Mittelschicht will ihre Selbstabschaffung - nur anders (Bildquelle) |
Der Furor von Frankreichs Gelbwestenbewegung ebbt nicht ab. Inzwischen ist sie ein Viertel Jahr alt und es beginnen sich an der Basis langsam Strukturen zu entwickeln. Bei The Nation erschien dazu ein längerer Artikel, der sich mit der Genese, dem aktuellen Stand und möglicher Implikationen für die künftige Entwicklung der Gelbwesten auseinandersetzt. The Nation, das erkennt man auch am Artikel, ist ein deutlich linkes Magazin. Trotzdem oder vielleicht deswegen bietet der Artikel auch nichtlinken Lesern einen interessanten Einblick in die Denkweise jener, die das innere Narrativ der Bewegung bestimmen.
Ende Januar, bei der ersten „Versammlung der Versammlungen“, brachte die demokratische Graswurzelbewegung viele Menschen zusammen, die noch nie politisch aktiv waren
Die Gefahr",
warnte Yanis, "besteht darin, dass der ständige
Informationsfluss zu einer eigenen Art von Unwissenheit wird. Es ist
sehr leicht das menschliche Bedürfnis zu vergessen, sich selbst zu
informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Was wir brauchen
ist, dass Rede und Debatte überall frei sind, dass sie das tägliche
Leben eines jeden ausfüllen, dass jeder seine Meinung einbringt,
dies aber natürlich in respektvoller Weise."
Yanis erinnerte sich
an seine eigene erste Reaktion seit dem Beginn des Aufstands der
Gelbwesten in Frankreich Ende November 2018. "Am Anfang war da
diese Angst", erzählte er. "Die Bewegung wurde in den
Medien als Finte der extremen Rechten dargestellt und als eine
faschistische Bewegung diffamiert. Ich zögerte zunächst
mitzumachen. Aber ich entschied schließlich, dass es umso wichtiger
war hinzugehen, falls das tatsächlich der Fall war, damit sie nicht
die Hoheit über den Kampf bekommen."
Als die Menschen in
seiner zentralfranzösischen Heimatstadt Montceau-les-Mines Anfang
Dezember damit begannen, Stadttreffen zu organisieren entschied sich
Yanis dazu, sich die Sache etwas genauer anzusehen. Yanis staunte als
er sah, dass an den frühesten Versammlungen Ende November und Anfang
Dezember mehr als 1.000 Personen teilnahmen. Die Menschen dachten und
sprachen über Politik in einer Weise, wie sie es noch nie zuvor
getan hatten. Zu lange bestand das demokratische Leben kaum mehr als
dem üblichen Wahlzyklus, bei dem die Staatsbürgerschaft auf die
gelegentliche Wahl reduziert wurde.
Die Geprächsgruppen
wurden wöchentlich fortgesetzt. "Mir wurde klar, dass etwas
wächst", erinnert sich Yannis. Die Menschen organisierten sich
selbst und blieben in Kontakt, besetzten kritische Straßenkreuzungen
und protestierten. Jetzt, fast zwei Monate später am 26. Januar,
befand sich Yanis auf der etwa 300 Kilometer langen Reise in ein Dorf
vor den Toren von Commercy, einer Stadt in einer ländlichen,
arbeitsamen Region im Osten Frankreichs. Der 22-jährige Yanis, der
derzeit nach mehreren Beschäftigungen in Cafeterien an öffentlichen
Schulen arbeitslos ist, wurde vom Lokalkomitee seiner Stadt
ausgewählt, um an der ersten "Versammlung der Versammlungen"
der entstehenden französischen Bewegung der Gelbwesten teilzunehmen.
Wie er zweifellos
bestätigen würde waren die Gelben Westen vor dieser historischen
Versammlung in Commercy Opfer einer nur allzu bekannten Falle
geworden. Wie viele andere spontane und weitgehend führerlose
Massenbewegungen wurden auch die Gelbwesten von außen definiert und
mit Labels versehen.
Zuerst wurden sie
als Manifestation der unausgereiften und unartikulierten Wut der
französischen Mittelschicht angesehen. Diese Wut, die lange Zeit
fruchtbaren Boden für solche wie Marine Le Pen geschaffen hatte,
kochte schließlich in Straßengewalt und einen offenen Aufstand
über, als die Regierung von Emmanuel Macron Steuererhöhungen für
Benzin ankündigte. Macron hatte sich bereits einen Namen gemacht,
indem er unpopuläre Reformen im Namen der "Notwendigkeit"
durchführte. War dies nur eine weitere Gelegenheit, bei der die
Franzosen offen zeigten, dass sie die bittere Medizin nicht einnehmen
wollten - diesmal zur Reduzierung der CO2-Emissionen?
Das Abwerten der
Gelbwesten wurde umso einfacher, als einige der schlimmsten Elemente
der französischen Gesellschaft versucht haben, das Klima der
Empörung und Wut für sich zu instrumentalisieren. Einige
Gelbwestengruppen in den Sozialen Medien haben unverwechselbare Echos
von immigrantenfeindlichen und antisemitischen Verschwörungen
verbreitet. Ebenso haben Bands von Skinheads einige Straßenmärsche
infiltriert und zuletzt eine Gruppe von linken Aktivisten in Paris
während des Protesttages vom 26. Januar angegriffen. All dies hat
den selbstgefälligen Fernsehexperten - zweifellos mit Blick auf
ihren Geldbeutel – den festen Glauben geschenkt, dass sich die
gesamte Bewegung dem Rechtspopulismus verschrien hat als ein weiteres
besorgniserregendes Zeichen für den Abstieg Frankreichs.
Für jeden ehrlichen
Beobachter jedoch deutete die Dynamik und Ausdauer der Gelbwesten -
die nun am 13. Wochenende der Proteste zum Zeitpunkt des Schreibens
stattfinden - darauf hin, dass bei weitem mehr dahinter steckt.
Wochenende für Wochenende setzten sich die Märsche fort und das
Besetzen von Kreisverkehren in ländlichen und vorstädtischen
Gebieten gehen munter weiter. In allen Ecken Frankreichs zeigen
organisierte Generalversammlungen jede Woche weiterhin Menschen an,
die seit Jahren am Rande des politischen Lebens stehen. Lehrer und
Schüler begannen sich zu organisieren, und auch die Gewerkschaften
begannen damit, über Streiks zu diskutieren - was in einer Runde von
Arbeitsniederlegungen gipfelte, die am 5. Februar beginnen sollten,
wobei Gelbwesten, mehrere Gewerkschaften und linke Parteien, wie etwa
Jean-Luc Mélenchons France Insoumise zusammenarbeiteten.
Frankreichs
geschlagene soziale Bewegungen, die nach vielen Rückzügen müde
wurde zeigt wieder neue Lebenszeichen, nun da Macrons Dampfwalze der
Reformen über das Land rollt. Umfragen Ende Januar zeigten noch
immer, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Bewegung unterstützt,
auch nachdem Macron die geplanten Steuererhöhungen annulliert und im
Dezember andere Zugeständnisse gemacht hatte, bevor er eine bis ins
letzte Detail choreographierte "nationale Debatte"
einleitete, die aus inszenierten Rathaussitzungen und der pro forma
Aufnahme von Beschwerden an Orten bestand, um die verlorene
Legitimität zurückzugewinnen. Am Wochenende vom 2. bis 3. Februar
begannen sogar Spekulationen über ein mögliches nationales
Referendum im Mai, dessen Struktur und Umrisse aber vage blieben.
Was auch immer oder
wer auch immer sie waren, die Gelbwesten hatten es eindeutig
geschafft, einem allgemeinen Gefühl von Wut und politischer
Ernüchterung Ausdruck zu verleihen. Immer mehr Menschen kamen zum
Schluss, dass eine entfernte und arrogante Elite schuld an ihrer
Misere war. Diese Elite hatte die stetige Erosion der öffentlichen
Dienste, von Krankenhäusern und Schulen bis hin zu öffentlichen
Verkehrsmitteln nur überwacht und nicht gestoppt, die zunehmende
Ungleichheit unter Verzicht auf Steuern als Lösung ignoriert und tat
im Gegenteil ihr bestes, die Sicherheit der Arbeitsplätze der
Mittelschicht zu ersetzen durch die prekäre Unsicherheit des
heutigen Arbeitsmarktes. Den Leuten wurde klar, dass gegen all dies
etwas unternommen werden musste. Und das war ein Reflex, der nicht
als die Machenschaften einiger faschistischer Randgruppen oder Trolle
im Internet abgetan werden konnte - oder, noch schlimmer, ihnen
überlassen werden konnte.
Wenn Sie schon
kämpfen mussten, dann musste der beständige Aufstand gegen die
wirtschaftsfreundlichen Reformen von Macrons Präsidentschaft sein
und der Kampf darum, diese zum Stillstand zu bringen war einer, den
man nicht verpassen durfte. Dadurch öffnete sich ein politischer
Raum und viele besorgte Bürger, darunter Tausende von Aktivisten,
Arbeitern und Lehrern, mobilisierten sich, um ihn zu füllen. Was
waren nun die wirklichen Konturen dieses "peripheren
Frankreichs", dessen Wut und Ressentiments gegen Eliten in den
Wochen voller Proteste und Besetzungen in nichts nachließ? Was
bräuchte es, um nicht nur die kämpfende weiße Arbeits- und
Mittelschichte, sondern auch die immer wieder im Stich gelassenen
französischen Einwanderergemeinschaften, die seit Jahrzehnten die
Hauptlast von Sparsamkeit, Ausgrenzung und polizeilicher Repression
tragen, unter einen Hut zu bringen? Braucht eine gesunde Demokratie
mehr als von oben regierende Parteien und bürokratisierte
Gewerkschaften? Wie können wir dem Klimawandel gerecht begegnen?
Könnte eine breite und horizontale Bewegung, die sich um die
partizipative Demokratie auf lokaler Ebene organisiert, endlich einen
frischen Wind in das öffentliche Leben einbringen, das allzu lange
den Fachleuten überlassen wurde?
Das waren die
Fragen, die am 26. und 27. Januar unter den rund 300 Delegierten von
Commercy für zwei Tage lebhafte Diskussionen und demokratisches
Experimentieren sorgten. Die Versammlung, die mehr als 75
Gelbwestengruppen aus allen Teilen des Landes vertrat, markierte
einen bedeutenden Aufbruch in der Geschichte einer Bewegung, die bis
dahin durch ihre zentrifugale Struktur gekennzeichnet war.
"Sechsundzwanzig
Milliardäre besitzen so viel Reichtum wie die Hälfte der
Menschheit; das ist inakzeptabel. Teilt Reichtum und nicht Elend!"
Die so entstandene Erklärung ist lediglich ein Produkt des
demokratischen gesunden Menschenverstands. Mit dem lautstarken
Anprangern von Ungleichheit und polizeilicher Gewalt wurde die
Wiederherstellung freier öffentlicher Dienste gefordert, eine
radikale Reaktion auf den Klimawandel, die sich an die größten
Umweltverschmutzer der Gesellschaft richtet, sowie das Zelebrieren
der kulturellen Unterschiede in Frankreich und innerhalb der
Bewegung, so das Credo, von dem die Gelbwesten beseelt sind.
Dass die Gruppe der
Mitarbeiter von Commercy die vielen Brüche in der französischen
Gesellschaft teilweise widerspiegelt macht den ihren gemeinsamen
Beschlusstext umso bedeutsamer. Sabrina, eine Lehrerin aus einem
historisch gewachsenen Einwandererviertel im Nordosten von Paris ist
seit langem Aktivistin in Gruppen gegen Polizeigewalt und im Kampf
für Immigrantenrechte aktiv. Sie war bei Commercy und vertrat die
Gelbwestengruppe ihrer Nachbarschaft, die wöchentliche Treffen im
Pariser Belleville Park abhalten. Durch eine bizarre Wendung des
Schicksals fand sie sich und ihre Delegation im Pariser Raum mit
einem Mann mittleren Alters zusammen, der Marine Le Pen in der
Vergangenheit unterstützt hat. Er wohnt seit fast 10 Jahren
arbeitslos in einem Vorort der unteren Mittelschicht westlich von
Paris und lebt mit seiner 13-jährigen Tochter von
Arbeitslosengeldern und seltenen Teilzeitjobs, darunter jährliche
Reisen nach Südfrankreich zur Arbeit während der Weinlesezeit.
Sabrina erwartete
zweifellos, dass sie mit Menschen in Kontakt kommen würde, denen sie
normalerweise nie begegnen würde. "Dies ist das erste Mal, dass
die Städte auf das Land gehen", freute sich ein Delegierter
über die einleitenden Worte am 26. Januar. "Für mich ist das
auch eine Gelegenheit, andere Menschen aus ganz Frankreich zu sehen",
sagte Sabrina zu mir. Die letzten zwei Monate mit landesweiten
Protesten ertzeugten an der Basis eine politische Energie, die es
seit Jahren nicht mehr gab. Es war ein Wendepunkt, den man nicht
verpassen durfte. Es gibt natürlich rote Linien, und es gilt auch,
dieser neuen Energie eine positive Form zu geben. Täuschen Sie sich
nicht, meint Sabrina, "es muss eine klare antifaschistische,
antirassistische Linie in der Bewegung geben. Der nächste Schritt
besteht darin, Menschen aus unserer Nachbarschaft einzubeziehen und
sie mitzunehmen. Dazu müssen die Gelbwesten ihre Forderungen hören
und ihre Probleme kennenlernen."
Um es klar
auszudrücken, ich hatte in Commercy keine merkwürdigen Begegnungen
und es kann sein, dass bestimmte Leute ihre eigentliche politische
Zugehörigkeit verschwiegen. Die Delegierten fanden sich auch nicht
über einen gemeinsam geteilten akademischen Radikalismus. Vielmehr
herrschte der gemeinsame, angeborene Gerechtigkeitssinn vor, den die
meisten Menschen verfügen. Christophe, der bei einem Bauunternehmen
in Nantes arbeitet, beschrieb seine eigenen Erfahrungen als "Jahre
der Bitterkeit, Jahre der Erfahrung, dass politische Elite das Leben
der Arbeiter zerstört. Nach und nach haben wir gesehen, wie unsere
Sozialleistungen reduziert wurden und unsere Gehälter schrumpfen.
Ich kam zu dem Punkt, an dem ich sagte: "Hört auf!"
Es war auch nichts
absurder, so Delegierter um Delegierter, als der öffentlich
transportierte Narrativ, nach dem die Gelbwesten das Ausmaß der
Umweltkrise und die Notwendigkeit drastischer Reformen ignorierten.
Vielmehr verabscheute man die Benzinsteuer nur aus dem Grund, weil
sie als eine rücksichtslose Maßnahme angesehen wurde, um ein Loch
im Staatshaushalt zu füllen, nachdem die Erbschaftssteuer für die
Reichsten Frankreichs gesenkt worden war. Aurélia, ebenfalls aus
Nantes, ist der Meinung, dass wir die Gelbwesten als "den ersten
sozialen und ökologischen Aufstand in Frankreich" sehen
sollten. Mit der Besteuerung von Autobenzin besteuert der Staat
Menschen, die keine andere Wahl haben. Das sind Menschen, die keinen
Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln haben. Wir sind die erste
Revolte der Energiearmen."
Torya und Adel
kennen aus erster Hand die Verwüstungen, die den französischen
öffentlichen Diensten zugefügt werden. Torya arbeitet für die
französische Staatsbahn (SNCF) und beteiligte sich im Frühjahr 2018
beim Kampf gegen die SNCF-Reformen von Macron, mit denen die
Gewerkschaftsvorteile für die Eisenbahner eingeschränkt wurden und
der Weg für die vollständige Privatisierung des französischen
Eisenbahnnetzes bereitet wurde. "Ich bin den Gelbwesten
beigetreten, um gegen die Heuchelei der Regierung zu protestieren",
sagte sie. "Wenn die Benzinsteuer wirklich eine ökologisch
orientierte Maßnahme wäre, dann würde die Regierung nicht 9.000
Kilometer Eisenbahnlinien dichtmachen, sondern würde in die
Renovierung von Bahnlinien, den Kauf von mehr Autos und die
Einstellung von mehr Arbeitern investieren."
Ihr Mitabgeordneter
Adel weiß, was die Zukunft den Arbeitnehmern in einem deregulierten
Verkehrssystem bringt. Im Gegensatz zu Torya arbeitet er für einen
der bereits privatisierten Bahnsubunternehmen und hat seit seinem
letzten Job als Schaffner der Pariser U-Bahn erhebliche
Verschlechterungen seiner Arbeitsbedingungen erlebt. Es ist Adels
Aufgabe, den ein- und ausgehenden Verkehr zu regeln. Nun aber findet
er sich in zwei oder manchmal drei verschiedenen Rollen wieder, wobei
die Chefs ihre Arbeiter bis an die Grenzen treiben. Er wurde einmal
sogar mit fünf Tagen unbezahltem Urlaub bestraft als er sich
weigerte, den Anweisungen eines Vorgesetzten zu folgen, was Adel
gezwungen hätte, den Zugverkehr an einen Punkt zu bringen, den er
für äußerst gefährlich hielt. Es wäre schwer, die beschlossenen
Änderungen in eine bessere Form zu bringen: "Früher war es der
Arbeiter am Arbeitsplatz, der die Maschinen beherrschte und der das
letzte Wort hatte, während der Manager zuhörte. Heute läuft es
umgekehrt."
Torya betrachtet die
Basisstruktur der Gelbwesten als dringend benötigte Ergänzung zu
den oft vorsichtigen und inkrementellen französischen
Gewerkschaften, die im vergangenen Frühjahr den Kampf um die
SNCF-Reformen verloren haben. "Als ich im November zum ersten
Mal die Bewegung der Gelbweste wahrnahm", sagte sie, "und
erkannte, dass die Menschen die Dinge selbst in die Hand nahmen, da
sah ich, dass es eine Chance gab. Die Menschen forderten genau die
selben Dinge, die wir bereits im März und April gefordert hatten."
Viele der
Demonstranten waren zum ersten Mal in ihrem Leben Gegner eines bis an
die Zähne bewaffneten Staates, der ohne zu zögern Gewalt anwendet,
wenn er es für richtig hält. Unter dem Vorwand, die öffentliche
Ordnung zu verteidigen hat die Polizei präventiv Demonstranten
festgenommen und durchsucht, nur weil sie bei einem Protest eine
Schwimmbrille getragen haben (eine Schutzmaßnahme gegen Tränengas).
Diese juristischen Tricks zur Abschreckung von Demonstranten jedoch
verblassen im Vergleich zu den rohen Kräften, die der Staat auf den
Straßen französischer Städte einsetzt: explodierende
Tränengasbehälter, die zahlreiche Verletzungen verursachen;
Gummigeschosse, die Augen und Genitalien und Gliedmaßen zerstören;
der Knüppel im Nahbereich.
Ein frisch
verabschiedetes Gesetz gegen Aufstände wurde von Bürgerrechts- und
Freiheitsorganisationen weithin verurteilt, für die es nichts
anderes als ein weiteres Zeichen der Intoleranz der Regierung
gegenüber der Opposition ist. In einem anschaulichen Beispiel für
Doppelzüngigkeit behauptete Innenminister Christophe Castaner, dass
das Gesetz sicherstellen wird, dass die Menschen protestieren und
ihre Meinung öffentlich "in voller Sicherheit" äußern
können. Aber die Liste der vorgeschlagenen Maßnahmen zeichnet ein
viel dunkleres Bild: Es wurde mit dem Gesetez ein neues Verbrechen
geschaffen und verboten, bei einem Protest das eigene Gesicht zu
verdecken, und die Polizeipräfekturen erhielten damit das Recht,
Personen die Teilnahme an Protesten zu verbieten, was bei einer
Zuwiderhandlung mit einer Gefängnis- oder Geldstrafe bestraft wird.
Das Aufstrandsgesetzt wurde von Organisationen wie Amnesty
International angeprangert und ein zentristischer Abgeordneter - kein
engagierter Anti-Makronist – warnte im Parlament, dass es einem
Gesetz im Stile Vichy gleichkommt.
Das vorgeschlagene
Gesetz zeigt die Gemeinsamkeiten zwischen Macron und seinen
"illiberalen" Kollegen in Ost- und Südeuropa und für
einen großen Teil der französischen Bevölkerung ist der Gedanke
eines repressiven und feindlichen Staates nicht neu. Damit das
Problem der polizeilichen Gewalt wirklich kein Tabu mehr ist, darf
sich die Debatte nicht nur auf den gelegentlichen Protest in den
Innenstädten und die zweifellos unverhältnismäßige polizeiliche
Straffreiheit beschränken. Gruppen, die sich gegen Polizeigewalt
wehren, wie das Comité Adama, das nach einem 2016 von der Polizei
getöteten Schwarzen benannt ist, haben sich aus genau diesem Grund
an den Märschen der Gelbwesten beteiligt: Um die tägliche
Unterdrückung der französischen Einwanderergemeinschaften ans Licht
zu bringen, wo sie seit Jahren von den Wächtern über seriöse
Meinungen vertrieben werden. Adel, dessen Vater 1969 von Algerien
nach Frankreich zog, wuchs in den abgelegenen Vororten nördlich von
Paris auf. "Die gibt viele Dinge, die ich dir erzählen könnte",
sagte er. "Es war schlimmer, als durch den Zoll und die
Einwanderungsbehörde zu gehen. Für uns gehört polizeiliche Gewalt
zum Alltag. Jedes Mal, wenn wir in den Banlieues protestiert oder
revoltiert haben wurden wir stigmatisiert, verlassen und wurdenvon
der Polizei noch mehr unterdrückt worden. ‚Sie sind nur Gesindel‘,
sagen die Franzosen. Und wann immer etwas in unserer Nachbarschaft
passiert ignorieren sie uns."
Eine Welle
kathartischer Frustration - das Produkt jahrzehntelanger
wirtschaftlicher Reaktion, polizeilicher Gewalt und elitärer
Verachtung - hat sich zu einer spontanen, dezentralen Massenbewegung
zusammengeschlossen, die viele Menschen zusammenbringt, die nie am
politischen Leben teilgenommen haben. Gruppen und Ideen verbinden
sich auf eine Weise, die noch vor wenigen Monaten unwahrscheinlich
schien. Einige versuchen, das Chaos zu verstärken und nutzen es als
Chance, Verschwörungen und Lügen zu verbreiten. Das ist nicht neu.
Viele weitere fordern überall mehr Demokratie: vor dem Staat, bei
der Arbeit, in der Schule und in ihren Heimatstädten. Diejenigen,
die kämpfen und sich organisieren um sicherzustellen, dass diese
Bewegung wirklich ganz Frankreich repräsentiert sind vorbildliche
Bürger, die sich an der harten und gewissenhaften Arbeit beteiligen,
die das Ziel hat, eine echte demokratische Mehrheit aufzubauen.
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