Thüringens nächster starker Mann (Bildquelle) |
Nachdem die beiden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg für die Blockparteien mit einem blauen Auge ausgingen, stehen am kommenden Wochenende in Thüringen Landtagswahlen an. Ähnlich wie bei den anderen beiden neuen Ländern wird voraussichtlich auch in Thüringen die AfD reüssieren, wobei für das System aufgrund der Personalie Björn Höcke besonders viel auf dem Spiel steht. Auch wenn mit dem vermutlich rechtsextremen Terroranschlag in Halle ein Unsicherheitsfaktor ins Spiel gebracht wurde und der politmediale Komplex erwartbar Schuldzuweisung in Richtung der AfD abgab, so zeigt die Mechanik der beiden anderen Wahlen eindeutig in Richtung der AfD als großem Wahlsieger, die zum entscheidendem Zünglein an der Waage werden könnte.
Vergangene Umfragen und wer darin über- und unterbewertet wurde
Bei Wahlrecht.de
gibt es eine stets auf dem aktuellen Stand gehaltene Übersicht über
die aktuellen Umfragewerte mitsamt Archiv der alten Umfragen für
jeweils EU- und Bundestagswahlen, aber auch für die Länder,
darunter Thüringen
und die anderen beiden Ostländer, in denen kürzlich Wahlen
stattfanden. Man kann an den Vergangenheitswerten vor den Wahlen gut
ablesen, welche der Parteien von den Umfrageinstituten über- und
welche unterbewertet wurde. Sofern die Verzerrung in beiden
Bundesländern vorhanden ist, lässt sich daraus in etwa ableiten,
welche Partei auch in Thüringen in den Umfragen über- oder
unterbewertet wird und um wie viel.
Für die Berechnung
der Verzerrung habe ich aus den sechs (Brandenburg) beziehungsweise
sieben Umfragewerten aus den letzten drei Monaten vor der jeweiligen
Wahl das arithmetische Mittel gebildet und dieses ins Verhältnis
gesetzt zu den tatsächlichen Wahlergebnissen. Folgendes kam dabei
heraus (Werte gerundet):
Erwartbare Verzerrungen in Sachsen (SN) und Brandenburg (BRB) |
Eine negative
Abweichung (rot) bedeutet, dass die Partei überbewertet wurde,
während eine positive Abweichung (grün) eine Unterbewertung
darstellt. Diese beiden Werten aus Sachsen und Brandenburg stellen
die Bandbreite dessen dar, was auch in Thüringen erwartet werden
kann.
Die etablierten Nischenparteien müssen Federn lassen
Auf den
ersten Blick erkennbar ist, dass in den Mainstream Medien stark
beworbenen Grünen bei den Wählern Mitteldeutschlands deutlich
weniger gut ankommen, als es ihre mediale Präsenz vermuten lässt.
Offenbar sind auch die Umfrageinstitute nicht gefeit vor dieser Art
von Verzerrung, so dass sie die Partei sehr deutlich überschätzen.
Ähnliches gilt für
die Linkspartei, die bislang zumindest im Osten den Charakter einer
Volkspartei hatte und dies vermutlich bei der Bewertung ihrer
Beliebtheit mit einfloss. Mit dem von Angela Merkel im Jahr 2015
eingeleiteten Zeitenwechsel scheint dies aber vorbei zu sein, nun da
die praktischen Konsequenzen des linken Multikulturalismus und der
grünen Energiewende auch in der Lausitz und den Braunkohlegebieten
des Ostens wirken.
Dritter großer
Verlierer für die Umfrageinstitute ist die FDP, die in der
Vergangenheit bereits einen schweren Stand hatte und mit dem weichen
bundesdeutschen Liberalismus nie eine wirkliche Heimat fand jenseits
von Nischen wie etwa Dresden, wo die Partei den Oberbürgermeister
stellt.
Bei den beiden
ehemaligen Volksparteien CDU und SPD liegen die Umfrageinstitute
näher an der Wahrheit - oder anders ausgedrückt, sie wissen zu wenig
für eine passgenaue Prognose, aber noch immer genug, um nicht konsistent falsch
zu liegen. Für die nach wie vor relativ starke CDU ist das eine gute
Nachricht. Angesichts von 8 mageren Prozent für die SPD in den
beiden Ländern dagegen kann man nur mehr von einer um fünf Jahre
verlängerten Palliativbehandlung sprechen.
Der verbotene
Gewinner dieses Spielchens ist selbstredend die AfD und mit den
Freien Wählern an der Spitze die Kleinstparteien. Über deren
Benachteiligung bei den Umfragewerten darf sich jeder selbst einen
Reim machen.
Die Bandbreite der Prognoseverzerrungen auf Thüringen umgerechnet
Für Thüringen
stehen aus den letzten drei Monaten sechs
Prognosen zur Verfügung. Den Mittelwert der Prognosen zu Grunde legt ergeben sich daraus die folgenden prozentualen Verteilungen
(grün unterlegt ist jeweils die Partei mit dem größten
Prozentanteil):
Ob insgeheim auch der Güllner Manni über diese Werte informiert ist? |
Auf den ersten Blick
fallen drei Dinge ins Auge, die jeweils mit dem absehbar (zu)
schlechten Abschneiden der FDP zusammenhängen.
Erstens, die FDP
wird nicht in den Landtag einziehen. Damit bestätigt sich das
Ergebnis von 2014, als sie mit 2,5% krachend gescheitert ist und
zwei Drittel ihrer Stimmen verlor. Das kommt effektiv dem Ende der
Partei in Thüringen gleich und damit dem Ende des bundesdeutschen
Liberalismus in einem Teil Mitteldeutschlands.
Zweitens, selbst wenn die
FDP den Einzug in den Landtag nicht verfehlen soollte wird die außerparlamentarische Opposition sehr groß ausfallen.
Es könnte sich in Thüringen genau jenes im Kleinen wiederholen, was ab
2013 auf der großen Bühne bereits geschah, als FDP und AfD nur
knapp scheiterten. Die danach entstandenen Brüche sind Legende, für
Thüringen könnte vergleichbares anstehen.
Drittens, unabhängig
davon, ob die FPD in den Landtag einzieht oder nicht wird keine
Mehrheit entstehen können ohne die AfD. Sie hat damit nach sechs
Jahren ihrer Existenz erstmalig die Sperrminorität erreicht, so dass
ohne eine „Querfront“ von CDU bis Linkspartei keine Mehrheit mehr
möglich sein wird. Überdies steht sogar im Raum, dass die AfD sogar zur größten
Partei im Landtag avanciert. Sie wäre damit Thüringens neue „Volkspartei“.
Lediglich wenn neben
der FDP auch die in Thüringen nur sehr kleinen Freien Wähler einen
herausragenden Sieg einfährt, oder falls es massive
Verschiebungen aufgrund der Erststimmenverteilung gibt, dann könnte
dieses Szenario mit der AfD auf dem Platz an der Sonne noch verhindert werden. Mit der zugrunde gelegten
Bandbreite anhand der beiden anderen mitteldeutschen Länder
allerdings sieht es nicht danach aus. Die AfD und damit federführend
Björn Höcke werden erwartbar ein gewichtiges Wörtchen mitreden bei der
Bildung der kommenden Regierung.
Dazu eine
Auflistung möglicher Mehrheitskoalitionen unter Berücksichtigung
der Fünfprozenthürde:
Bereiten Sie sich auf viel politisches Fremdschämen vor |
Der CDU wird die
Qual der Wahl bleiben, so viel steht fest. Noch scheint eine Koalition mit der
Linkspartei nach logischen und weltanschaulichen
Gesichtspunkten ausgeschlossen, in den Raum der reellen Möglichkeiten rückt sie nur unter
Berücksichtigung der vergangenen vier Jahre Bundespolitik. Da eine Koalition mit
der AfD vermutlich nicht erwogen werden wird, bleibt mit der völligen
Abwesenheit einer Mehrheitsmöglichkeit für Rot-Rot-Grün (immerhin
Regierungskoalition) nur noch eine von links geduldete
Minderheitenregierung unter Führung der CDU.
Keine Steuererhöhungen, dafür Turbulenzen und Neuwahlen voraus
Da die zu
erwartenden Mehrheitsverhältnisse dem Wählerwillen aufgrund der zu
erwarteten Abwahl und Deklassierung der bisherigen Regierung jedoch alles
andere entspricht, werden in Thüringen ab übernächster Woche harte
politische Zeiten anbrechen. Mit einer ungeliebten und schwachen
Regierung, sowie einer außerparlamentarischen Opposition in der
Größenordnung einer mittelgroßen Fraktionen könnte es daher bald
schon wieder zu Neuwahlen kommen. Die Alternative wäre lediglich ein
eher unwahrscheinliches Ausscheren der Thüringer CDU vom generellen
AfD-Verbot zum Wohle der Wähler.
So bleibt als Fazit
nur die Hoffnung, dass
Horst
Lüning recht
behält, der schwache Regierungen aufgrund der Verschiebung der
Souveränität hin zu den Abgeordneten für eine gute Idee hält und
das Fehlen einer Regierung insofern goutiert, als dass es eine handlungsfähige Regierung benötigt, um die Steuern zu erhöhen oder neue Abgaben zu
erfinden.
Ob diese Regierungsfreiheit allerdings auch eine gute Idee ist im Stammland der Stasi und mit einer kontroversen (Un-)Person wie Björn Höcke auf dem politischen Podium? Bald werden wir es wissen.
Ob diese Regierungsfreiheit allerdings auch eine gute Idee ist im Stammland der Stasi und mit einer kontroversen (Un-)Person wie Björn Höcke auf dem politischen Podium? Bald werden wir es wissen.
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