Auch im Silicon Valley lassen sich Satire und Realität kaum mehr voneinander unterscheiden.
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Das Silicon Valley als technologische Traumfabrik
Über viele Jahre
hat man sich gefragt, was genau das Erfolgsgeheimnis des Silicon
Valley ist. Im Verlauf der letzten 50 Jahre entstand im Umland von
San Francisco ein einmaliges und beneidenswertes Umfeld, in dem
Technologiekonzerne spießten wie andernorts nur Unkraut, und die
heute die digitale Welt und weltweit vieles darüber hinaus
dominieren.
Neben dem guten
Wetter und der amerikanischen Mentalität wird oftmals auf die
Berkeley Universität hingewiesen als Magnet und Brutstätte für
Talente. Einige wiederum verweisen auf die vor allem im Zweiten
Weltkrieg entstandene Substanz an technologischer Kompetenz, die
zusammen mit den Bemühungen, die Westküste analog zur Ostküste
industriell zu entwickeln, aufgebaut wurden und im Verlauf des Kalten
Krieges veredelt und schließlich für den freien Markt freigegeben
wurden. Wenige trauen sich überdies, Operation Paperclip zu
erwähnen, in deren Rahmen der ein oder andere deutsche
Spitzeningenieur mitsamt Expertise ihren Weg dorthin fanden.
Alles in allem war
es wohl eine Mischung aus dem genannten, wobei im Silicon Valley
schon lange erfolgreich getüftelt wird. Beginnend mit den ersten Peronalcomputern traten die Produkte aus der Region ab den 1970er
Jahren ihren Weg schließlich in das Bewusstsein und in die Haushalte
der westlichen Welt ein. Und spätestens seit Beginn des
Internetzeitalters zu Beginn der 1990er Jahre ist die Marke Silicon
Valley wohl mit das exklusivste, was es gibt auf der Welt. Weltweit
will quasi jeder ein Teil davon sein und am Erfolg teilhaben, oder
das Geheimrezept für den maximalen Erfolg für sich selbst kopieren.
Die Spitze des Erfolgs scheint überschritten
Die aktuellen
Entwicklungen im Großraum um San Francisco scheinen jedoch darauf
hinzudeuten, dass der Höhepunkt inzwischen überschritten wurde.
Politisch verfügt die Stadt und die gesamte Region über eine
strukturelle linke Mehrheit, die mehr sich selbst und ihren Pfründen
dient als den Bürgern, die sie regiert.
Das gute Wetter zieht
zahlreiche Glücksritter und Abgestürzte genauso an wie der auf
oberflächlicher Mildtätigkeit beruhende sozial-industrielleKomplex. Abgerundet wird die gesellschaftliche Dysfunktion von einer
Kaste Oligarchen, die dank ihrer Expertise in Hard- und Software sehr
jung sehr reich werden konnte und so weit über den Dingen zu fliegen
in der Lage ist, dass die Zeltstädte der Armen unter ihnen aussehen
wie bunte Hüpfburgen des Wohlstandes.
Aufgrund der kurzen
Wege zwischen Stadt und Entwicklungscampus gibt es zahlreiche
Überschneidungen und Wechselwirkungen zwischen beidem und so
verwundert es nicht, dass der Zeitgeist in beiden Bereichen synchron
läuft. Die Erosion des pragamatischen Leistungs- und
Lösungsgedankens könnte sich dabei zuerst als Opportunismus in der
Politik breitgemacht haben. Genauso könnten es aber auch die
Konzernzentralen des Megaerfolgs gewesen sein, wo die
Milliardenumsätze den Blick auf das Notwendige nur zu leicht
verstellt haben und zunehmend ein dekadenter Lebensstil einzog.
Wie das Silicon Valley funktioniert: Investieren auf gut Glück
Es gibt klare
Anzeichen, dass die aktuelle Unternehmens- und Investitionspraxis im
Silicon Valley deckungsgleich ist mit San Franciscos politischer
Wegwerfmentalität des sich selbst gut Fühlens. Aufgrund der
globalen Dominanz des Silicon Valley hat das Auswirkungen auf der
gesamten Welt und das auch jenseits von Zensurversuchen in den
Sozialen Medien, die eher als ein Symptom, denn eine Ursache
bezeichnet werden können.
Das Problem vielmehr
besteht in der Frage, inwieweit die Art und Weise des Investierens im
Silicon Valley noch immer weltweit als Vorbild gilt und welche Folgen
es für Länder und deren Volkswirtschaften weltweit hat, wenn die
Investitionstätigkeit in „disruptive Geschäftsmodelle“ eine
Dysfunktion in der Weise aufweist, als dass zwar hohe Umsätze
erzielt werden und ganze Industrien aufgewirbelt werden, am Ende
jedoch kein funktionierendes Geschäft steht, sondern einfach nur
Geld verbrannt wird.
Eine der gängigen
Investitionsansätze aus dem Silicon Valley besteht darin, bei
Geschäftsideen zunächst nicht darauf zu achten, ob sich daraus
potenziell ein tragfähiges Unternehmen aufbauen lässt, sondern
vielmehr auf die „Disruptivität“ zu achten. Dahinter steht die
Frage, inwieweit man einen gängigen Herstellungs- oder
Dienstleistungsprozess so weit verändern kann, dass die angestrebte
Lösung für Käufer und Nutzer bei weitem vorteilhafter ist, als das
bisherige Angebot.
Ist diese Frage
beantwortet und wird den Entwicklern ausreichend Vertrauen
entgegengebracht, dass sie die Entwicklung stemmen können, dann sind
Investoren gerne bereit, ihnen eine Million Dollar und drei Jahre
Zeit einzuräumen. Die Million Dollar ist dabei zu erachten als
Portokasse, da es letztlich nicht darauf ankommt, ob das eine Projekt
Erfolg haben wird. Vielmehr investiert man in dieser Weise einhundert
Millionen Dollar in einhundert Projekte, von denen die Summe aller
Investitionen am Ende einen Marktwert von über einhundert Millionen
Dollar erreicht haben muss.
Geld für diesen
Ansatz übrigens ist genügend da. Die in der Vergangenheit
erfolgreich gemachten Unternehmen – man denke an HP, IBM,
Microsoft, Facebook oder Google - bringen mehr als genug davon ein.
Das Geschäftsmodell,
also die Frage, wie man genau sein Geld verdienen wird mit einem
Produkt, wird erst hinterher gestellt. So war es beispielsweise auch
bei Twitter der Fall. Es ist zum einen auch der Grund, weshalb viele
der digitalen Dienstleistungen aus dem Silicon Valley auf der einen
Seite kostenlos sind. Man kann kein Geld dafür verlangen, weil es
andere sonst kostenlos anbieten würden, und weil es vermutlich
ohnehin keinen rentablen Markt dafür gäbe. Zum anderen ist das auch
der Grund, weshalb in den letzten Jahren der Kunde zulasten seiner
Privatsphäre zum eigentlichen Produkt mutierte. Denn wenn man schon
kein Geld für eine Dienstleistung verlangen kann, dann lassen sich
noch immer sämtliche Nutzerdaten abgreifen und zur geldwerten
Drittverwertung weiterreichen.
Zum Erfolg gestellten sich steigende Risiken
Als theoretischer
Überbau beziehen sich viele dabei auf Schumpeters „kreative Kraft
der Zerstörung“, nach der Neuerungen den Kreislauf des
Wirtschaftens antreiben, indem sie alte Lösungen zwar zerstören,
selbst aber eine neue Entwicklungsstufe und damit einen positiven
Aspekt für die Wirtschaft darstellen.
Inzwischen hat sich
trotz des Platzens der Dot-Com-Blase Anfang der 2000er Jahre aber ein
großes selbstzerstörerisches Luxusproblem im Silicon Valley
eingenistet, das auf mehreren Teilproblemen beruht. Denn einmal die
Welt hat seitdem nicht geschlafen und hat wenn auch mit Rückstand
und jenseits von China meist nur in Nischen im Bereich des kreativen
Zerstörens deutlich aufgeholt. Es ist also immer schwerer, die Nase
vorn zu behalten, so dass sich das allgemeine Risiken vergrößert
hat.
Zweitens ist auch
das „Neuland“ Internet nicht mehr völlig unbekannt. Zahlreiche
Dienste decken mittlerweile jeden erdenklichen Aspekt des Geschäfts-
und Privatlebens ab, so dass die Zahl der Wirtschaftssektoren
zunehmend steigt, in denen im Stile des Silicon Valley aktiv
investiert wird. Auch das steigert das Risiko, da die grenzenlose
Welt des Internets immer öfters verlassen wird und geradezu
altmodische Branchen mit disruptiven Mitteln bearbeitet werden. Auch
das steigert das Risiko, denn man betritt fremdes Territorium, auf
dem sich erfahrene Anbieter tummeln.
Beide Elemente in
Kombination mit den zahlreich zurückfließenden Gewinnen bedingen
einen Trend hin zu Investitionen, die immer mehr Geld kosten und die
immer unwahrscheinlicher Erfolg haben werden. Dadurch sinkt zwar die
Erfolgsquote, da aber auch über den Hebel der Geldpolitik noch immer
mehr als genug Mittel zur Verfügung stehen und nachgeschossen werden
kann, werden immer mehr nicht tragfähige Geschäftsmodelle am Leben
gehalten.
Ziel dabei ist zu
oft die reine Zerstörung ohne jegliche kreative Neuerungen. Da
Wettbewerber nicht mehr übertroffen werden können, versucht man sie
zu untertreffen und das so lange, bis sie aus dem Markt ausgeschieden
sind und ein Monopol besteht und die Preise angehoben werden können.
Streng genommen handelt es sich dabei um eine illegale
Wettbewerbsverzerrung, aber das zählt nur allzu selten in der Welt
des Investierens.
Als drittes
Teilproblem lässt sich daher festhalten, dass zu oft nicht mehr
disruptiv gehandelt werden kann, sondern destruktiv und beim Hobeln,
so sagt das Sprichwort, fallen eben Späne.
Der Irrsinn schlechthin: Reich werden mit Pizzateig
Das
selbstzerstörerische Luxusproblem, das sich aus all dem ergibt,
besteht nun darin, dass Investoren für den Erfolg bereit sind und
aufgrund der Umstände bereit sein können, die Konkurrenz so weit zu
unterbieten, dass Ineffizienzen entstehen, mit denen sie in der Lage
sind, den Angreifer auf dem Markt nicht nur abzuwehren, sondern sich
an diesem sogar noch gesund zu stoßen.
Ein aktuelles
Beispiel dazu liefert
DoorDash,
ein Lieferservice für Essen, der wie einige andere die Welt erobern
möchte. Das Geschäftsmodell besteht darin, dass Kunden über deren
App in einem beliebigen Restaurant ihr Essen bestellen können,
woraufhin ein Fahrer von DoorDash das Essen dort bestellt, es dort
abholt und zum Kunden an die Haustür liefert. So ein Geschäft kann
man durchaus betreiben. Allzu kreativ ist es allerdings nicht, zumal
es einen Niedriglohnsektor voraussetzt, auf den wohl kaum ein Land
dieser Welt stolz wäre.
Das Erfolgsgeheimnis
von DoorDash scheint darin zu bestehen, die Kundschaft von anderen
Diensten wegzulocken, oder überhaupt erst Kunden für diese Methode
des Bestellens zu gewinnen, indem es die Preise der Restaurants
massiv unterbietet. Kostet also beispielsweise ein Jägerschnitzel im
Restaurant 25 Euro, dann bekommt man es von DoorDash für 15 Euro an
die Haustür geliefert. Den Verlust von 10 Euro trägt dabei DoorDash
alleine, da deren Fahrer das Essen beim Abholen mit dem Geld der
Investoren bezahlt.
So
erzählt es jedenfalls Ranjan Roy, der über einen Bekannten, der
eine Pizzeria betreibt, zufällig auf das Geschäftsgebaren
aufmerksam wurde. DoorDash fragte den Pizzabäcker nicht, ob er Teil
ihrer Dienstleistung werden will, sondern setzte dessen Restaurant
einfach auf seine Lieferliste. Daraufhin kamen des öfteren Fahrer
vorbei und holten Essen ab, was ihn prinzipiell nicht störte, da es
Geld einbrachte. Auf der anderen Seite jedoch riefen immer öfters
Kunden von DoorDash an und beklagten sich über das kalte Essen, weil
die Fahrer nur unzureichend ausgerüstet waren und beim Transport
keine Isoliertasche verwendeten. Auch bei Bewertungsportalen kamen
für das Restaurant einige negative Bewertungen rein, und wir wissen,
wie „disruptiv“ sich diese auf die Lokalszene ausgewirkt hat.
Jedenfalls gingen
Roy und sein Bekannter der Sache nach und so bestellten sie selbst
bei Doorah zehn Pizzen aus dessen Pizzeria. Zur Überraschung der
beiden jedoch kostete eine Pizza aus dem eigenen Restaurant bei
DoorDash nur 16 Dollar, während der Preis im Restaurant bei 24
Dollar lag. Dennoch kam es zu keinen Problemen, sie mussten dem
Lieferdienst nur 16 Dollar pro Pizza zahlen.
Gewinn sprang dabei
keiner raus, da die acht Dollar Differenz in etwa den Kosten einer
Pizza entsprachen. Dann aber hatten sie die Idee, einfach nur einen
Teig in den Karton zu legen und die teuren Zutaten alle wegzulassen.
Der Teig für eine Pizza in Restaurantmengen kostet kaum einen
Dollar, so dass bei zehn Pizzen 70 Dollar übrig blieben. Gesagt
getan, auch das funktionierte reibungslos. Denn wo kein Kläger, da
keine Klage und warum sollte sich der Bekannte über den Teig
beschweren, wenn es so abgesprochen war?
Die Sache ist nicht
einmal illegal und so hätten die beiden sich reich stoßen können
an den Millionen an Investorengeldern, mit denen das zum Scheitern
verurteilte Geschäftsmodell von DoorDash noch immer – und
vermutlich noch lange - am Leben gehalten wird. Persifliert wurde
genau das übrigens vor einigen Jahren in
der Comedy Serie Silicon Valley, wobei ich mir damals kaum
vorstellen konnte, dass Innovatoren und ihre Investoren im
Hintergrund auch in der Realität einem derartigen Fallstrick
erliegen könnten.
Das Ende einer Ära
Als Fazit bleibt
festzuhalten, dass sich das Silicon Valley gerade selbst aufzufressen
scheint. Denn wer in derartige Projekte investiert, der wirft
effektiv Geld über den Leuten ab, die sich nur danach bücken
müssen. Am Ende steht dabei kein Monopol über die Verdrängung der
bisherigen Anbieter, sondern der Angreifer löst sich selbst auf.
Effektiv ist es nicht mehr eine ungewollte aber überaus effektive
Vermögensumverteilung genau an jene, die man mit aller Gewalt
verdrängen wollte.
Die Geschichte
erinnert ein wenig an Adelige, deren Ahnen sich über Generationen
vom Geld ihrer Untertanen einen Schatz anhäuften, nur um dann
irgendwann einen Spross in der Familie zu haben, der das Vermögen
saufend in der Dorfkneipe beim Karten spielen wieder zurück ans Volk
verliert.
Es ist kein Wunder, dass einige der Investoren, die im Silicon Valley reich wurden, den Ort inzwischen aufgegeben haben. Allen voran Peter Thiel, den es nach Los Angeles zog, aber auch sein Kollege Elon Musk scheint es in Anbetracht der Umstände weiter weg zu ziehen.
Als Frage bleibt
abschließend, wie viele Sektoren die Säufer aus dem Silicon Valley
noch angreifen und zum kippen bringen werden, bevor das letzte Stück
ihres Tafelsilbers den Besitzer gewechselt hat. Keine Frage dagegen
ist, ob es so kommen wird. In Anbetracht von Geschäftsmodellen wie
jenem von DoorDash scheint es wirklich nur noch eine Frage der Zeit
zu sein, bis die letzte Innovation aus dem Tal der digitalen Träume, die das Silicon Valley für viele noch ist, die Welt
verändert haben wird.
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