Verwirrt vom Brexit und was passieren könnte? Hier die Zusammenfassung der sechs wichtigsten Szenarien


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Wie heißt es so schön: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Nicht anders verhält es sich beim Brexit, der mit einer einfachen Fragestellung und einer einfachen Volksabstimmung beschlossen wurde, der sich für die britische Politik allerdings in einen neuen Gordischen Knoten verwandelt hat. Anlässlich der Unterhausabstimmung zur Annahme des neuen Abkommens mit der EU erschien in der Daily Mail gerade ein ausführlicher Artikel mit den sechs wichtigsten Szenarien, was danach passieren könnte. Hier die Zusammenfassung mit einigen Ergänzungen.


1. Falls das Abkommen abgelehnt wird, wie lautet Plan B?



Allgemein wird erwartet, dass das durch die Regierung von Theresa May verhandelte Abkommen mit der EU für die Zeit nach dem Brexit von den Abgeordneten des britischen Unterhauses abgelehnt werden wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass falls es zu einer Niederlage bei der Abstimmung kommt nur drei Tage bleiben, um eine Alternative vorzulegen. Es gibt also einigen Bedarf an einem „Plan B“, auch wenn May sich bislang aus taktischen Gründen weigerte, sich zu den Eventualitäten zu äußern.

Ein „No Deal“, also kein Folgeabkommen, könnte sich in den Monaten nach dem Brexit wirtschaftlich verheerend auswirken, weshalb May dieses Risiko eigentlich nicht eingehen kann. Gleichzeitig würden die noch immer lautstarken „Remainer“ gerne das selbe Abkommen mit der EU eingehen wie es Norwegen hat. Dies würde Großbritannien de facto zu einem politischen Vasall der EU degradieren, weshalb diese Option politisch ebenso wenig gangbar ist.

Was noch bliebe ist, ein zweites Referendum durchzuführen und das Abkommen dem Volk zur Entscheidung vorzulegen. Dies wird vor allem von den Remainern verlangt, da sie (wie ich meine fälschlicherweise) davon ausgehen, dass sich der Wind im Volk inzwischen gedreht hat und die Mehrheit doch in der EU verbleiben will.

Niemand kann jedoch sagen, was passieren würde, falls ein zweites Referendum ebenso „falsch“ ausginge oder welche Alternativen überhaupt zur Auswahl gestellt werden sollten.

Insgesamt ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die Regierung May das Land in eine unmögliche Position manövriert hat und die EU ihr bestes gab, um dies zu verursachen.



2. Was die Remainer machen würden



In der Politik gibt es parteiübergreifende Lager was den Brexit betrifft und so gibt es mehrere hochrangige Konservative, die darauf aus sind, die anstehende Abstimmung zu sabotieren, um die nachfolgenden Neuverhandlungen mit der EU zu übernehmen und das Land so eng wie möglich beim Block zu halten.

Interessant ist, dass Theresa May vor dem Brexit Referendum ebenfalls zu den Remainern gehörte und offenbar nur aufgrund einer parteiinternen Kompromissformel die Macht übernehmen konnte. Es ist also durchaus denkbar, dass dieser Plan heimlich von ganz oben unterstützt wird.

Bereits jetzt ist das Personal für die Verhandlungen mit der EU mit mehrheitlich Remainern besetzt, da mehrere „Brexiteers“ zurücktraten, weil sie das ausgehandelte und zur Abstimmung vorliegende Abkommen für untragbar hielten.

Die Hoffnung dieser Mehrheit an Remainern besteht darin, dass am Ende weder die Regierung, noch das Parlament oder das Volk über das neue EU Abkommen entscheiden, sondern alleine die britischen Unterhändler, die den Vertrag ausarbeiteten.

Bei diesen herrscht die Ansicht vor, dass die Aussicht auf einen „No Deal“ zu abschreckend sei, als dass die Regierung kurz vor Toreschluß nicht alles unterschreiben würde, das man ihr vorgelegt - und sei es ein Vertrag im Stile Norwegens.

Ein solches Szenario mit der Unterzeichnung eines nicht mehrheitsfähigen Unterwerfungsvertrages in letzter Sekunde, das ist allen klar, würde der Demokratie Hohn sprechen und könnte die britischen Gesellschaft zerreißen. Es zeigt, dass für die Pro-EU Fraktion buchstäblich alles auf dem Spiel steht.




3. Ein Brexit ohne Abkommen – was würde passieren?



Sollte Großbritannien am 29. März diesen Jahres ohne Abkommen aus der EU ausscheiden, dann würde unter anderem folgendes passieren:

  • Britische Bürger könnten nicht mehr ohne Reisepass in die EU einreisen, was vor allem an der irisch-nordirischen Grenze überaus problematisch ist
  • Großbritannien wäre nicht mehr Teil des EU Binnenmarktes und es gälten fortan die Regeln der Welthandelsorganisation
  • Ausfuhren britischer Güter und Dienstleistungen in die EU würden aufs Mal um mehrere Prozent teurer
  • Einfuhren aus der EU nach Großbritannien unterlägen Ausfuhrbestimmungen (und teilweise Begrenzungen)
  • Der Finanzmarkt London müsste Finanzkontrakte in X-Millardenhöhe stornieren, da der Handelsplatz nun nicht mehr Teil des Binnenmarktes ist.

Vor allem der letzte Punkt könnte verheerende Auswirkungen auf den Welthandel haben, da London einer der wichtigsten Finanzhandelsplätze der Welt ist und für die EU der mit Abstand wichtigste. Aber auch die anderen Punkte sind problematisch, da die britische Dienstleistungswirtschaft (auch die höhere) von EU Bürgern abhängt, deren Aufenthaltsstatus plötzlich infrage stehen könnte.

Nicht zuletzt werden auch Versorgungsengpässe erwartet mit Medikamenten, Nahrungsmittel und Industriegütern. Insgesamt erwarten viele Abgeordnete in den ersten Monaten eine mittlere bis große Versorgungskatastrophe, die das Land wirtschaftlich in den Abgrund reißen würde. Daher sind viele bereit, ein schlechtes Abkommen keinem Abkommen zu bevorzugen.

Es gibt allerdings auch gegenteilige Stimmen, wie etwa jene des konservativen Bilanzbuchhaltungsexerten Jacob Rees-Mogg. Dieser meint, dass auf britischer Seite so gut wie keine Verwerfungen auftreten würden, da ein deutliches Handelsdefizit mit der EU (vor allem Deutschland) besteht und die britische Wirtschaft weltweit importiert und dadurch nur ein geringer Teil der Wirtschaft von Ausfällen oder deutlichen Kostensteigerungen betroffen wären.

Die Einschätzungen für eine No-Deal-Wirtschaftskrise gehen von einem Einbruch der Wirtschaftsleitung von 8 Prozent bis zu leichten Zugewinnen für die Wirtschaft bei den Vertretern für ein No-Deal Szenario.

Letztere blicken dabei vor allem auf Kanada und dessen Handelsabkommen mit der EU, sowie die Tatsache, dass bislang auch alle anderen Katastrophenszenarien völlig daneben lagen. Unter anderem auch jene der Bank of England.



4. Ein Misstrauensantrag gegen Theresa May



Sollte die Abstimmung zum Abkommen schief gehen, dann könnte der linksextreme Labourchef Jeremy Corbyn einen Misstrauensantrag gegen May verlangen. Zwar ist die Labour Partei aktuell nicht gerade ein mehrheitsfähiges Erfolgsmodell, jedoch wirkt May auch nicht gerade souverän und steht auch parteiintern massiv unter Druck.

Nicht nur Rees-Mogg und seine Verbündeten versuchten sich bereits am Sturz der Ministerpräsidentin, auch der wegen der EU Verhandlungen als Außenminister zurückgetretene und überaus populäre Boris Johnson warf bereits seinen Namen in den Ring für potenzielle Nachfolger in der Downing Street.

Sollte es zu einem Misstrauensantrag kommen und die Labourpartei Unterstützung von den zahlreichen konservativen Abweichlern bekommen, dann müsste innerhalb von zwei Wochen ein neuer Ministerpräsident gewählt werden oder es folgen Parlamentswahlen.

Aufgrund der unübersichtlichen Situation mit dem Brexit wäre ein eindeutiger Sieger eines Misstrauensantrages eher unwahrscheinlich. Es käme also wohl zu Neuwahlen. Allerdings werden die Erfolgsaussichten des Mistrauensantrages für relativ gering eingeschätzt, da niemand versehentlich den Stalinisten Corbyn an die Macht bringen will.



5. Neuwahlen



Trotz allem könnte es demnächst zu einer Neuwahl des Unterhauses kommen, um die verfahrene politische Situation zu bereinigen. Dies ist nicht nur aufgrund der ins extremistische gerutschte Labourpartei gefährlich, die die Gunst der Stunde nutzen könnte, sondern auch, weil die letzte von Theresa May ausgerufene Neuwahl das Gegenteil des beabsichtigten bewirkte.

Die Ablehnung des ausgehandelten EU Abkommens, die Aussicht auf die Wahl zwischen einem No-Deal Katastrophenende und einem Vassallenstatus gegenüber der EU könnte aber genau die richtige Mischung sein, um Neuwahlen abzuhalten.

Es wäre eine reine Verzweiflungstat und könnte am Ende politisch zu jenen Turbulenzen führen, die man wirtschaftlich bei einem No-Deal befürchtet.



6. Ein zweites Referendum



Viele Abgeordnete würden die Verantwortung für das Lösen des Gordischen Knotens zu gerne abgeben an die Wähler. Angesichts der Umstände handelt es sich zwar um eine überaus nachvollziehbare Haltung, ist aber auch überaus dubios hinsichtlich der Legitmität.

Es könnte sich aber um die einzige Methode handeln, das Problem zu lösen. Neben einigen Brexiteers wird diese Lösung vor allem von der linken Mainstream Presse propagiert und von Liberaldemokraten (linksliberal bis sozialdemokratisch) und der Labour Partei unterstützt (linksdogmatisch bis linksextrem).

Beide linken Parteien und die Mainstream Medien unterstützen dabei mit deutlicher Mehrheit einen Verbleib in der EU und gehen davon aus, dass der im ersten Referndum beschlossene Brexit eine Art „Versehen“ war und die Menschen es eigentlich anders wollen. Unabhängig davon, ob dem so ist oder nicht, aktuell hat ein zweites Referendum keine Mehrheit und auch Theresa May schloss bereits ein solches Referendum aus.

Sollte es jedoch zu einem Meinungswandel kommen wird die größte Frage jene der Auswahlmöglichkeiten sein:

  • Das verhandelte Abkommen annehmen oder nicht
  • Den Brexit absagen und noch einmal neu verhandeln
  • Das verhandelte Abkommen oder den norwegischen Vertrag
  • Einfach austreten ohne Abkommen

Ein zweites Referendum ist letztlich genauso als gefährliche Verzweiflungstat zu bewerten, wie Neuwahlen.



Nicht nur für die Briten geht es um alles – für alle geht es um alles



Während die Berichterstattung über den Brexit hierzulande eher mau ist, handelt es sich für Großbritannien um eine Angelegenheit, die in ihrer Bedeutung in etwa gleichzusetzen ist mit dem britischen Verhalten gegenüber Hitlerdeutschland in den 1930er Jahren. Es geht um die Nation, die Freiheit, Autonomie, Selbstbestimmung und ob man seine Prinzipien opfert oder seinen Wohlstand.

Erschwerend kommt hinzu, dass die EU nicht Hitlerdeutschland ist, die Prinzipien sind längst nicht mehr so eindeutig festgelegt wie früher und bei zu vielen politischen Akteuren beruht der eigene Erfolg direkt oder indirekt auf der EU. Auch der Glanz des British Empire ist längst verblichen und im Unterschied zu Hitler und Göring sieht man in den Hinterzimmern der EU auf der Insel keine insgeheimen Freunde, sondern einfach nur zu beseitigende Rivalen.

Für die Briten und die dortigen Interessengruppen geht es also buchstäblich um alles. Dieses alles könnte sich in kaum verwirrenderer Weise präsentieren und falls der falsche Pfad gewählt wird, dann könnte schon bald entweder Großbritannien eine wirtschaftlich Kernschmelze erleben, oder die EU, oder beide und mit ihnen der gesamte Planet.



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