während
die Biografien der Selbstmörder oftmals von Armut und geringer
Bildung geprägt sind. Sein kürzlich veröffentlichtes Buch zu
diesem Thema „Deaths of Despair and the Future of Capitalism“
erzählt die verheerende Geschichte dessen, was er als „den
Niedergang des Lebens der weißen Arbeiterklasse im letzten halben
Jahrhundert“ bezeichnet.
Gesetzlich legitimierter, offen zutage tretender Rassismus
Doch während weiße
Männer aus der Arbeiterklasse die größte benachteiligte Minderheit
darstellen, sind ihre Anliegen alles andere als zeitgeistgemäß. In
der umgedrehten Opferpyramide stehen weiße Männer ganz am unteren
Ende und werden dort gehalten von Vorwürfen wie „toxischer
Maskulinität“ oder dem „weißen Privileg“, obwohl in
Großbritannien stets die Klassenzugehörigkeit der primäre
Indikator für Privilegien war. Es ist daher überaus verstörend,
wie jedem feindselig begegnet wird, der „positive Maßnahmen“ für
arme weiße Jungen ergreifen will. Im vergangenen Jahr lehnten die
Colleges in Dulwich und Winchester ein Vermächtnis von mehr als eine
Million Pfund ab, weil der Spender Sir Bryan Thwaites, das Geld für
Stipendien für weiße Jungen aus der Arbeiterklasse zweckgebunden
haben wollte. Peter Lampl, der Gründer der
Wohltätigkeitsorganisation Sutton Trust, deren erklärte Mission die
Verbesserung der sozialen Mobilität ist, bezeichnete das Angebot von
Thwaites als „unausstehlich“.
Als der konservative
Abgeordnete für Mansfield Ben Bradley Anfang dieses Jahres
versuchte, im Parlament eine Debatte über die „Gleichberechtigung“
für weiße Jungen aus der Arbeiterklasse zu stellen, da wurde das
von der Parlamentsleitung abgelehnt, weil weiße Jungen „keine
geschützten Merkmale“ verfügen. Das Konzept der „geschützten
Merkmale“ wurde vor zehn Jahren durch das von Harriet Harman
eingebrachte Gleichstellungsgesetz in das britische Recht übernommen,
während die sich damals in der Opposition befindlichen konservativen
Tories damals sogar für den Regierungsantrag stimmten. Zu den neun
seitdem geschützten Merkmalen gehören die „Rasse“, das
„Geschlecht“ und die „sexuelle Orientierung“. Allerdings
scheint man in der Parlamentsbehörde einige Probleme zu haben, die
„weiß“, „männlich“ und „heterosexuell“ als legitime
Merkmalskombination zu erkennen.
Trotz des
Gleichstellungsgesetzes ist die „positive Diskriminierung“
technisch betrachtet weiterhin illegal, allerdings gibt es auch das
kaum davon unterscheidbare Konzept der „positiven Maßnahmen“,
die ausdrücklich legal sind. Unternehmen dürfen zwar keine Quoten
haben, aber sie können Ziele festlegen. Arbeitgeber dürfen zwar
keine Stellenbewerbungen nach den geschützten Merkmale aussieben,
aber sie haben die Möglichkeit, bei Stellenausschreibungen den
Hinweis hinzuzufügen, wonach „Bewerbungen von BAME-, Frauen- oder
LBGTQ+-Kandidaten besonders willkommen“ sind, was den gleichen
Effekt hat.
Diskriminierung nach Klasse, nicht nach Herkunft
2016 versprach die
BBC, dass sie bis 2020 die Hälfte ihrer Belegschaft und
Führungskräfte mit Frauen besetzen wollte, obwohl weniger als 40
Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Großbritannien Frauen sind.
Die Sendebehörde setzte sich dazu auch das Ziel von acht Prozent für
LGBT-Beschäftigte, obwohl sich nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung
als solche bezeichnen. Dieses Ziel wurde inzwischen deutlich
übertroffen, was ebenso für das BBC-interne Ziel gilt, dass 15
Prozent der Beschäftigten einen BAME-Hintergrund haben sollten.
Unter dem Eindruck der Black Lives Matter Proteste im vergangenen
Monat erhöhte das Unternehmen dieses Ziel sogar noch einmal auf 20
Prozent.
Die BBC räumt ein,
dass Personen aus „Haushalten mit niedrigem und mittlerem
Einkommen“ in der Belegschaft stark unterrepräsentiert seien. Aber
was unternimmt sie dagegen? Anfang dieses Monats wiederum berichtete
die Universität Oxford stolz, dass sie „stetige Fortschritte“ in
ihren Bemühungen macht, ihre Universitäten „repräsentativ für
die breitere Gesellschaft“ zu machen. Von den zuletzt aufgenommenen
britischen Studenten stammten nur 14 Prozent aus den 40 Prozent der
ärmsten Haushalte.
Inopportunismus zahlt sich politisch nicht aus
Das entspricht einem
Muster. Hin und wieder hört man zwar vom Problem der „armen weißen
Männer“, aber das war es dann auch schon wieder. Die
Leistungsschwäche der weißen Jungen wird wird nicht als ein zu
lösendes Problem erachtet. Immer dann, wenn die neuesten Zahlen die
erstaunlichen Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen
zeigen, dann hält das Interesse vielleicht einen Tag lang an. In der
Politikgestaltung in der Regierung hat das Thema jedoch nie an Boden
gewonnen. Angesichts der Politisierung des Feminismus und der
Betonung der Gleichstellung der Frauen, könnte man meinen, ist für
die Probleme von weißen Jungen einfach kein Platz mehr.
Als ich einen Lehrer
fragte, warum weiße Jungen aus der Arbeiterklasse so weit
zurückgefallen sind, da gab er mir eine kurze Antwort: Mädchen sind
besser erzogen und Migranteneltern sind strenger. Das ist eine
Verallgemeinerung, aber dennoch interessant. Wenn dem so ist, dass
die Eltern das Problem darstellen, dann muss man sich fragen, ob der
Staat überhaupt etwas unternehmen kann. Vielleicht rührt die
Zurückhaltung bei der Diskussion des Themas von der Befürchtung
her, dass eine solche Diskussion zu schwierigem Terrain hinsichtlich
der Familienstruktur, der Qualität der Erziehung und - kurz gesagt -
der Kultur führen würde. Vielleicht halten es Politiker für
besser, das Problem vor sich hin schwelen zu lassen und die Kinder
leiden zu lassen, als dass sie eine unbequeme Diskussion riskieren.
Im vergangenen Monat
kündigte die Regierung an, dass ihre Kommission für
Rassenungleichheit auch eine Untersuchung anstrengen wird, mit der
die schulische Leistungsschwäche weißer Jungen aus der
Arbeiterklasse erfasst werden soll. Doch wird die Untersuchung auch
wirklich tief in die Ursachen eindringen? Neuere Studien gibt es
bereits einige, die unter anderem zum Schluss kommen, dass es zu
einem Gutteil an den schlechten Leseleistungen der Schüler liegt.
Dazu könnte sich eine weitere Ursache in diesen „positiven
Maßnahmen“ für alle anderen begründet liegen könnte, als im
Namen von Vielfalt und Multikulti alle gefördert wurden, nur eben
keine weißen Jungen.
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