Erdogan beginnt den Dritten Weltkrieg… aber Trump wird die Schuld in die Schuhe geschoben

"Orange Man Bad"... oder einfach nur ehrlich? (Bildquelle)


Hasardeure im Vergleich



Es war am 1. September 1939, als Hitler im Reichstag verkündete, dass „seit 5:45 zurückgeschossen wird“. An diesem Tag begann der Auftakt zum Zweiten Weltkrieg. Zwei Tage danach erklärten dann Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg.

Fast deckungsgleich verkündete Erdogan am 9. Oktober 2019 die Errichtung einer „Sicherheitszone“ in Syrien. Ohne Absprache mit Damaskus, ohne Deckung durch eine größere „Koalition“ als Legitimationsbeschaffer und ermöglicht durch das symbolische Machtvakuum, das der Abzug der amerikanischen Truppen aus dem kurdischen Teil Syriens erzeugte. Vier Tage danach, am 13. Oktober, verkündeten die kampferfahrenen syrischen Kurden eine Allianz mit der syrischen Regierung in Damaskus.

Als ich das in den Nachrichten las - dass sich die syrischen Kurden mit Assad und damit indirekt Russland verbündet haben - da war mir klar, dass Erdogan mit der Invasion Nordsyriens gerade den Dritten Weltkrieg ausgelöst hat. Wir sollten uns die beiden Daten in Erinnerung behalten, sie könnten im Rückblick auf unsere Zeit noch sehr wichtig werden.

Denn während die syrischen Kurden auf sich gestellt wohl kaum der vollen Macht und dem Furor der türkischen Armee werden standhalten können, so haben sie nun einen tiefen Rückraum, der sich über fast ganz Syrien erstreckt. Dazu mag die syrische Armee nach wie vor relativ schwach sein, aber sie besteht inzwischen aus lauter Kriegsveteranen und angesichts der Abgründe über die Ursachen und Auswüchse des Bürgerkrieges steht das syrische Volk voll hinter Assad und nun eben auch den hinter Kurden im Norden des Landes.



NATO gegen Russland... endlich?



Der größte Faktor aber wird Russland sein. Das Land wird mit einer falschen Zurückhaltung eher nicht seine bisherigen Erfolge aufs Spiel setzen und nicht zuletzt seine permanente Marinebasis in Tartus aufgeben. Denn mit dem erfolgreichen Einrücken der Türken in Nordsyrien würde sie quasi in Artilleriereichweite des NATO Mitglieds geraten. Das wäre nicht weniger inakzeptabel als es ein Verlust der Heimatbasis der Schwarzmeerflotte auf der Krim gewesen wäre angesichts des Regime Changes in der Ukraine.

Mit den vier Buchstaben des westlichen Militärbündnisses kommt dann auch die entscheidende Variable hinzu, die aus dem innerislamischen Konflikt und Stellvertreterkrieg der beiden Großmächte USA und Russland einen Weltkrieg werden lassen könnte. Die Mitgliedschaft der Türkei steht zwar auf der Kippe und in den militärischen Machtzentralen des Westens scheint man überhaupt nicht begeistert zu sein über die neue Marschrichtung in Ankara. Aber die Türkei ist mindestens aufgrund der Zugangskontrolle zum Schwarzen Meer nach wie vor strategisch von größter Bedeutung und es gibt zahlreiche bedeutende Installationen der NATO in dem Land, darunter mehrere Dutzend amerikanische Atomraketen.

Momentan scheint es alles andere als unwahrscheinlich, dass es nicht nur zu einer Konfrontation zwischen türkischen und syrisch und russisch ausgerüsteten kurdischen Truppen kommen wird, sondern auch zu „Panzerschlachten“ zwischen der türkische Armee und der regulären syrischen. Angst vor einem Zusammentreffen mit dem syrischen Feind scheint die Türkei jedenfalls nicht zu haben.

Als NATO Mitglied mit einer der größten Landarmeen des Bündnisses wird die Türkei hoch eingeschätzt, auch wenn die Nachrüstung der türkischen Leopard 2 bislang nicht oder nur unvollständig erfolgt ist. Den wohl größten Malus der türkischen Kampfstärke bildet vermutlich aber die nach dem Putschversuch gegen Erdogan durchgeführte Säuberungswelle im türkischen Offizierskorps, der mehrere tausend Offiziere zum Opfer fielen. Nicht anders als bei Stalins Säuberungswelle des russischen Militärs muss man davon ausgehen, dass es im türkischen Militär dadurch zu einem herben Kompetenzverlust kam. Dieser wird zwar sicherlich kompensiert durch eine Extraportion Patriotismus und islamischem Heldenmut, allerdings kann es durchaus sein, dass die Türkei aufgrund der Umstände in Schwierigkeiten gerät. Das vielleicht sogar in der Heimat, wo kurdische Untergrundkämpfer und islamistische Hitzköpfe sicherlich einigen Schaden anrichten können. Sollte es so kommen, dann lautet die Frage: Was dann?

Die permanente Drohung mit der Schleusenöffnung für das Millionenheer an in der Türkei gestrandeten Flüchtlingen ist sicherlich keine leere. Auch die auf der Messerspitze tänzelnden Banken der Eurozone, die mit der Abwesenheit von Alternativen ihr Heil hochverzinsten türkischen Anleihen suchten, dürften der türkischen Zentralregierung nicht entgangen sein. Oder man denke an die mit der Türkei verbündeten arabischen Ölstaaten, allen voran das intrigante Katar. Korruption war noch nie auszuschließen und am allerwenigsten ist es das heute. Wer kann schon ausschließen, ob in den politischen Hinterzimmern zwischen Paris, Rom, Brüssel und Berlin der ein oder andere Geldkoffer über den Tresen geht zur Steigerung der „Sympathien“ für die türkischen Kriegsinteressen. Hinzu kommt mindestens eine Hasadeurin, die in EU-ropa an entscheidender Stelle sitzt und wohl kaum etwas gegen einen Kriegseintritt gegen Russland einzuwenden hätte.

Aber auch wenn all das nicht stechen sollte, dann gibt es noch immer den Bündnisfall. Jedes Mitglied von Estland über Luxemburg bis hin zur Türkei kann diesen ausrufen und dann steht die NATO bereit zur Verteidigung. Erdogan weiß das und er hat das sicherlich in seine Planungen mit einbezogen, wie er es auch in der Vergangenheit tat, als er Großmacht spielte und die Gewinne für die Türkei privatisierte, während er die Kosten stets in Richtung der Nachbarn und Verbündeten sozialisierte.

Am Ende - und dieses Ende könnte schon bald kommen – ist vorstellbar, dass vom Indus bis an den englischen Kanal die halbe Welt in Flammen steht.



Egal was er macht, schuld ist wie immer Trump



Ausgerechnet die USA mit dem als impulsiv bezeichneten Präsidenten Donald Trump könnte es erspart bleiben, in diesen Weltkrieg hineingezogen zu werden. Es ist eine Ironie der besonderen Art, dass der als Hitzkopf verschriene Trump als einzige relevante Figur einen kühlen Kopf behielt und sein Versprechen nach dem Ende der vielen sinnlosen Kriege Amerikas weiter umsetzt.

Der Abzug aus dem Norden Syriens war dabei einer von vielen Schritten, der erfolgen konnte nachdem der Islamische Staat so weit abgetötet wurde, dass die regionalen Machthaber gemeinsam mit Russland die Ordnung wieder herstellen können – oder konnten, bis Erdogan seine Chance sah.

Selbstverständlich wird Trump nun verantwortlich gemacht für die neuerliche Eskalation in der Region und die vermutliche Explosion in etwas ganz großes. Neben den üblichen Kriegsfalken ist es eine weitere Ironie der Sonderklasse, dass ausgerechnet die linken Friedenstauben von Telepolis bis Alexandria Ocasio-Cortez den um den Frieden bemühten Trump für dessen Abzugsentscheidung aus Kurdistan kritisierten. Es braucht schon ein dickes Fell, um diese Art der Doppelmoral der „nicht-interventionistischen Linken“ noch ertragen zu können.

Noch weniger zurück halten sich natürlich die Mainstream Medien beim Fingerzeig auf den Mann im Weißen Haus, wie dieser mit Kinderattrappen ausgestattete Daily Mail Artikel unschön unterstreicht. Blutende Kinder und Kriegspropaganda – offenbar halten das einige noch immer für ein gutes Argument. Trump sei schuld mit dem Truppenabzug aus Nordsyrien, hat er doch das Machtvakuum überhaupt erst zugelassen und Erdogan die Gelegenheit gegeben, dieses mit seinen Panzern auszufüllen.



Was, wenn Trump nicht abgezogen wäre?



Die Frage nach Trumps Schuld an der Eskalation beantwortet sich, wenn man sich überlegt, was passiert wäre, wenn er das nicht getan hätte. Zweifelsohne wäre es noch immer „ruhig“ und die nun von der Türkei freigebombten IS Kämpfer säßen nach wie vor in ihrer Zelle. Ebenfalls unwahrscheinlich wäre eine mehr oder weniger versehentliche Konfrontation der US-Streitkräfte mit russischen oder regulären syrischen Truppen gewesen. Assad weiß nur zu gut um seine Grenzen und Putin traut sich viel, aber er hat in der Vergangenheit deutlich unterstrichen, wie wenig ihm an einer Konfrontation mit den USA liegt.

Viel bedeutender aber wäre etwas anderes geworden und das ist die Haltung der Türkei gegenüber den syrischen Kurden. Diese gelten in Ankara schon lange als Terroristen, die das Land seit vielen Jahrzehnten mit allen Mitteln bekämpft. Das Bild amerikanischer Truppen Seite an Seite mit den noch immer linksextremen kurdischen Milizen ist kein stimmiges. Nicht für Trumps Amerika und noch viel weniger für Erdogans Türkei. Noch vor wenigen Tagen beispielsweise kritisierte Erdogan die USA dafür, dass es nicht nur zu gemeinsamen Patrouillien kam mit türkischen und amerikanischen Soldaten im türkisch-syrischen Grenzgebiet, sondern auch zu amerikanisch-kurdischen Patrouillien auf der syrischen Seite.

Ohne den jetzigen Abzug der US-Truppen aus Syrien wäre es Erdogan gewesen, der in heftiger Weise darauf gepocht hätte. Heftig im Sinne des von der türkischen Regierung gewohnten üblichen Vorgehens mit allen zielführenden Mitteln. So endet auch dieses Szenario mit einem Abzug der Amerikaner, infolgedessen Erdogan das Machtvakuum mit seinen imperialen Interessen füllt. Die Pläne dafür wären einfach nur noch eine Weile länger in der Schublade liegen geblieben.

Trump hat keine Schuld, so das eindeutige Fazit daraus. Wenn, dann trägt er lediglich die Schuld daran, dass der Stift am 9. Oktober 2019 aus der Handgranate gezogen wurde und nicht am 9. Oktober 2020.



Nur Amerika könnte verschont bleiben



Mit Trump als dem Kalten Wirtschaftskrieger, wie er sich in den letzten Jahren präsentierte geht einher, dass er kriegspolitisch isolationistisch gesinnt ist. In der kriegsmüden US-Bevölkerung stößt er dabei nur beim linken Mainstream und selbstverständlich in der opportunistischen Politarena auf Widerstand. Es ist daher nicht auszuschließen, dass von allen Ländern der Welt ausgerechnet das große Imperium verschont bleiben wird von der kommenden Kriegskatastrophe um die Vorherrschaft in der Levante.

Der amerikanische Kontinent ist weit weg und mit dem NATO Hauptquartier in Brüssel ist die Umgestaltung des Bündnisses in die neue EU-Armee vermutlich nur eine Formsache dergestalt, als dass die USA und Großbritannien austreten müssten. Das Öl wiederum und damit die Freundschaft zu mindestens einer der großen islamistischen Despotien sind nicht mehr so wichtig für Nordamerika und dessen globale Vorherrschaft wie es einstmals war.

So könnte der Dritte Weltkrieg zur besten Ausrede überhaupt werden, das allenthalben angedachte „Neue Amerikanische Jahrhundert“ abzusagen. Trumps Amerika könnte sich tatsächlich auf die Wiederherstellung und das Betreiben der inneren Freiheit konzentrieren und nicht mehr länger mit dem Knüppel eine Furche in die Landkarte ziehen. Für alle anderen aber – und das schließt das ölhungrige China mit ein – besteht eine gute Chance darauf, dass die kommenden Jahre zum bitteren Kampf ums Dasein werden und am Ende nichts mehr ist wie es war und rein gar nichts so wird, wie es werden sollte.

Sie werden es Trump nie verzeihen.
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