Dank Corona: Frankreich auf der Rutschbahn in die Wirtschaftsdepression und Le Pen auf dem Weg in den Elysee Palast

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Coronakrisengewinner*in? (Bildquelle)


The Spectator: Macron steht vor einer wirtschaftlichen Katastrophe


Letzte Woche lobte die New York Times das Management der Coronakrise durch Präsident Macrons und fragte, warum die Franzosen selbst nicht beeindruckt davon seien. Am meisten überrascht von dieser Perspektive waren die französischen Medien, die sich dann aber immerhin über das ausgesprochene Lob freuten.

Wer weiß, was die NYT dazu bewog, vielleicht war es auch nur eine reine Ablenkung von der Situation im eigenen Land, denn das Bild der Franzosen ist bei näherer Betrachtung ganz anderes. Abgesehen von den öffentlich eingestandenen Mängeln einer unzureichenden Vorbereitung in Bezug auf Masken, Beatmungsgeräte, Notfallbetten und Tests gibt es die entscheidende Frage der wirtschaftlichen Auswirkungen, die im Artikel der NYT nicht einmal erwähnt wurden.

Da sich ein Gutteil der medialen Aufmerksamkeit im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 auf den Schuldenstand Italiens und Spaniens konzentriert, wird Frankreichs wirtschaftliche Situation oft übersehen. Dennoch steigt auch der Schuldenberg der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone aufgrund der Krise stark an - was eine unheilvolle Entwicklung für die französische Wirtschaft und ihre Politik auslösen könnte.
Seit der Einführung des Euro vor zwanzig Jahren ist die französische Verschuldung im Verhältnis zum BIP doppelt so schnell gestiegen als der europäische Durchschnitt, so der Leiter der französischen Zentralbank gestern in einem Interview. Am Ende dieses Jahres, so fuhr er fort, werde sie 120 Prozent erreichen und nur noch von Italien (mit 158,9 Prozent) und Griechenland (196,4 Prozent) übertroffen werden. Das französische Haushaltsdefizit wird 11,4 Prozent des BIP betragen, so die dritte Vorlage für den kommenden französischen Haushalt, der in dieser Woche dem Parlament vorgelegt wird, und das Defizit mit 120,9 Prozent noch höher ausfallen lassen soll.

Die Arbeitslosigkeit - ein nachlaufender Indikator - für das Jahr 2021 wird aktuell mit 11 Prozent prognostiziert. Nach den gestrigen Eurostat-Zahlen schrumpfte Frankreichs Wirtschaft im ersten Quartal 2020 um rund 5 Prozent - zusammen mit Italien die schlechteste Wert aller 27 EU-Mitglieder. Die OECD schätzt heute, dass Frankreichs Wirtschaft in diesem Jahr mit einem BIP-Rückgang zwischen 11,4 und 14,1 Prozent zu den am stärksten betroffenen Ländern der Welt gehören wird. Auch wenn einige dieser Statistiken nur vorläufig sind, so werfen sie doch eine Reihe wichtiger Fragen über die politische Zukunft Frankreichs auf.

Gegen das französische Alltagsbeschränkungen wegen des Coronavirus – es waren mit die strengsten der Welt - machen derzeit Vorwürfe die Rudne. Mehr als 63 Gerichtsverfahren gegen die Regierung wegen absichtlicher fahrlässiger Tötung wurden eingeleitet, wobei die Gerichte voraussichtlich das gesamte Krisenmanagement der Regierung unter die Lupe nehmen werden. Mit Blick auf die schrecklichen Wirtschaftsdaten fragen sich die Menschen, ob derart lange und umfassende Maßnahmen gerechtfertigt waren, da sich die Zahl der Todesfälle durch Coronaviren in Frankreich nicht von anderen Ländern unterscheidet - und es gar schlimmer ausfiel als andernorts, wenn man all jene mit einbezieht, die zu Hause starben (was die französischen offiziellen Statistiken immer noch nicht machen). Das alles noch, bevor der physische Schock der Arbeitslosigkeit bei den allermeisten Menschen ankommt – da er bislang noch von großzügigen Urlaubsregelungen abgemildert wird.

Absehbar ist, dass die Auswirkungen auf die Popularität von Präsident Macron und seiner Regierung schwerwiegend sein werden. Bereits vor der Krise war diese infolge der Gelbewestenbewegung und der landesweiten Streiks am Tiefpunkt angelangt, während Macron gleichzeitig nicht von der medialen Darstellung als großer Krisenmanager profitieren konnte, wie es in anderen Ländern zu beobachten ist, und seine Zustimmungsrate nie über die niedrigen 40 Prozent klettern konnte. Durch die Epidemie verzögert findet am 28. Juni der zweite Wahlgang der landesweiten Kommunalwahlen statt, wobei Macrons LREM-Partei wahrscheinlich eine herbe Niederlage wird einstecken müssen, was durch das Fehlen einer lokalen Machtbasis an der Basis noch verstärkt werden wird. Schlimmer noch, etwa 20 Abgeordnete Macrons sind vor kurzem aus seiner Partei ausgetreten, was ihn die parlamentarische Mehrheit kostete und er dadurch gezwungen ist, sich zunehmend auf seine zentristischen Verbündeten zu verlassen. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen 2022 liegt Macrons weitverbreitetes liberales Reformprogramm auf Eis, während sich viele sich radikalen Lösungen zuwenden.

Gegenwärtig könnte Macron gerettet werden, da es keine nennenswerte Opposition auf der traditionellen rechten und linken Seite gibt. Doch Meinungsumfragen zufolge werden die französischen Wähler in der Stichwahl in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl noch weniger Skrupel haben, für Marine Le Pen zu stimmen als in der Vergangenheit. Gerade einmal vor einem Jahr schlug Le Pens Rassemblement National bei den Europawahlen 2019 die Partei von Macron und gewann 23,3 Prozent der Stimmen – und ist nun Frankreichs größte Partei im EU-Parlament. Im März dieses Jahres - vor der Coronakrise - zeigte eine für Le Monde durchgeführte Meinungsumfrage, dass 56 Prozent der Befragten glauben, dass Marine Le Pen die Präsidentschaftswahl gewinnen könnte, wobei das 9 Prozent mehr sind, als vor einem Jahr und sogar um 15 Punkte mehr bei den linksgerichteten Wählern.

Die gesundheitspolitische Dimension der Coronakrise in Frankreich neigt sich ihrem Ende zu. Wesentlich beunruhigender und weitreichender jedoch sind die sich abzeichnenden wirtschaftlichen und politischen Folgen der Krisenbewältigung durch Macron. Frankreich steht damit nicht allein. Aber in Frankreich - dem traditionellen Laboratorium politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen - könnten die Auswirkungen historisch sein.

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