Eine Frage der Intelligenz: Kennt jemand den schweizerdeutschen Begriff für „riechen“?

Wilhelm von Humbold; Worf, Sohn von Mogh

Mit der Migrationskrise kommt es zu einem nie dagewesenen Aufeinanderprallen von Menschen und damit von Gebräuchen und Kulturen. Manche Vorurteile werden dabei widerlegt, andere dafür bestätigt und neue kommen hinzu. Bei Schwarzafrikanern schwingt dabei oftmals die Frage der Intelligenz mit. In diesem Beitrag möchte ich nicht erörtern ob dem so ist, sondern auf eine Hypothese eingehen, mit der ein Teil dieser Verhaltensunterschiede erklärt werden kann, die man gerne auf Intelligenzunterschiede zurückführt. Es geht um Sprache als Träger für abstrakte Konzepte.



Whorf und Humboldt weisen den Weg



Für mich als alten Star Trek Fan ist es eine feine Ironie, dass es ausgerechnet jemand mit dem Namen Whorf ist, auf den die folgende Hypothese zurück geht. Laut Wikipedia war es Benjamin Whorf, der die Hypothese entwickelte, wonach die Art und Weise wie ein Mensch denkt, direkt von jenen Mitteln abhängt, die ihm seine Muttersprache dafür zur Verfügung stellt. 

Die Gedanken einer Person sind demnach an die grammatikalischen Figuren einer Sprache und an Wortschatz der Sprache gekoppelt. Wichtig sind sind insbesondere abstrakte Begriffe, ein ausgeklügeltes System an Aktiv-Passiv Konstruktionen, sowie eine temporale Grammatik, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterscheidet.

Fehlen einer Sprache diese Elemente, so die Hypothese, dann ist es für eine Person nur schwer möglich, sich gedanklich etwas zu vergegenwärtigen oder zu kommunizieren, das eine solche Grammatik voraussetzt.

Whorf berief sich dazu auf den Linguisten Edward Sapir. Aber auch Wilhelm von Humboldt hatte - ich nehme an dank der deutschen Sprache – unabhängig von Whorf vergleichbare Gedankengänge.

Mit Whorfs Ansatz lässt sich beispielsweise erklären, warum manche Völker nicht wirklich einsehen wollen, dass manche Menschen mehr besitzen als sie selbst, oder warum die Angehörigen mancher Völker notorisch unpünktlich sind. Die linguistische Erklärung dafür beruht im Kern darauf, dass während der Entwicklung der jeweiligen Sprache das jeweilige Element schlichtweg nicht benötigt wurde und es daher nicht vorkommt.

Die Abwesenheit von Pünktlichkeit und dem Sinn für Eigentum beispielsweise lässt sich so auf die Abwesenheit von Jahreszeiten zurückführen, was dazu führt, dass ganzjährig konstant Nahrung vorhanden ist und in weitläufigen und fruchtbaren Gebieten keine Notwendigkeit dazu besteht, zwischen „meins“ und „deins“ oder "morgen" und "in drei Monaten" zu unterscheiden.

Selbstverständlich ist diese linguistische Erklärung nicht vollständig. Das erkennt man Sozialisten, die es auch in Völkern mit Pünktlichkeit und Vertragsrecht gibt. Obwohl sie ihr ganzes Leben von diesen Konzepten umgeben waren verstehen sie ihre Bedeutung trotzdem nicht.

Wie relevant die Hypothese von Whorf aber ist zeigt der Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Unterschieds zwischen der grammatikalischen Gegenwarts- und Zukunftsform und der Neigung zum Sparen der Sprecher einer Sprache. Je stärker eine Sprache grammatikalisch unterscheidet zwischen Gegenwart und Zukunft, desto weniger neigen die Sprecher der Sprache zum Sparen. Gibt es in einer Sprache dagegen nur geringe Unterschiede zwischen der Gegenwarts- und Zukunftsform, dann sparen die Menschen mehr.

Die Korrelationen dazu sind klar. Insgesamt wurden für eine Studie 76 Länder und ihre Sprachen untersucht und es kam heraus, dass jene, die es sprachlich und gedanklich gewohnt sind Zukunft und Gegenwart nahe beieinander zu haben, 4,75% mehr sparen als die anderen. Dies gilt sogar für die Schweiz mit drei Hauptsprachen, wo man im Jura und im Tessin im Schnitt ganze 36% weniger spart als in der Deutschschweiz.



Dialekte beweisen, es gibt mehr als nur ein Beispiel für dieses Phänomen



Solche Zusammenhänge werden gerne als Rassismus hingestellt und unterdrückt, da die Unterschiede in der linguistischen Kodierung von Völkern umso größer werden, je weiter man weggeht, bzw. von je weiter her Menschen in unser Land strömen und ihre Gepflogenheiten mitbringen.

Auch wenn eine Untersuchung wie die obige mit dem Sparverhalten kaum in diese Kategorie gepfercht werden kann, so wird darin noch immer unterschieden zwischen Völkern. Das Argument ist also ein völkisches, was bei Gutmenschen wirkt, als würde man deren Empörungsklaviatur mit Strom versorgen. Entsprechend gibt es kaum eine Chance, auf dieser Ebene durchzudringen.

Dieses durch Whorf und Humboldt beschriebene Phänomen jedoch existiert auch „innervölkisch“ und innersprachlich. Dies nicht nur im Kontext von Sparen, Pünktlichkeit und Eigentum, sondern in allerlei Facetten. Dies bringt mich zurück zur Titelfrage.

Wie lautet der schweizerdeutsche Begriff für „riechen“?

Die Antwort darauf ist nicht gerade einfach. Der ein oder andere mitlesende Schweizer oder an der Grenze zur Schweiz lebende Deutsche wird jetzt vielleicht intuitiv antworten mit „riechen“. Aber ist das korrekt?

Ich selbst bin in relativer Nähe zur Schweiz aufgewachsen, meine Muttersprache ist daher quasi Schweizerdeutsch. Und ich war recht baff, als ich im Jugendalter von Hochdeutschsprechern darauf hingewiesen wurde, dass ich da etwas falsch mache. Jedes Mal, wenn ich etwas gerochen habe, etwa ein Steak oder einen frisch gemähten Rasen, da fragte ich: „Schmeckt ihr das auch?"

Mir selbst kam das überhaupt nicht komisch vor, bekam aber des öfteren verdutzte Blicke oder einen Lacher zurück. Mit der Nase riecht man, so die unerwartete Lektion, zum schmecken ist die Zunge da. Natürlich war mir das immer schon klar, aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass der Dialekt riechen und schmecken sprachlich gleichsetzt und daher einfach immer so geredet, wie mir das in den Sinn kam. Für Gerüche gab es für mich nur das Wort "schmecken". Im Schweizerdeutschen gibt es also tatsächlich aber nur vier Sinne, nicht fünf.

Als ich den Fehler im System begriff nahm ich mir zwar vor, es fortan besser zu machen. Allerdings bereitet mir diese linguistische Gleichsetzung noch immer Probleme. Sobald ich etwas höre, bei dem es um riechen oder schmecken geht oder ich selbst etwas dahingehendes sagen will, oder auch nur einen Gedanken hege zum Thema riechen oder schmecken, dann muss ich für eine Zehntel Sekunde anhalten und mich vergewissern, ob es gerade um die Nase oder die Zunge geht.

Intellektuell verstehe ich den Unterschied zwar, habe es aber noch immer nicht vollständig verinnerlicht und werde es wohl auch nie völlig verinnerlichen, weil sich die kindliche Sprachprägung wie wenig anderes in jedermanns Gehirn einbrennt.

Ich bin mir sicher es gibt viele andere, die dieses Problem ebenfalls haben, oder sich nicht einmal darüber im Klaren sind, dass es hier ein Problem geben könnte. Die Abhilfe über das „riechen“ als Lehnwort aus dem Hochdeutschen kann als Pflaster dienen und wird irgendwann wohl zur Standardlösung des Problems werden für die bisherige Gleichsetzung der Sinneswahrnehmung.

Es zeigt aber wie ich meine eindeutig, dass die linguistische Prägung von Völkern weitaus tiefer geht und weit über jene völkische Grenzen reicht, die man so gerne verwischt sähe.

Die Frage ist, wenn nicht einmal innerhalb eines Volkes und innerhalb eines Sprachraumes ein gemeinsamer sprachlich-gedanklichen Nenner existiert, wie soll das dann gut gehen mit vielen Völkern und vielen Sprachen?
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