Aceh nach dem Tsunami; nur die Moschee steht noch (Bildquelle) |
Aceh
ist eine Region im äußersten Westen Indonesiens. Während die
Region über viele Jahrzehnte dank der Wohlstandsgewinne in Ostasien
und seiner reizvollen Natur und seiner Strände zu einem beliebten
Ort für den globalen Tourismus entwickelte, so hat sich in der
letzten Generation etwas fundamentales verändert. Aceh, einst
fest auf dem Weg in den Wohlstand und in die säkulare Freiheit,
verwandelte sich mehr oder weniger über Nacht in eine islamistische
Hochburg, die angesichts der regelmäßigen
öffentlichen Auspeitschungen selbst den
Heerführer Mohammed vor Neid hätte erblassen lassen. Im folgenden
möchte ich eine Erklärung für diese Entwicklung anbieten und sie
ist wie ich meine erstaunlich rational.
1) Am 26. Dezember 2004 gab es ein massives Erdbeben im Indischen Ozean, das einen gigantischen Tsunami auslöste
Der Tsunami damals
war der entscheidende Wendepunkt in der weiteren kulturellen und
politischen Entwicklung von Aceh. Laut offizieller Zahlen starben in
Aceh mindestens 131.000
Menschen und das in einer Region, die insgesamt etwa 4,5
Millionen Einwohner hat. Einer von 35 Bewohnern Acehs verlor damals
sein Leben.
Das ist enorm viel
und man kann davon ausgehen, dass kaum eine Familie nicht jemanden
verloren hat bei der Naturkatastrophe. Insbesondere wenn man
bedenkt, dass die höher gelegenen Orte und der Ostteil der Insel
nicht betroffen waren, muss man davon ausgehen, dass mindestens jeder
zehnte Westküstenbewohner sein Leben verlor.
Die
Geschwindigkeit des Tsunamis, die Überraschung aus dem Nichts und
seine Zerstörungskraft war ohne Zweifel epochal und einschneidend
für die Überlebenden. Der Gedanke, es hier mit einer göttlichen
Bestrafung für das lasterhafte Strandleben zu tun zu haben ist nicht
abwegig.
2) Die einzigen Gebäude mit solider Baustruktur, die dem Tsunami standhielten waren Moscheen
Sucht man nach
Luftbildern aus Aceh zu den Verheerungen des Tsunamis, dann bekommt
man als Ergebnis Bilder der Zerstörung geliefert. Alles wurde
weggefegt, Trümmer liegen durcheinander quer über den Strand bis
hunderte Meter in das Land hinein. Hin und wieder steht noch ein
Baum, aber was vor allem herausragt sind die Moscheen mit ihren
Kuppeln und die Minaretten.
Aceh ist seit Jahrhunderten schon islamisch geprägt. Das hat die Bewohner bis zum
Tsunami nicht davon abgehalten, an die Witterung angepasste Kleidung zu
tragen und ein religionsfernes Leben mit Alkohol, Sex und
Schweinefleisch zu führen. Aber auch Aceh bekam ab der Mitte der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seinen Anteil an islamischer
Dawah ab. Dabei handelt es sich um religiöse
Ideologieaktivitäten, die vor allem von den islamofaschistischen
Golfstaaten ausgeht. Imame werden nach Arabien eingeladen und dort in
Fundamentalismus ausgebildet und es werden Moscheen und sonstige
religiöse Einrichtungen gespendet.
Da das Geld der
Araber gut war nahm man es auch in Aceh an und so entstanden Moscheen
mit qualitativ hochwertiger Bausubstanz, die am Ende im Unterschied
zu allem anderen auch dem Tsunami trotzten.
Wer
in Aceh zum Zeitpunkt des Tsunamis also nicht am Strand war, um
Alkohol oder seinen Körper zu verkaufen, sondern brav in der Moschee
betete oder zufällig in der Nähe der Moschee war, der hatte einen
eindeutigen Überlebensvorteil und die Kausalität war klar: Allah
hat ihnen eine sichere Arche aus Beton gebaut und alle anderen, die
ihn ignorierten mit dem Tod bestraft.
Nicht nur haben
dadurch vor allem religiöse Menschen den Tsunami überlebt, sondern
es gab sicherlich viele, die nicht religiös waren, sich fortan aber
angesichts der rettenden Moschee zu tiefster Dankbarkeit
verpflichtet sahen.
3) Die Welt spendete der Region Milliarden für den Wiederaufbau, der einen anhaltenden Boom erzeugte
Für Christen war
gerade Weihnachten, es saßen also genügend Menschen zu Hause und
konnten am Fernseher miterleben, was geschah und sie waren
möglicherweise auch in einer Stimmung, die sie zu einer Spende
veranlasste. Nicht zuletzt kennt auch die islamische Ummah die
Pflicht zur Mildtätigkeit für Menschen in Not und auch Staaten,
internationale Organisationen und Indonesien selbst leisteten der
zerstörten Region geldwerte Hilfe.
Laut einer Übersicht
bei Wikipedia
zu den Finanzhilfen für die durch den Tsunami zerstörten Regionen
spendete die Welt insgesamt 6,3 Milliarden Euro. Ich weiß nicht, wie
viel davon für Aceh abfiel, vermute aber, dass es deutlich über
eine Milliarde Euro war, da die Region am meisten betroffen war. Hinzu
kommen Spenden und öffentliche Finanzhilfen aus Indonesien selbst.
Ich denke, insgesamt wird Aceh bis zu 2 Milliarden Euro an
Hilfsgeldern bekommen haben.
Selbst wenn ein Teil
der Gelder verschwendet oder veruntreut wurde, kamen die
Finanzhilfen für die Region noch immer einem Geldregen gleich. Mit
einem pro-Kopf Einkommen damals von etwa 2.000
US-Dollar pro Jahr war der
wirtschaftliche Boom nach dem Tsunami nicht weniger stark als der
Tsunami selbst.
Hinzu kommen
zahlreiche Erbschaften. Zwar waren die meisten Gebäude zerstört und
viele Wertsachen weggespült, aber das Land war noch da und die
Bankkonten gab es noch immer. Und so verloren die Überlebenden zwar
ihre Angehörigen, wurden aber auf einen Schlag deutlich wohlhabender.
Wer einen
Kataklysmus überlebt und nach einem Jahr plötzlich um 50%
wohlhabender ist als davor, ist es da wirklich so abwegig und
unvernünftig, dass man sich dann als Auserwählter einer besonderen
Gruppe begreift?
4) Aceh war nicht der einzige zerstörte Ort, aber es war jener, wo der Islam bereits auf die Übernahme der Macht lauerte
Oben habe ich die
Dawah Aktivitäten erwähnt. Aceh war bereits längere Zeit im Fokus
der Islamisierungsaktivitäten durch Organisationen des politischen
Islam vom arabischen Golf. Es gab also bereits gewisse
fundamentalistische Strömungen in der Gesellschaft. Lange Zeit waren
diese eine Randerscheinung, die Menschen kümmerten sich um ihr Leben
und empfanden die Moralisierungen und Einmischungsversuche in den
Alltag vermutlich eher als störend, denn gewinnbringend.
Tatsächlich aber
waren diese Randgruppen bereits bestens organisiert, vernetzt und
verwurzelt. Es gab sogar gewaltsame
Bestrebungen für eine Unabhängigkeit Acehs unter dem Banner von
Islam und Scharia. Die Unabhängigkeit scheint heute vom Tisch zu
sein, die Scharia aber ist präsenter denn je.
Nach dem Tsunami
konnte diese Randgruppe die Meinungshoheit für sich beanspruchen.
Immerhin hatten sie mit ihren Predigten und Warnungen recht: Allah
würde das lasterhafte Leben irgendwann bestrafen und alle umbringen,
während die korantreuen Gläubigen überleben werden und es wird
ihnen dank Allah besser gehen als jemals zuvor.
Welches Argument
soll man dagegen vorbringen? Es gibt keines, die Islamisten von Aceh
hatten die ganze Zeit über recht und jeder, der auf sie hörte
überlebte die Katastrophe. Dank der argumentativen Hoheit und ihres
bereits zuvor gesponnenen Netzes war es den Islamisten dann ein
Leichtes, die Macht zu übernehmen.
5) Buddhismus und Hinduismus funktionieren anders als der Islam
Neben Aceh waren vor
allem Sri Lanka, Thailand und der südliche Teil Indiens vom Tsunami
betroffen. Man sollte also erwarten, dass es dort im Nachhinein zu
ähnlichen Konsequenzen kam. So weit mir bekannt ist, war es aber nur
Aceh, das eine kulturelle 180° Wende vollzog und sich dem
religiösen Fundamentalismus ergab.
Den Grund dafür
sehe ich in der Theologie des Islam im Unterschied zur Theologie von
Buddhismus und Hinduismus, die in den anderen Regionen kulturprägend
sind. Der Islam als eine abrahamitische Religion enthält in ihrem
Kern das Thema der Ursünde. Der Mensch ist sündhaft und er muss
sich vor Gott für seine Sünden rechtfertigen. Führt er kein gottgefälliges Leben, dann wird er irgendwann dafür bestraft. Entweder
im Diesseits mit einem frühen gewaltsamen Ableben, oder/und im
Leben nach dem Tod in Form der Verbannung in die Hölle. Weder
Buddhismus, noch Hinduismus sind bei dem Thema in dieser Weise
theologisch so extrem zuspitzt.
Vor allem kommt aber
noch die Geschichte der Sintflut hinzu, die auch in der islamischen
Theologie eine wichtige Rolle spielt und in deren Mittelpunkt die
Bestrafung der Sünden des Menschen steht. Und wie lautet die
Bestrafung für die Sünden der Menschen? Es ist eine gewaltige Flut,
die alles wegschwemmt, zerstört und umbringt, was sich nicht an Gottes Regeln hält. Die Umstände rund um
den Tsunami von 2004 passen also bis ins letzte Detail zur
Sintflutgeschichte wie die Faust aufs Auge. In der Rolle der Arche
waren dieses Mal die Moscheen von Aceh und Noah, der die Herde mit Gottvertrauen erfolgreich durch die Katastrophe führt, das waren die
nun ehemals Verrückten, die den ganzen Tag in der Moschee saßen und beteten.
Wer also damals
in Aceh lebte, gläubiger Moslem war und den Tsunami überlebte, der
bekam eine Bestätigung seines Glaubens, wie er nicht hätte stärker
sein können. Die Katastrophe, sie war effektiv ein kollektives
religiöses Erweckungserlebnis für die gesamte Bevölkerung von
Aceh.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Die fünf
ausgeführten Punkte zeigen, Aceh war reif für den Fundamentalismus.
Ich denke, kaum jemand in der Region ist heute nicht zutiefst überzeugt von
seiner Religion. Wenn solche Faktoren zusammenkommen, dann ist es
sehr schwer zu widerstehen und es ist noch viel schwerer, dagegen zu
argumentieren.
Ich denke daher,
Aceh wird über viele Generationen eine islamische Hochburg bleiben
und sich vielleicht sogar zu einem wichtigen globalen islamfundamentalistischen Zentren entwickeln. Denn es sind nicht nur alle religiösen
Skeptiker entweder tot oder bekehrt, sondern es gibt veritable Argumente
und Heldengeschichten, die sich mit Sicherheit bereits heute tief in
das kulturelle Gewebe der Region eingebrannt haben.
Der Einklang
zwischen kollektiver religiöser Erweckung, einem Kataklysmus der für
alle gleichzeitig eine Wegscheide markierte, dazu eine politische
Führung, die ihre Sache mit breitem Konsens ausführt und dem
gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg sind ein Rezept, das in der
Weltgeschichte wohl nur selten in diesem Ausmaß und in dieser
Reinheit zusammenkommen. Die Strenge des Islam ist da nur noch das
Tüpfelchen auf dem i, eine Art Nachbrenner, der die Region endgültig
in der völlig neuen Umlaufbahn verankert.
Daher empfinde ich beim Anblick von Bildern, die Menschen bei der öffentlichen Auspeitschung und anderen Abartigkeiten von Bestrafung zeigen nicht nur Verachtung, sondern habe aufgrund der größeren Umstände tatsächlich auch ein gewisses Verständnis dafür.
Trotz meiner
Ablehnung des politischen Islam aufgrund seiner Rohheit und der
Implikationen für mich als unbeteiligtem Dritten halte ich Aceh für
ein extrem faszinierendes Beispiel, wie menschliche Kultur
funktioniert und wie sie sich manchmal von Hier auf Jetzt radikal
verändert.
Es ist eine
Schande, dass die heutige Sozialforschung in ihrem marxistischen
Inzest nicht mehr in der Lage ist, dieser Perle aus dem realen
menschlichen Leben jene wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu geben,
die sie verdient. Ich denke, wir könnten daraus eine Menge über die
Menschheitsgeschichte als Ganzes lernen.
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