Palästinenser beim CO2-intensivem Protestieren. Von Soleimani instruiert? (Bildquelle) |
Die folgende Analyse der israelischen Zeitung Haaretz erschien bereits im Mai 2019. Darin wird auf die israelische Position eingegangen in der damals bereits hitzigen Situation zwischen den USA und dem Iran. Die USA arbeiteten zu dieser Zeit intensiv an einem Friedensplan zwischen den Palästinensern und Israel, genannt „Deal of the Century“. Zeitgleich kam es aber zu mehreren schweren Zwischenfällen unter anderem mit dem Raketenangriff auf die saudische Ölförderung. Die Analyse gibt dabei einen Hinweis darauf, wie der Tod von Qasem Soleimani als einer der bedeutendsten Strippenzieher des Terrors im Nahen Osten nicht zu einer weiteren Zuspitzung führen könnte, sondern zu dessen exaktem Gegenteil.
Haaretz: Netanjahus Iran-Dilemma: Wie lässt sich Trump zu Maßnahmen bewegen, ohne dabei Israel an vorderste Front zu stellen?
Auch wenn klar zu
sein scheint, dass Trumps Instinkt ihm sagt, dass die Vermeidung
eines Krieges mit dem Iran die besser Wahl ist, so kann letztlich
niemand sicher sein, was er wirklich vorhat - nicht einmal Netanyahu.
Inmitten intensiver
Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung für Israel und
verschiedener Manöver, mit denen sich Premierminister Benjamin
Netanjahu aus den sich inzwischen türmenden Anklagepunkten gegen ihn
befreien will, so beschäftigt sich die derzeitige Staatsführung
Israels mit einem Thema, das noch einmal erheblich wichtiger ist -
den Entwicklungen am Golf.
Mit „derzeitiger
Staatsführung“ übrigens ist im Wesentlichen einen Mann gemeint,
nämlich Netanjahu selbst. So lange Avigdor
Lieberman das Angebot noch nicht angenommen hat, einer neuen
Regierung unter Netanyahu beizutreten, ist der Premierminister
gleichzeitig auch Verteidigungsminister. Auch das Sicherheitskabinett
des Landes ist ein totes Pferd. Seit den Wahlen vom 9. April hat
Netanjahu es am 5. Mai nur einmal pro Forma zu einer Diskussion über
die Eskalation
im Gazastreifen einberufen. Zwei Mitglieder des
Sicherheitskabinetts (die Minister Naftali Bennett und Ayelet Shaked)
haben sogar nicht einmal die Wiederwahl geschafft, während weitere
derzeit nur kommissarisch agierende Minister noch auf ihre Berufung
in die neue Regierung warten.
Entsprechend findet
die Debatte über die israelische Politik hinsichtlich der aktuellen
Spannungen zwischen Amerika und dem Iran ausschließlich zwischen
den Ohren des Premierministers statt, wenngleich angereichert durch
die Ratschläge führender Verteidigungsbeamter.
Netanjahu hat einen
entscheidenden Vorteil, der ihm in den Jahren der Obama
Präsidentschaft fehlte - die enge Abstimmung mit US-Präsident
Donald
Trump. Aber selbst Netanyahu fällt es nicht leicht, Trumps wahre
Absichten zu beurteilen.
Letzte Woche,
nachdem amerikanische Spitzenbeamte mehrfach beunruhigende
Informationen durchsickern ließen, ergriff Trump Maßnahmen, um die
Situation wieder zu beruhigen. Er erklärte, dass er nicht an einem
Krieg mit dem Iran interessiert sei, während führende amerikanische
Zeitungen detaillierte Berichte über Meinungsverschiedenheiten
innerhalb der Regierung hinsichtlich des weiteren Vorgehens gegen den
Iran veröffentlichten.
Aber am
Sonntagabend, nach weiteren iranischen Drohungen, änderte Trump
wieder einmal die Richtung. In einem gehässigen
Tweet drohte er: „Wenn der Iran kämpfen will, dann wird es dem
offiziellen Ende des Irans gleichkommen. Bedrohen Sie nie wieder die
Vereinigten Staaten!“
Trumps
gezwitscherter Wutausbruch kam ein paar Stunden nach einem weiteren
iranischen Signal: Eine
Rakete landete in der Grünen Zone Bagdads unweit der
US-Botschaft im Irak. Der Angriff folgte auf eine Reihe
amerikanischer Warnungen über iranische Pläne, US-Ziele im Irak zu
treffen, was Amerika dazu veranlasste, nicht benötigtes Personal aus
der Botschaft und aus den amerikanischen Ölfirmen in der Region
abzuziehen.
Dieser Vorfall war
der dritte - möglicherweise gar der vierte - innerhalb von etwas
mehr als einer Woche. Diesem ging eine
Serie von Explosionen voraus, bei denen vier Öltanker in einem
Hafen der Vereinigten Arabischen Emirate beschädigt wurden, sowie
ein Drohnenangriff
auf eine saudische Ölanlage durch die jemenitischen Houthi-Rebellen,
die vom Iran finanziert werden.
Es kann auch nicht
ausgeschlossen werden, dass der Iran zur jüngsten Kampfrunde in Gaza
beigetragen hat. Diese Eskalation begann am 4. Mai mit dem
Scharfschützenfeuer,
das der Islamische Dschihad, eine Organisation, die sich der
Autorität des Irans unterwirft, auf Israel richtet. Dem ging kein
israelischer Angriff auf den Islamischen Dschihad voraus.
Die drei Angriffe am
Golf haben alle einen klaren gemeinsamen Nenner. Teheran hat sich
nicht zu ihnen bekannt (die Houthis haben die Verantwortung für den
Drohnenangriff übernommen). Die weit verbreitete Annahme jedoch ist,
dass die Iraner hinter ihnen standen. Solche Angriffe ermöglichen es
dem Iran, eine Drohbotschaft zu senden während sie diese
gleichzeitig leugnen können, was es für Amerika schwierig macht,
mit eigenen militärischen Aktionen zu reagieren.
Die Nähe des
jüngsten Angriffs mit einem eindeutig amerikanischen Ziel (die
Botschaft in Bagdad) war vermutlich der Auslöser für Trumps
Reaktion und führte dazu, dass er Teheran unverblümt drohte.
Dennoch scheint sein Grundinstinkt immer noch darin zu bestehen, dass
eine Vermeidung unnötiger Kriege im Nahen Osten der beste Weg
darstellt. Vorerst scheinen Amerikas Schritte vor allem defensiv zu
sein.
In diesem Konflikt
hofft Israel darauf, ein eigenes Stück vom Kuchen abzubekommen.
Seitdem Trump vor zweieinhalb Jahren zum Präsidenten gewählt wurde,
drängt Netanjahu ihn zu einer aggressiveren Haltung gegenüber dem
Iran. Das Ziel besteht darin, den Iran zu weiteren Zugeständnissen
bei dessen Atomprogramm zu zwingen, sowie das Einstellen der
Unterstützung des Landes für militante Organisationen im Ausland.
Trump ist diesem
Drängen vor einem Jahr nachgekommen, als er Amerika aus dem
Atomabkommen mit dem Iran ausstieg. Es folgten schärfere Sanktionen
gegen den Iran sowie die Veröffentlichung eines Plans von
US-Außenminister Mike Pompeo, der zwölf Schritte beschreibt, die
Teheran unternehmen muss, um Washington zufrieden zu stellen.
Aber Israel ist
nicht daran interessiert, zu einem Teil der Front zu werden. Deshalb
hat Jerusalem auch nur wenige offizielle Erklärungen zur Iran-Frage
abgegeben, während Netanjahu die Minister zu Vorsicht bei
öffentlichen Äußerungen aufgefordert.
Diese Vorsicht gilt
auch für militärische Aktionen. Die Berichte aus Syrien von diesem
Wochenende über zwei israelische Luftangriffe auf iranische Ziele
innerhalb von 24 Stunden scheinen nicht glaubwürdig zu sein. Man
kann davon ausgehen, dass sich Israel auch für eine größere
Zurückhaltung an der Nordfront entscheiden wird, solange eine
Annähernug zwischen Amerika und dem Iran ausbleibt.
Trumpf Friedensplan
Trotz der Spannungen
am Golf setzt die Trump Regierung ihre Vorbereitungen ihrer
israelisch-palästinensischen Friedensinitiative fort. Am Sonntag
kündigte sie an, dass sie den wirtschaftlichen Teil ihres Plans am
25. Juni während einer internationalen
Konferenz in Bahrain veröffentlichen werde.
Dies bestätigte
zwei Annahmen über den „Deal des Jahrhunderts“, wie das Vorhaben
bezeichnet wurde. Erstens hat dessen wirtschaftliche Seite Vorrang
vor dessen diplomatischer Seite, deren endgültige Form weiterhin
unbekannt ist. Zweitens versucht Trump wie üblich, das Stattfinden
der Konferenz als Ergebnis darzustellen, anstelle von inhaltlichen
Belangen.
Die Palästinenser
allerdings verweigern sich einer Kooperation. Bereits am Montag hatte
die
Palästinensische Autonomiebehörde angekündigt, dass sie keine
Delegierten zur Konferenz entsenden wird.
Es ist durchaus
ironisch, dass dieselbe Regierung, die im vergangenen Jahr die
Finanzhilfe für die Palästinenser sowohl im Westjordanland als auch
im Gazastreifen fortlaufend kürzte nun versucht, dies mit Geldern
vom arabischen Golf zu überwinden und die palästinensische Seite
damit dazu zu bewegen, sich der amerikanischen diplomatischen
Initiative anzuschließen.
Neben dem
Haupthindernis in Form der pauschalen palästinensischen Ablehnung,
kommt vielleicht noch eine weitere Schwierigkeit hinzu: Sowohl in
Amerika als auch in den Golfstaaten könnte es zum Versuch kommen,
die Initiative zum Stocken zu bringen, indem die Aufmerksamkeit auf
neuerliche Spannungen mit dem Iran gelenkt werden.
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