Freie Märkte als Grundvoraussetzung für Wohlstand und Größe

Agora, Via Sacra, Wall Street (Bildquelle 1,2,3)

Märkte sind böse, weil ungerecht und gehören abgeschafft. So hört man es trotz allem immer wieder von linker Seite. Wie wenig das aber stimmt und wie sehr funktionierende Märkte und vor allem Finanzmärkte die Basis bilden für Wohlstand und Größe, gemeinhin auch „Zivilisation“ genannt, zeigt ein Blick in die Geschichte. Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen, von Athen bis Rom und später in der Renaissance, am Anfang des steilen Aufstiegs stand stets das Vertrauen in den Rechtsrahmen und darauf aufbauend Finanzmärkte, die in der Folge in ungeahnter Weise Wohlstand für alle schufen.


Martin Armstrong: Wo begann der Handel? Sind freie Märkte der Schlüssel für den Aufstieg von Imperien?



Alle Gesellschaften, die jemals zu Größe gelangt sind, haben als Grundlage für ihren Aufstieg Finanzmärkte entwickelt. Kritiker von Märkten begreifen nicht, dass die meisten Menschen ohne Finanzmärkte immer noch auf dem Kartoffelacker arbeiten würden. Einer der ersten derartigen Märkte stütze sich auf Future Kontrakte, wie sie im 19. Jahrhundert vor Christus in Babylon gehandelt wurden. Wir wissen von ihnen, weil einige dieser Verträge von damals tatsächlich bis heute überlebt haben. Alle von mir durchgeführten Untersuchungen zeigen eindeutig, dass jedes Wirtschaftswachstum direkt mit der Expansion der Finanzmärkte zusammenhängt.

Sobald es einen Marktplatz gibt, dann beginnen die Menschen zu investieren, so dass in der Folge die Wirtschaft wachsen kann, wobei sich die Regel etablieren muss, dass wer frisches Kapital benötigt, der muss in der Lage sein, einen Teil seiner Investition zu verkaufen. Alle meine Recherchen haben daher ergeben, dass an der Basis einer jeden expandierenden Wirtschaft Vertrauen liegt, das die Handelspartner zueinander haben müssen, um sich auf dessen Basis gegenseitig mit Liquidität für Investitionen auszustatten. Man muss sich das ganze nur einmal aus der eigenen Perspektive betrachten. Niemand würde sich an einem Unternehmen beteiligen, der denkt, dass dieses keinen Gewinn erzielen wird. Wie aber ist Gewinn überhaupt erreichbar? Ein Gewinnpotenzial ist nur dann möglich, wenn es einen liquiden Markt mit Käufern gibt.

Die Wirtschaft des antiken Athen hatte seinen Finanzmarktplatz in der Agora. Es gab damals sowohl Bankiers als auch Versicherungsgesellschaften. Aristoteles schrieb über die Menschen, die mit Geld ihr Geld verdienten. Als die Athener Wirtschaft durch die Einführung der Finanzmärkte zu expandieren begann, da kam es zu einem gesellschaftlichen Wandel, über den Aristoteles auch in seiner Politeia schrieb. Aristoteles glaubte, dass sich die athenische Wirtschaft von dem, was ich das Villamodell (landwirtschaftliche) autark wirtschaftender Enklaven bezeichnen würde, zu einer Wirtschaft mit marktbasierten Anreizen wandelte, in der die Produktion von Überschüssen zum Zwecke des Handels entstand, was schließlich in einem umfassenden marktwirtschaftlichen Modell mündete. Überdies war es auch die Übergangszeit, in der das Bürgertum den Feudalismus verdrängte. Sobald ein Finanzmarktplatz entsteht, dann werden die Menschen mehr produzieren, denn dann haben sie einen Marktplatz, auf dem sie die Überschüsse zum eigenen Vorteil verkaufen können. Die logische Folge daraus ist breiter Wohlstand.



Die Ignoranz der Geschichtswissenschaft gegenüber der Bedeutung von (Finanz-)Märkten



Viele Wissenschaftler haben die Athener Wirtschaft so detailliert zerlegt, dass sie irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sahen und sogar so tief einstiegen, dass sie nur mehr die Rinde eines einzigen Baumes vor Augen hatten. Sie lasen zwar Aristoteles Politeia, verfehlten dabei jedoch den Kern seiner Betrachtungen – es ging ihm um die Verwandlung Athens in die wichtigste Finanzmetropole der Antike, die sogar jene des antiken China übertraf.

Das altgriechische Wort oikonomia stellt laut vielen Historikern zwar die Wurzel für unseren modernen Begriffs der Ökonomie dar, allerdings sei der Begriff in seiner Definition nicht gleichbedeutend mit dem, was wir heute unter Ökonomie verstehen. Sie argumentieren, dass sich Ökonomie heute auf einen bestimmten Bereich menschlicher Interaktionen bezieht, der die Produktion, den Vertrieb und den Konsum von Waren und Dienstleistungen betrifft; oikonomia dagegen bedeutet „Haushaltsführung“, weil es von Xenophon so beschrieben wurde – als Modell dafür, wie man seine autarke und auf Landwirtschaft beruhende Villa verwaltet. Sie vermischen das dann in das politische System der griechischen Demokratie und behaupten davon ausgehend, dass die Aktivitäten einzelner autark lebender Familien damals den traditionellen sozialen und politischen Institutionen untergeordnet waren.

Sie gehen sogar so weit, als dass sie das griechische Währungssystem schlechtreden, geben aber dennoch zu, dass damals Waren produziert und konsumiert wurden, verschiedene Formen des Handels einschließlich des Fernhandels betrieben wurden und dazu Geldsysteme mit Münzen entwickelt wurden. All das wird von vielen Akademikern mit der Begründung als unwichtig abgetan, weil die Athener derartige Aktivitäten nicht als Teil einer eigenen Institution angesehen hätten, die wir heute als die Institution der Ökonomie betrachten.

Für mich sind derartige Sichtweisen wirklich nicht mehr als Kauderwelsch, bei dem einige einfach nur zu viel zu viel Zeit zum denken hatten, während sie gleichzeitig nichts wirklich zustande bringen mussten. Zu viele verlieren sich bei diesem Thema einfach nur in ihren eigenen Gedanken. Sie haben kein vollständiges Wissen über die Währungsgeschichte und verstehen daher nicht, dass die Münzprägung Athens in der Antike so dominant war, dass sie im Norden von den Kelten, den slawischen Völkern, im Osten von den Asiaten und sogar in Arabien imitiert wurde. Wäre Athen als Wirtschaftsraum so nachrangig gewesen, wie es mitunter hingestellt wird, dann wäre das nie passiert.



Athenische Dekadrachmen als antiker Verrechnungsscheck im internationalen Handel



Athen produzierte die Dekadrachme (10 Drachmen) mit einem Gewicht von fast 42 Gramm Silber. Diese Münzen hatten damals einen Gegenwert von heute 10.000 Dollar und sind heute sehr selten zu finden. Auch hier meinen einige Wissenschaftler abschätzig, dass es sich dabei lediglich um Gedenkmünzen handelte. Sie haben kein ausreichendes Verständnis für das Weltwährungssystem, denn diese Münzen wurden in Griechenland selten entdeckt. Schatzsucher in der Nähe des Dorfes Elmali in der Südtürkei entdeckten eine Fundgrube antiker Münzen, darunter die seltensten und wertvollsten jemals gefundenen griechischen Münzen. Die Münzen wurden aus der Türkei geschmuggelt und an William I. Koch und zwei Partner verkauft. Es war der Münzfund des Jahrhunderts.

Der Elmali-Hof wurde um April 1984 entdeckt und enthielt fast zweitausend antike griechische und lykische Silbermünzen. Die türkischen Behörden wandten sich damals an Interpol, um internationale Unterstützung bei der Suche nach den Münzhändlern zu erhalten, und um deren Verhaftung zu erwirken. 1984 kaufte das Konsortium OKS Partners, zu dem auch Koch gehörte, fast 1.700 dieser Münzen für rund 3,2 Millionen Dollar. Im Jahr 1987 begannen sie dann damit, die Münzen zu verkaufen, was der Moment war, in dem eine Klage gegen sie eingereicht wurde. Der Münzschatz wurde schließlich wieder in die Türkei gebracht.

Die Bedeutung dieses Fundes zeigt, dass die Athener Dekadrachmen Münzen mit sehr hohem Nennwert waren und sie wurden im internationalen Handel eingesetzt. Sie sind nicht in Athen selbst zu finden, sondern in den antiken Hafenstädten an der Mittelmeerküste. Einige Gelehrte behaupten, dass die Athener Dekadrachme mit den in hoher Stückzahl produzierten Syrakusdekadrachmen vergleichbar sei, die etwa zur gleichen Zeit geprägt wurden. Der Unterschied liegt aber darin, dass die Dekadrachme von Syrakus sowohl für zeremonielle als auch praktische Zwecke geprägt wurde. Dekadrachme in Syrakus war eine Reaktion auf die Niederlage der Stadt gegen die Karthager, wobei die Wissenschaft vom einen auf das andere schloss und die Behauptung aufstellte, dass die athenischen Dekadrachmen den selben Zweck hatten.

Numismatiker konnten 24 unterschiedliche Negativmatrizen identifizieren, die für eine Serie von Syrakusdekadrachmen verwendet werden, und die vom Künstler Euaenetus geschaffen wurden. Dies deutet darauf hin, dass es eine Mindestauflage dieser Auflage gab, die zwischen 240.000 und 360.000 Münzen lag, wobei die Überlebensrate zwischen .08% und .25% gelegen hätte, wenn man moderne Zahlen zur Grundlage nimmt.

Die Athener Dekadrachme aber wurde nur im internationalen Handel verwendet, und vor allem für Holz und Metalle aus dem Nahen Osten ausgegeben. Die Mehrheit der Athener bestand aus Bauern und sie hatten nie eine Dekadrachme in der Hand. Obsolet wurde die Dekadrachme schließlich zur Zeit des Perikles, als auch die Demokratie in Athen erodierte und der Krieg gegen Sparta verloren ging. Mit dem Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) verlor Athen seine Silberminen und begann daher, seine Münzen nur noch zu versilbern.

Insgesamt lässt sich unzweifelhaft sagen, dass die athenische wie auch später die römische Volkswirtschaft nur mit Hilfe von Finanzmärkten in diversifizierte landwirtschaftliche Ökonomien entwickeln konnten. Wo zunächst das Villamodell mit autarken Enklaven vorherrschte, wie sie auch in feudalen Zeiten zu einer integrierten Marktwirtschaft gehören, so führte die Schaffung eines diversifizierten Finanzmarktes zu internationalem Handel und der Geburt des Merkantilismus.

Die Ursprünge von Unternehmen und Kapitalgesellschaften



Das antike Rom hatte nie Staatsschulden und auch keine Zentralbank. Folglich gab es einen umfassend ausgebauten Finanzmarkt, der sich im Forum Romanum entlang der Via Sacra - der römischen Version der Wall Street - abspielte.

Die meisten Menschen gehen davon aus, dass die Erfindung von Unternehmen wirklich mit der Ostindien-Kompanie begann, da es die erste Aktie war, mit der im Jahr 1500 der Finanzhandel begann. Es gibt jedoch viele frühere Beispiele von Märkten, die den modernen Aktienmärkten sehr ähnlich waren. Schon in den 1100er Jahren gab es ein in ganz Frankreich verbreitetes System, bei dem sogenannte "courretiers de change" für Banken Landwirtschaftsschulden verwalteten. Dieses System lässt sich interpretieren als das erste große Beispiel für den Finanzhandel, da die Händler ihr Geld effektiv mit dem Handel von Schulden - also Anleihen - verdienten. Später, im 13. Jahrhundert, konnten Kaufleute in Venedig Staatsanleihen erwerben. In der ersten Phase nach dem Mittelalter konzentrierte sich der aufkommende Finanzhandel entsprechend in erster Linie auf Schuldtitel und weniger auf Unternehmenswerte.

Was die meisten übersehen ist, dass die Erfindung der Kapitalgesellschaft mit Xenophon (431 - 350 v. Chr.) dem gleichen Mann zugeschrieben wird, der uns das Wort „Ökonomie“ bescherte, das aus dem Titel seines Buches „Oikonomikos“ stammt, und in dem es wie erwähnt um Haushaltswirtschaft geht. Xenophon war ein Schüler von Sokrates. Er war Söldner und wurde zum Anführer der berühmten „Armee der Zehntausend“, die inzwischen auch verfilmt wurden. Er war gegen die Extremform der Demokratie, während derer Sokrates zum Tode verurteilt wurde. Seine letzte Aufzeichnung im Jahr 355 v. Chr. war sein Buch mit dem Titel „Mittel und Wege“, das sich für Frieden und gegen den Krieg einsetzte, da damit nur die Wirtschaft zerstört würde (tatsächlich gibt es sogar ein Komitee im US-Kongresses, das nach diesem Buch benannt  ist: „Ways & Means Committee“). Xenophon war kein philosophischer Intellektueller, sondern ein praktischer Akteur, der sich in seinen Schriften stets auf seine eigene Erfahrung berief.

Xenophon schlug als Rechtsform für Banken die öffentliche Körperschaft vor, die aus Aktien bestehen sollte, und die das gesamte athenische Volk kaufen können sollte. Für ihn war der Handel eindeutig wichtiger als die Landwirtschaft. Xenophon schlug daher eine öffentliche Bank vor, die gegen Zinsen Kredite zur Expansion der Wirtschaft bereitstellen würde. Er schlug vor, die Gewinne der Bank zur Finanzierung von öffentlichen Arbeiten zu verwenden. Während der Herrschaft von Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr.) in Rom gab es eine solche öffentliche Kreditbank, deren Aktien allerdings nicht von einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft gekauft werden konnten. Diese öffentliche Bank gewährte damals den Armen zinslose Kredite, während sie sich finanzierte über die Beschlagnahmung von Eigentum von Straftätern, zu denen aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten auch zahlreich Politiker gehören würden. Die Höhe der Sicherheiten, welche die Bank verlangte war das doppelte der Höhe des Kredits. Diese Art der öffentlichen Banken diente dabei vor allem zum Kauf von Grundstücken.

Das Wort „Korporation“ (Unternehmung) leitet sich denn auch vom Begriff des Korpus ab, dem lateinischen Wort für Körper oder einem „menschlichen Körper“. Während der Regentschaft von Justinian (527-565 n. Chr.) erkannte das römische Recht eine Reihe von Körperschaften an unter den Namen universitas, corpus oder collegium. Dazu gehörten der Staat selbst (der Populus Romanus), Gemeinden und private Verbände wie etwa Träger eines religiösen Kultes,  dazu Bestattungsvereine, politische Gruppen und Handwerker- oder Handelsgilden. Diese juristisch anerkannten Personengruppen gemeinhin das Recht, Eigentum zu besitzen und Verträge abzuschließen. Sie konnten auch Geschenke und Erbschaften erhalten, und sie konnten klagen und verklagt werden. Sie könnten auch durch Vertreter Rechtshandlungen vornehmen. Privaten Vereinigungen wurden vom Kaiser bestimmte Privilegien und Freiheiten gewährt, und sie bilden die Urform der heutigen Unternehmen und Kapitalgesellschaften.

Viele römische Ritter investierten in Kleinunternehmen und erhielten im Gegenzug einen Teil der Gewinne. Es handelte sich dabei um Verträge, die sie weiterverkauften konnten, allerdings wurden derartige Aktien nie an einer offenen Börse gehandelt. Ebenso war es normal, dass Senatoren in Ackerland investieren und einen Teil der Ernte als Rendite erzielen. Auch wenn Aktien eine sehr lange Geschichte haben, der freie Handel mit Aktien von Unternehmen konnte sich erst in den 1500er Jahren etablieren.

Die antiken Systeme von Rom und Griechenland kann man eher als Risikokapitalmärkte mit Privatplatzierungen definieren, sie bilden aber unzweifelhaft die Wurzeln heutiger Aktien und Finanzmärkte und sie bilden für jede Gesellschaft den entscheidenden Faktor, um auf Basis von Vertrauen in die Rechtssicherheit zu Wohlstand und Größe zu gelangen.
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