Merke: Willst du einen Wasserrohrbruch erleiden, dann musst du zunächst an das Wassersystem angeschlossen sein (Bildquelle) |
Die Privatisierung der Wasserversorgung ist eine kontroverse Sache. In der Regel man von politischer Korruption ausgehen, wenn das passiert. In Brasilien jedoch könnte es sich genau anders herum verhalten: Es war die jahrzehntelange politische Korruption, die der Regierung keine andere Wahl mehr ließ, als die Versorgung zu privatisieren.
Die Trinkwasserversorgung zeigt die Grenzen Marktwirtschaft
Nachdem noch immer
35 Millionen Brasilianer im Regen duschen müssen – immerhin 17%
der Bevölkerung – entschloss sich die Brasilianische Regierung zur
Privatisierung
der Trinkwasserversorgung. Neue Investitionen in den
unterversorgten Markt soll die Maßnahme bringen, wobei selbst
hartgesottene Fans der marktwirtschaftlichen Ordnung Zweifel daran
hegen. Die
Vergangenheit zeigte bereits vielfach, dass die Privatisierung
von Wassernetzen kaum den erwünschten Qualitätswettbewerb fördert.
Das liegt einerseits an der monopolartigen Struktur des Geschäfts,
da es nur eine Leitung pro Einzugsgebiet braucht, während die
Menschen gleichzeitig auf das kühle Nass angewiesen sind, sie also
nur zu einem gewissen Grad die Nachfrage einschränken können, wenn
der Preis nach oben geht.
Man kann davon
ausgehen, dass die Gefahr eines derartiges Marktversagens auch bei
den Entscheidern in Brasilia bekannt ist. Dennoch hat sich die
Regierung genau dazu entschlossen. Politische Korruption wird damit
zum naheliegenden Kalkül. Schaut man sich allerdings ein paar Zahlen
zum Sachverhalt an, dann könnte es etwas anderes gewesen sein, das
zur Privatisierungsentscheidung führte.
Brasilien hat alles, nur keine Klospülung
Zunächst einmal
muss man sich fragen, wie es die nur bedingt inkompetenten
brasilianischen Behörden nicht fertig bringen konnten, das immerhin
tropische (=wasserreiche) Land mit ausreichend Anschlüssen zu
versorgen. Brasilien mag zwar vor allem vom Export von
Fussballspielern und Getreide leben, verfügt jenseits davon aber
auch über Kompetenzen in fast allen Wirtschaftsbereichen. Embraer
wäre ein Beispiel und es gibt im Großraum zwischen Rio und Sao
Paulo mit Sicherheit genügend weitere Beispiele für die
Systemfähigkeit der brasilianischen Volkswirtschaft. Auch die knapp
9.000 US-Dollar pro Kop BIP (vergleichbar mit China und der Türkei)
sprechen eher für das notwendige Kapital und Können, allen
Einwohnern des Landes einen Wasseranschluss zur Verfügung zu
stellen, als dagegen.
Dennoch wollte es
bislang nicht klappen. Es fragt sich: Wenn die Privatisierung so eine
schlechte Idee ist, wie schlecht muss dann der Weiterbetrieb als
öffentliche Angelegenheit sein? Und vor allem auch, worin liegen die
Gründe für den Missstand?
Wichtiger als Wasser ist nur eines: Geld!
Mit Blick auf die
Bevölkerungsentwicklung von Brasilien zeigt sich, dass die 35
Millionen Einwohner mehr, die das Land nicht an das Trinkwassernetz
anschließen konnte,
fast exakt in den letzten 20 Jahren dazu kamen. Kurze Zeit
später, es war vor 17 Jahren, wurde ein gewisser Herr Lula
Präsident, seines Zeichens linker Gewerkschaftsbonze, der nach
seiner Zeit im Amt wegen
Korruption im Gefängnis saß.
Ganz offenbar haben
sich Lula und seine Kumpane auch bei den Versorgungsbetrieben bedient
und die dortigen Hebel von Investition auf Abschleifen/Ausrauben
gestellt. Gleichzeitig – auch das ist üblich bei linken
Regierungen – bekommen die bei Staatsbetrieben zuständigen
Gewerkschaften unter linken Regierungen einen erheblich größeren
Einfluss auf Entscheidungen innerhalb der Betriebe und das möglichst
in struktureller Weise. Das heißt, dass auch nach dem politischen
Machtverlust der Linken die Gewerkschaften weiter das Sagen haben. So
auch bei den brasilianischen Wasserbehörden.
Heute zeigt sich das
Ergebnis. Unter Lula wurde kräftig mit Geld herumgeworfen, eine
Blase erzeugt und jede Menge Gelder veruntreut, aber es wurde nichts
getan, das die Substanz an die Ist-Situation der Bedürfnisse in der
Bevölkerung angepasst hätte. Dabei ist es schon bezeichnend, dass
ein so fundamental bedeutender Aspekt der Versorgung wie das
Trinkwasser, in einer derartigen Weise vernachlässigt wurde. Bei
einer integren linken Regierung müsste etwas derartiges eigentlich
ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.
So liegt die
Schlussfolgerung nahe, dass man in Brasilia in der Privatisierung der
Wasserversorgung den letzten Ausweg aus der strukturellen
Versorgungskrise sieht. Denn nur lässt sich die Macht der linken
Seilschaften im System brechen. Die Preise mögen dadurch vielleicht
nach oben gehen, allerdings ist es in jedem Fall als vorteilhafter zu
erachten, eine überhöhte Rente an die Betreiber abzugeben, als gar
kein Wasser zu haben.
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