Angela Merkel und Theresa May (Bildquelle: 1, 2) |
In Deutschland kam
beachtet laufen seit dem britischen Brexitreferendum vor einem Jahr
die Verhandlungen mit der EU über die weiteren Beziehungen des
Landes zum Block. Wirtschaftsfragen, Reisefreiheit und andere Aspekte
des bald ehemaligen Zusammenlebens gilt es zu klären. Inzwischen
stehen die Verhandlungen fast vor ihrem Ende, doch Premierministerin
Theresa May bekommt massiven Gegenwind aus der eigenen Partei wegen
der schwachen Verhandlungsposition, in die sie das Land gerückt hat.
Die Verhandlungslage EU versus GB
In Brüssel gab man
sich von Beginn der Verhandlungen an siegessicher angesichts der
Größenverhältnisse zwischen EU-Europa und dem Vereinigten
Königreich und war sogar bereit, eigene Nachteile in Kauf zu nehmen,
um den Briten für ihre Entscheidung noch mehr zu bestrafen.
Die beiden Chefunterhändler Guy Verhofstadt und Michel Barnier
machten dies deutlich klar.
In Großbritannien
dagegen herrschte die Überzeugung, dass man ein gutes Ergebnis
erzielen könne, da die Importe (vor allem aus Deutschland) bei
weitem die Exporte auf den Kontinent übersteigen. Hinzu kommt die
traditionelle Orientierung Großbritanniens in die Welt, da es dank
des British Empire weltweit viele Länder gibt, die der britischen
Rechtstradition folgen und die selbe Sprache sprechen. Wenn die EU
nicht will, dann so der Gedanke, könne man eben mit diesen ins
Geschäft kommen.
Als einer der
profiliertesten Brexitanhänger gilt der konservative Politiker (und
bereits als kommender Premier gehandelte) Jacob
Rees-Mogg, einer der besten Bilanzanalysten des Landes, der sich
auch in den Untiefen der Außenhandelbilanzen auskennt. Er wie viele
andere bestehen darauf, dass die britische Position auf der
finanziellen Ebene viel besser ist, als es den Anschein macht und als
es propagiert wurde. Vor dem Referendum etwa gab es zahlreiche
"Experten", die sich deutlich gegen den Brexit aussprachen
und ihn als Katastrophe bezeichneten, was auch die offizielle
Position der Bank von England war. In einer selten gesehenen Wendung
entschuldigte sich deren Chefvolkswirt Andrew
Haldane dafür. Man weiß es inzwischen besser.
Theresa May hätte
also allen Grund, die Verhandlungen entspannt zu durchlaufen, aber es
läuft gar nicht. Zu viel Zögern, zu viele Zugeständnisse und zu
wenig Zugkraft bei der Gestaltung des bald wieder unabhängigen Landes
könnten ihr nun den Kopf kosten.
Theresa May als schlechter Kompromiss nach dem Rücktritt von David Cameron
Nach dem
Brexitreferendum trat der für einen Verbleib eintretende David
Cameron unverzüglich zurück. Für die frei werdende Stelle gab es
mehrere Kandidaten, die beim Referendum allesamt für den Brexit
eintraten. Der bekannteste unter ihnen ist vermutlich der aktuelle
Außenminister und frühere Bürgermeister von London, Boris Johnson.
Gewonnen hat das
Rennen um den Wohnsitz in der Downing Street No 10 am Ende aber
überraschenderweise die vormalige Innenministerin Theresa May.
Überraschend, weil sie zunächst jedenfalls für einen Verbleib des
Landes in der EU eintrat. Offenbar aber gab es in der Partei das
Kalkül, die Partei und das Land mit diesem Kompromiss politisch
wieder zu befrieden, da der Brexit zu merklichen Rissen geführt hat.
Hinzu kommt, dass
die Tories die historische Schwäche der inzwischen ins linksextreme
abgerutschten Labourpartei um den Leninisten Jeremy Corbyn nutzen
wollte und Ukip mit dem Erfolg des Brexit ihre Existenzberechtigung
verlor. Und auch die SNP in Schottland ist nicht mehr ganz so
sattelfest angesichts der Neigung zum Etatismus bei ausbleibenden
wirtschaftlichen Erfolgen. Man wollte sich präsentieren als die
einzige große Volkspartei, die es schafft, die verschiedenen
Fraktionen zu einem großen Ganzen zusammenzufügen.
Der große Triumph
sollte dann mit einer
vorgezogenen Wahl kommen, bei der Theresa May als Premierministerin
vom Volk bestätigt werden sollte. Im Angesicht des erwarteten
historischen Sieges verzichtete die Partei auf einen Wahlkampf,
während die übrigen Parteien, vor allem Labour, ihr bestes tat um
die erwartete historische Niederlage abzuwenden.
Am Ende aber kam es
wie es kommen musste und die konservative Partei verlor ihre absolute
Mehrheit im Parlament und musste eine Koalitionsregierung mit der
nordirischen DUP eingehen.
Theresa May und
die ganze Partei und ihr Programm und der Brexitplan waren plötzlich
in völlig unangemessener Weise angeschlagen.
Theresa May mit merkelesken Zügen
Während die Medien
zunächst wohlwollend über die Regierung May berichteten, so kamen
allmählich auch negative Stimmen zu Wort. Allen voran jene Politiker
innerhalb und außerhalb ihrer Partei, die für einen „harten“
Brexit einstanden, die also lieber ohne Vertrag aus der EU aussteigen
wollten, als einen schlechten Kompromiss einzugehen, da für sie die
Vorteile der Unabhängigkeit die Nachteile bei weitem überwogen.
Hinzu kommen aber
auch handwerkliche Fehler, die May als Politikern in ihrer Karriere
angehäuft hat. Unter David Cameron war sie seit 2010 Innenministerin
und damit ausgerechnet in jener Phase des Landes verantwortlich für
die Planung der öffentlichen Sicherheit, als es vom islamistischen
Terrorismus heimgesucht wurde.
Auch ihre
Personalpolitik ist nicht über alle Zweifel erhaben. So berief sie
Amber Rudd als ihre Nachfolgerin in das Innenministerium. Dort
angekommen sorgte diese nicht für die notwendigen Schritte, um das
Land vor weiteren Anschlägen zu schützen, sondern kümmerte sich
lieber um die Entfernung juristischer Hürden für
Geschlechtsumwandlungen und andere genderfeministische
Ziele - wohlgemerkt als konservative Politikerin. Rudd musste
schließlich zurücktreten
im Zusammenhang mit der „Windrush Affäre“, bei der es um
karibische Einwanderer ging, die nach dem 2. Weltkrieg aus britischen
Überseegebieten als Arbeitskräfte in das Land eingeladen wurden,
aber keine Staatsbürgerschaft erhielten und effektiv als Bürger
zweiter Klasse behandelt werden.
Rudds Nachfolger, der Moslem Sajid
Javid, ist kein Ruhmesblatt im Kabinett
der Preministerin. Ein Innenministerium unter muslimischer Leitung
wird von vielen angesichts des nach wie vor wuchernden Extrmismus und
Terrorismus im Land als Affront gesehen. Nicht zuletzt war es auch
unter Javid, als Martin
Sellner, Brittany Pettybone und Lauren
Southern unter fadenscheinigen Argumenten unter Zuhilfenahme der
Terrorgesetzgebung des Landes verwiesen wurden. Viele Briten
verstehen nicht, wie es sein kann, dass ausländische Hassprediger
frei in das Land einreisen dürfen, um in den Moscheen von der Kanzel
predigen zu dürfen, während Touristen,
die am „Speakers Corner“ eine Rede
halten möchte wie Terroristen
behandelt werden.
Aktuell kommt noch der
diplomatische Streit mit Russland hinzu beim Thema „Nowitschok“,
in dem May zwar versucht, wie ein Löwe zu brüllen, aber nicht viel
mehr als ein Jaulen hervorkommt. Neben der gesunkenen Bedeutung des
Landes offenbart die gefahrene Linie des Landes auch die Schwächen
der Anklage gegen Russland. Ungewollt zeigt Theresa May damit, dass
Großbritannien zwar noch immer gerne hart wäre, am Ende aber bleibt
es bei reiner Symbolik und einigen Karikaturen in den Zeitungen.
Der
amateurhaft vorgetragene geopolitische Abstieg und die
Umwandlung Großbritanniens in eine mit Überwachungskameras
hochgerüsteten Spielwiese für postmoderne Girlanden inklusive der
Unterdrückung der freien Rede unter dem Deckmantel der politischen
Korrektheit wird nicht goutiert und so erlebt aktuell sogar Ukip
einen zweiten Frühling mit ihrer Positionierung als Partei der
Meinungsfreiheit.
Die
Karriere von Theresa May erinnert immer mehr an jene von Angela Merkel. Während Merkel aber noch 10
Jahre brauchte,
um sich zu desavouieren, könnte May
bereits nach zwei
Jahren durch sein.
Der große Unterschied in der Politik zwischen Großbritannien und Deutschland
Angela
Merkel schaffte es über die Jahre, sämtliche ihrer Konkurrenten aus
der Bahn zu bringen. Roland Koch und Friedrich März sind nur zwei
frühe Beispiele für Opfer ihrer
Machtpolitik. Andere, allen voran Horst Seehofer und Jean-Claude
Juncker, lecken ihr inzwischen die Stiefel, wenn sie nicht gerade bei
ihr unter dem Rock sitzen. Konkurrenz um die Macht hat Merkel
innerhalb ihrer Partei keine mehr, es gibt nur noch schwache
Ausführgehilfen, die ihre persönliche Macht an jener
der Kanzlerin ableiten.
Im
Kontrast dazu gibt es bei den britischen Konservativen noch immer
eine ganze Reihe starker und prinzipientreuer Politiker, die sich
nicht scheuen May zu widersprechen wo sie es für richtig halten.
Neben Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg gibt es noch weitere, die
zwar zur Regierung May und zu den Tories
insgesamt stehen, die aber auch auf
bestimmte und deutlich artikulierte Positionen pochen, wenn es um das
Regierungsgeschäft geht.
Während
die oben genannte Terrorabwehr, der Kulturrelativismus und die
allgemeine Personalpolitik eher weiche Themen sind (hinzu käme noch
die auch in Großbritannien schleichende Islamisierung), so ist der
Brexit ein hartes Brot. Die Bedingungen und Ergebnisse sind eindeutig
objektivierbar und sie folgen zum
allergrößten Teil ökonomischen, rechtlichen und teilweise
sicherheitspolitischen Erwägungen. Der Spielraum für politische
Intrigen und Interpretationen ist entsprechend gering.
Es
zeigt sich an der Materie eindeutig, ob May es kann, oder ob sie
schwimmt und sich von Dritten treiben lässt.
Die
Verhandlungen zum Brexit sind nun so gut
wie abgeschlossen und die Details stehen
fast alle fest. Die
britischen Politprofis im Brexitgeschäft können daher
deutlich sehen, wie es um Theresa May und ihrer Fähigkeit, das Land
in die Unabhängigkeit zurückzuführen, bestellt ist. Nicht gut.
Sie
haben abgewartet, wie sich schlägt und nun, da das Ergebnis bekannt
ist, müssen die Brexit Vertreter der
Regierung feststellen, dass May bei den Verhandlungen keine gute
Arbeit leistete und zu viele Zugeständnisse machte. Entsprechend
zogen heute gleich vier
in der Sache wichtige Regierungsmitglieder Konsequenzen und
traten wegen des für sie inakzeptablen Verhandlungsergebnis zurück.
Man kann davon ausgehen, dass in Kürze weitere folgen werden und
ich denke, Theresa May und Angela Merkel haben bald schon sehr viel
Zeit, um auf Wandertour zu gehen. Vielleicht sogar gemeinsam?
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