Gegen Zitronenmärkte und Bananenrepubliken (Bildquelle) |
Im folgenden gehe ich der Frage nach, ob es sich für Bürger und Politiker gleichermaßen lohnen könnte, wenn wir den hohen Herrschaften in den Parlamenten einfach eine dicke, fette Belohnung zahlen, wenn sie einmal eine gute Entscheidung treffen.
Die Mehrwertsteuer als prototypisches Ergebnis des politischen Zitronenmarktes
Der YouTuber Horst
Lüning ließ sich in einem seiner neuen Videos über den Sinn oder
Unsinn der Mehrwertsteuersenkung aus. Dabei ging er ab
circa Minute zwölf auch auf einen Sachverhalt ein, der mir in
der von ihm beschriebenen Größenordnung bislang unbekannt war. Es
geht um den Mehrwertsteuerbetrug, der den Staat jedes Jahr mehrere
Dutzend Milliarden Euro kosten soll. (Umsatzsteuer = Mehrwertsteuer;
weitere Erklärungen zur Steuer gibt es im Video.) Der Hebel für die
Betrüger stellt dabei der Vorsteuerabzug dar, der insbesondere bei
grenzüberschreitenden Geschäften im EU/Euroraum kaum rechtzeitig
nachverfolgt werden kann.
Die Betrüger
schließen bei dieser Betrugsform über Scheinfirmen mit sich selbst
verschiedene Scheingeschäfte ab, bei denen jeweils die Vorsteuer
abgezogen wird. Da die Umsatzsteuer nur beim Verkauf von Endprodukten
anfällt, können sie die Vorsteuer jeweils beim Finanzamt geltend
machen, während dieses wegen des inexistenten Verkaufs eines
Endprodukts nur Geld an die Betrüger für die falschen Rechnungen
herausgibt, allerdings keine Einnahmen über den abschließenden Umsatzsteuerbetrag erzielen kann. Lüning spricht von
50 Milliarden Euro, die Schätzungen zufolge jedes Jahr verloren
gehen, so dass sich der Verlust bei
dieser Steuer, deren Einnahmen bei knapp 95 Milliarden Euro im
Jahr liegen, auf satte 50 Prozent beläuft.
Dieser Betrugsmasche
könnte relativ leicht den Boden entzogen werden, da die Erhebung der
Umsatzsteuer auch ohne den Weg über den Vorsteuerabzug ablaufen
könnte. In diesem alternativen Modell würde nur der Verkäufer von
Endprodukten die Mehrwertsteuer verlangen, während Geschäfte
zwischen Unternehmen gänzlich ohne diese Steuer ablaufen würden.
Der bisherige Betrug wäre dann nicht mehr möglich, da dieser über
die falsche Verrechnung der Vorsteuer läuft, während der Staat
weiterhin die selben Einnahmen erzielt. Als weiteren positiven
Nebeneffekt würde der Verwaltungsaufwand deutlich sinken, da in den
Unternehmensbilanzen - und damit den Rechnungsabteilungen und auch
beim Finanzamt - ein kompletter Bereich wegfiele.
Es handelt sich also
um eine verhältnismäßig klare Angelegenheit, wenngleich eventuell
neue Betrugsmodelle entstehen könnten über den vorgetäuschten
Verkauf von Produkten an Unternehmen, die in Wahrheit einen Privatkonsum
darstellen. Insgesamt wäre jedoch zu erwarten, dass die Kosten der
Steuererhebung deutlich sinken würden, während die Einnahmen mindestens auf
ihrem jetzigen Niveau erhalten blieben.
Dennoch will die
Politik nicht und verweigert seit Jahren schon eine Änderung, obwohl die Problemstelle wohlbekannt sit. Sie fürchtet, so Lüning, um ihre Pfründe in den
Amtsstuben, wenn plötzlich weniger Beamte benötigt werden, wie auch viele „Bullshitjobs“ in den Unternehmensverwaltungen dieses
Landes wegfallen könnten.
Es handelt sich dabei letztlich um ein klares Politikversagen. Der Widerspruch zwischen individuellem und kollektivem Interesse haben den Politmarkt in einen Zitronenmarkt verwandelt, der immer schlechtere Ergebnisse erzielt. Denn leider ist die Situation bei der Mehrwertsteuer kein Einzelfall. Kaum ein Politikbereich produzierte heute keine Zitronen, die den Bürger alleine schon beim Anblick das Gesicht verziehen lassen. Die Frage ist: Wie könnte man dem als Bürger ohne politische Macht abhelfen?
Es handelt sich dabei letztlich um ein klares Politikversagen. Der Widerspruch zwischen individuellem und kollektivem Interesse haben den Politmarkt in einen Zitronenmarkt verwandelt, der immer schlechtere Ergebnisse erzielt. Denn leider ist die Situation bei der Mehrwertsteuer kein Einzelfall. Kaum ein Politikbereich produzierte heute keine Zitronen, die den Bürger alleine schon beim Anblick das Gesicht verziehen lassen. Die Frage ist: Wie könnte man dem als Bürger ohne politische Macht abhelfen?
Die Prämiokratie als Katalysator für gute politische Entscheidungen
Will man Abhilfe
schaffen, dann muss die individuelle Rationalität der politischen
Entscheidungsträger verändert werden. Sie müssen für sich selbst
erkennen, dass sie ein Interesse an einer Entscheidung haben, die für
sie individuell zwar keine Vorteile hat (oder gar Nachteile, im
Fall etwa der Abschaffung eines Ministerpostens), aber insgesamt für
die Gesellschaft von Vorteil ist. Individuelle Interessen jedoch
sind stets stärker als die Einsicht in eine kollektive
Vorteilhaftigkeit, weshalb es überhaupt erst so etwas wie
Zitronenmärkte gibt.
Da Politiker
Menschen sind und politische Menschen vielleicht mehr noch als der
Rest von uns aus sind auf Prestige, Macht und Geld, sind es diese
drei Hebel, die einen individuellen Interessenwandel erzeugen können.
Da Prestige rar ist und die Verleihung politischer Macht
institutionalisiert und daher nur indirekt möglich ist, bleibt noch
der dritte Hebel: Geld.
Daher schlage ich vor, dass man Politikern
eine explizite geldwerte Belohnung verspricht für den Fall, dass sie ein
bestimmtes messbares politisches Problem lösen; oder wenn sie eine politische Maßnahme durchsetzen,
die der messbaren Verbesserung einer spezifischen Situation dient; oder wenn
sie auf politischem Wege etwas einführen oder abschaffen, das als nützlich erachtet
wird und dessen Nutzen sich zählen lässt.
Problem Korruption
So weit, so einfach.
Es gibt aber einige Probleme. Die wohl wichtigste Frage im Zusammenhang ist, ob so etwas überhaupt legal wäre, oder ob es sich dabei um
Korruption handelt.
Beispiele für mindestens zwielichtige politische Handelsgeschäfte gibt es einige. Etwa die Liberalisierung und Förderung des privaten Marktes für Rentenversicherungen unter Kanzler Gerhard Schröder im Zusammenhang mit den Rechten an der Autobiografie des späteren Altkanzlers, die vom Versicherungsunternehmer Carsten Maschmeyer für eine Million Euro gekauft wurden.
Beispiele für mindestens zwielichtige politische Handelsgeschäfte gibt es einige. Etwa die Liberalisierung und Förderung des privaten Marktes für Rentenversicherungen unter Kanzler Gerhard Schröder im Zusammenhang mit den Rechten an der Autobiografie des späteren Altkanzlers, die vom Versicherungsunternehmer Carsten Maschmeyer für eine Million Euro gekauft wurden.
Das war und ist
legal, da ein direkter kausaler Zusammenhang nicht juristisch
hergestellt werden kann. Aber selbst in dem Fall, falls es sich um
eine Bezahlung für ein Gesetz handelte, wäre es sehr wahrscheinlich nicht
illegal, sondern nur anrüchig, da bei der Verabschiedung des
Gesetzes kein Rechtsbruch begangen wurde.
Bei Prämien für bestimmte politische Entscheidungen wäre das anders, da hier ein dirkter Bezug nicht nur hergestellt werden kann, sondern beabsichtigt ist. Es fragt sich, ob auch dann Korruption vorliegt, wenn keine Gesetze gebrochen werden und bei der Transaktion Geld gegen politische Maßnahme alles transparent und offen von statten geht.
Problem Adressaten
Ein weiteres, vor
allem praktisches Problem, bestünde in der Liste der Zielpersonen
für eine Prämie. Die Änderung des Mehrwertsteuersystems wäre eine
ziemliche Mammutaufgabe, die Bundesregierung, Länderregierungen und
eventuell sogar die EU-Ebene beschäftigen würde.
Insgesamt kämen
mindestens 17 Regierungen und Parlamente plus ein halbes Dutzend
Parteien zusammen, die man belohnen müsste. Selbst wenn man die
Regierungsbeteiligten auf den Kanzler/Ministerpräsidenten plus
Finanzminister reduziert und den Parlamentsanteil auf die Regierungs-
und Bundesratsmehrheit, dann wären am Ende noch immer circa 500
Personen und vier Parteien übrig, die in der ein oder anderen Weise am Kuchen beteiligt werden müssten.
Eine einfache Sache
ist das also nicht und das gilt umso mehr, je höher die
administrative Zielebene angesiedelt ist und je komplexer die
verfassungsmäßige Verschachtelung der Zuständigkeiten ausfällt.
Eine prinzipielle Unmöglichkeit wäre es dagegen nicht, so lange die
beteiligten Institutionen alle bekannt sind.
Was allerdings
passieren könnte ist, dass es eventuell zu einer Ausdehnung des
politischen Interessenbereichs führt und infolgedessen ein
neuer Zitronenmarkt entsteht. Ob das wahrscheinlich ist oder
nicht sei dahingestellt, aber man sollte das im Hinterkopf behalten,
da Politiker bei der Optimierung ihrer Rente bekanntlich sehr
erfindungsreich sein können.
Problem Belohnungshöhe
Ebenso eine
praktische Frage wäre, wie viel Geld für die Lösung eines Problems
bezahlt werden müsste. Oder anders gefragt: Wie viel ist die politische Lösung eines politischen Problems wert?
Das würde grundsätzlich den interessierten Bürgern überlassen, die selbst entscheiden können, wie viel es ihnen wert ist, dass ein Problem gelöst wird. Ebenso bliebe es den zuständigen Politikern überlassen, ab wann ihnen die Belohnung ausreicht für das Inangriff nehmen einer Angelegenheit - sich ihre Interessen also weg bewegt haben vom persönlichen politischen Interesse und hin zum geldwerten Vorteil.
Das würde grundsätzlich den interessierten Bürgern überlassen, die selbst entscheiden können, wie viel es ihnen wert ist, dass ein Problem gelöst wird. Ebenso bliebe es den zuständigen Politikern überlassen, ab wann ihnen die Belohnung ausreicht für das Inangriff nehmen einer Angelegenheit - sich ihre Interessen also weg bewegt haben vom persönlichen politischen Interesse und hin zum geldwerten Vorteil.
Bedenkt man aber,
wie viel Geld mitunter eingespart werden könnte, etwa über die
Umstellung des Mehrwertsteuersystems oder über die Abschaffung der
GEZ, dann erscheint selbst eine Belohnung von 100 Millionen Euro
nicht viel als Opportunität. Verteilt sich diese Summe bei
erfolgreicher Umsetzung dann auf 500 Politiker und vier Parteien,
dann könnte jeder einzelne der Volksvertreter und
Regierungsmitglieder mit einer Einmalzahlung 120.000 Euro rechnen und
die Parteien jeweils mit 10 Millionen Euro.
Nicht übel, würde
ich sagen. Die Größenordnung, um de es geht wird dabei vor allem dann deutlich, wenn man bedenkt, dass es die Belohnung für nur EINE
Entscheidung darstellt, während es gleich Dutzende offensichtliche
Politbaustellen gibt, die pro Jahr unmittelbare Einsparungen in Milliardenhöhe nach
sich zögen.
Problem Spender
Angesichts
derartiger Geldbeträge muss man sich fragen, wer dafür aufkommt.
Die wenigsten Bürger haben so viel Geld und so bestünde die Gefahr,
dass sich ein derartiges Prämiensystem in ein Konzern- und
Elitenprogramm zur persönlichen Systemoptimierung deformieren
könnte.
Es sollte daher ein
paar Regeln geben, die eine derartige Fehlentwicklung verhindern:
- Nur natürliche Personen dürfen spenden, keine Kapitalgesellschaften oder Vereine.
- Wer für eine Maßnahme spendet, der muss in der Gebietskörperschaft leben, für die sie gedacht ist.
- Die maximale Spendenhöhe pro Maßnahme darf 100 Euro nicht überschreiten. (Man darf aber für unterschiedliche Maßnahmen des selben Themas mehrfach spenden; z.B. für die Anhebung des Mindestwahlalters auf 21 Jahre und getrennt davon auf 25 Jahre.)
Bei einem Großthema
wie etwa der GEZ, die jeden der 40 Millionen Haushalte jährlich mehr als 200
Euro kostet, könnte damit eine Maximalprämie für alle Politiker
von vier Milliarden Euro zusammenkommen. Stört sich nur ein Viertel
der Menschen daran, dann sänke die Gesamtprämie für alle
zuständigen Politiker auf eine Milliarde Euro. Wobei sicherlich auch
einige Menschen gerne dafür bezahlen, dass die GEZ beibehalten wird.
Dies müsste als Opportunität noch von der Gesamtprämie abgezogen
werden.
Da die GEZ
gleichzeitig aber über die Bundesländer geregelt ist, könnten die
Befürworter einer Abschaffung zusätzlich auch für die Abschaffung
der GEZ in ihrem Bundesland eintreten. So käme für die Abschaffung
der GEZ in Baden-Württemberg bei obigen Einschränkungen bis zu 150
Millionen Euro an Belohnung zusammen für die Politiker im Ländle,
sollten sie denn willig sein.
Je nachdem, inwieweit die Prämie mit jener für Gesamtdeutschland abgestimmt wird, würde im einen Fall die andere Prämie nicht gezahlt werden, oder aber es käme ein doppelter Geldregen auf die Politiker herunter. Allgemein stellen derartige Mehrfachprämien kein Problem dar, im speziellen sollte aber auf möglichst geringe und klare Schnittmengen geachtet werden.
Je nachdem, inwieweit die Prämie mit jener für Gesamtdeutschland abgestimmt wird, würde im einen Fall die andere Prämie nicht gezahlt werden, oder aber es käme ein doppelter Geldregen auf die Politiker herunter. Allgemein stellen derartige Mehrfachprämien kein Problem dar, im speziellen sollte aber auf möglichst geringe und klare Schnittmengen geachtet werden.
Spenden- und Prämienopportunismus
Das Problem
unterschiedlicher Prämien für den selben Sachverhalt bringt das
Problem des Opportunismus zutage. Denn wenn andere zahlen, dann muss man
selbst nicht und so könnte man durch taktisch geschicktes Vorgehen
eine Zahlungsbereitschaft signalisieren, nur um sie im richtigen
Augenblick wieder zurückzuziehen. Für politische Entscheider entsteht dadurch Unsicherheit, was der Entscheidungsfreude abträglich wäre.
Dem lässt sich
vorbeugen, indem 10 Prozent der versprochenen Spende vorab eingezahlt
werden müssen, während dieser Anteil bei einem Näherrücken der
Entscheidung über die Prämienzahlung sukzessive steigen müsste,
damit die Politik weiß, wo sie dran ist.
Ebenso braucht es
eine Mindestlaufzeit für eine Spende. Sie sollte mindestens sechs
Monate betragen, so dass wer die Beteiligung an einer Prämie
versprach, dieses Versprechen erst nach sechs Monaten wieder
zurückziehen kann. Das wird der Politik dabei helfen, aus einer
Position der persönlichen Sicherheit zu agieren.
Nicht anders muss es
auf politischer Seite laufen. Eine Prämie darf nicht sofort
ausgezahlt werden, sondern muss in Raten erfolgen, damit die Politik
nicht sofort nach Eingang des Geldes das Gesetz wieder neu
verabschiedet. Ebenso muss es Absicherungen geben, dass nicht neue,
aber gleichartige Gesetze verabschiedet werden, die das selbe
verursachen, was gerade über den Hebel der Prämie abgeschafft
wurde.
Wäre das was? Ließen sich damit der deutsche Staat, die Länder und Gemeinden retten?
Die mit einem
derartigen Prämiensystem einhergehenden Probleme sind klar. Sie
lassen sich aber bei einer angemessenen Umsetzung und Handhabung des
Systems in einem akzeptablen Rahmen halten, so dass die Vorteile
eindeutig die Nachteile überwiegen würden.
Vor allem aber würde
jenseits der unmittelbaren Verbesserung des politischen Managements
auch eine Verbesserung der Darstellung politischer Interessen im Volk
einhergehen. Denn wer bereit ist, seinen Worten Taten folgen zu lassen,
also politische Forderungen mit der Bereitschaft zur Spende
unterstreicht, der bringt Transparenz und mit dieser Zuverlässigkeit in das System politischer
Interessen. Politiker, Medien, Bürger, Konsumenten und sonstige
Interessenhalter könnten über die Zahlungsbereitschaft für die Abhilfe bei bestimmten Sachverhalten wesentlich besser abschätzen, wo die
Gesellschaft steht und wo sie hin will.
Ebenso verbessert
würde die Situation der heute bereits normalen politischen
Korruption. Was bislang ein reines Konzern- und Elitengeschäft ist
oder auf politischen Abhängigkeiten beruht, könnte endlich zu einem
Aspekt der Volkssouveränität werden.
Die mittelbaren und
unmittelbaren Vorteile von Prämien für Politiker und politische
Entscheidungen sind so klar, dass über die Einführung einer
Prämiokratie in kurzer Zeit die zahlreichen, sich in Schieflage
befindlichen öffentlichen Haushalte und Gebietskörperschaften
gerettet werden könnten. Ebenso könnte es der gesellschaftlichen
Kohäsion dienen, und der wachsenden Unzufriedenheit in der
Bevölkerung hinsichtlich der zahlreichen politischen Missstände
entschieden entgegenwirken.
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