So wenig Streit wie über die Frage herrscht, ob sich die Ära des US-Dollar als globale Leitwährung allmählich dem Ende zuneigt, so werden sich die Historiker der Zukunft darüber streiten, worin genau die entscheidende Ursache wird gelegen haben. Vom Gelddrucken über marktliberale Kommunisten bis hin zum Bitcoin gibt es allerlei Kandidaten. Um eine weitere Ursache für den Niedergang des Dollars geht es im folgenden: Es ist das geopolitische Dominanzgehabe durch die USA, die mit ihrem Verhalten ihre Konkurrenten gegenseitig in die Arme treiben.
Gefira: Ein Begriff, den man sich merken sollte: Ent-dollar-i-sierung
Einige sagen, es war
Oberst Muammar Gadaffi, der den Dollar entthronen wollte und er
bezahlte den Versuch mit seinem Leben. Andere sagen, es war der
irakische Präsident Saddam Hussein, der Rechnungen in einer anderen
Währung als dem US-Dollar begleichen wollte, und so wurde er
gehängt. Jetzt sind es Russland und China, die das Gleiche planen.
Erst vor wenigen Tagen wurde eine entsprechende Vereinbarung
unterzeichnet.
A) Russland
und China haben beschlossen, bei bilateralen Vereinbarungen
zunehmend ihre jeweiligen nationalen Währungen zu verwenden, und
B) sie
haben beschlossen, das SWIFT-System
zu umgehen und stattdessen
ein alternatives System einzuführen.
Moskau hat in
letzter Zeit auch offenbart, dass Russland aufgehört hat, den
US-Dollar und das SWIFT-System für
Abwicklungen im Waffenhandel zu verwenden.
Der Warenaustausch
zwischen Russland und China ist bedeutend; russische Waffen haben
viele Kunden auf der ganzen Welt. Auf der anderen Seite verfügen
beide Länder, insbesondere China, über große Dollarreserven. Und
beide Staaten werden vom Westen angegriffen, sei es durch
Wirtschaftssanktionen gegen Moskau oder sei es durch den
amerikanischen Handelskrieg gegen Peking.
Die Bestrafungen
eines so gewagten Versuchs wie der Umgehung des US-Dollars war im
Falle von Libyen oder dem Irak ein Kinderspiel: Beide Länder wurden
umgehend abgewickelt. Nur, wie kann man in so einer Angelegenheit
gegen eine atomare Supermacht auf der einen Seite und der größten
Wirtschaftsmacht Asiens auf der anderen Seite vorgehen?
Wollte Washington
Moskau gegen Peking bewaffnen oder umgekehrt wie es zu sein scheint,
dann müssen die Strategen am Potomacfluss eine bittere Pille
schlucken. Die hybriden Stellvertreterkriege gegen Russland in
Georgien, der Ukraine, den baltischen Staaten, Polen sowie in
Venezuela und Syrien anstelle eines Direktangriffs haben Moskau nicht
geschwächt, sondern sein Engagement mit dem Reich der Mitte
beflügelt. Genau das selbe lösten zudem der amerikanische
Handelskrieg gegen Peking und andere unfreundliche Handlungen
gegenüber China aus. Anstatt die beiden Staaten zu unterwerfen
wurden sie von der westlichen Politik gegenseitig in die Arme
getrieben.
Die Finanzwelt
erlebt den Beginn der Entdollarisierung. Wir sollten uns besser an
diesen Begriff gewöhnen. Es sind nun mehr als siebzig Jahre
vergangen nach der Einführung des internationalen Finanzsystems von
Bretton Woods, das den Dollar zur bestimmenden Währung 1944 für
internationale Zahlungsmodalitäten machte, mehr als vierzig Jahre
nach den Jamaikaabkommen von 1976, mit dem Bretton Woods modifiziert
wurde‘und mehr als zwanzig Jahre nach dem Fall der Sowjetunion als
dem Hauptgegner der Vereinigten Staaten. Nun, da es den Anschein hat,
dass die Geschichte ihr Ende erreicht hat und nirgendwo sonst
hingehen kann und die Menschheit kurz vor dem Eintritt in eine
politisch unpolare Welt steht, betraten mit dem Rubel und Yuan zwei
Währungen auf dem Plan, welche die Position des Dollar und der
dahinter stehenden Mächte einmal mehr in Frage stellen. Es fragt
sich: Werden die drei verbleibenden BRICS-Länder
(Brasilien, Südafrika und Indien) folgen?
Zugegebenermaßen
sind die Volkswirtschaften der USA und der EU keine Rivalen, aber
Imperien und Supermächte haben ein gemeinsames Merkmal: Sie können
innerhalb von wenigen Monaten fallen und zerfallen. Der Erste
Weltkrieg brachte den totalen Zusammenbruch des deutschen, des
habsburgischen, des russischen und des osmanischen Reiches; der Kalte
Krieg den Zerfall der Sowjetunion. Diese Ereignisse kamen genauso
unerwartet wie sie schnell vonstatten gingen.
Die Vereinigten
Staaten halten die internationale Währung fest in ihren Händen und
haben mit ihr alle denkbaren finanziellen Tricks durchgeführt, von
denen das Drucken von Geld aus dem Nichts nur das bekannteste
Beispiel ist. Washington könnte andere Volkswirtschaften in
ständiger Abhängigkeit halten, indem es die Verfügbarkeit oder den
Wert des Dollars begrenzt und - wie Ökonomen es nennen - die
amerikanische Inflation importieren. Ohne dieses Instrument der
Weltwährung würde den USA eine der mächtigen Waffen überhaupt
beraubt, denn sie gebietet ausländischen Souveränen strikten
Gehorsam.
Westliche Ökonomen
trösten sich mit der Vorstellung, dass der von Moskau und Peking
geschmiedeten Plan noch lange nicht verwirklicht ist und durch so
viele objektive Faktoren behindert wird, dass sein Erfolg höchst
unwahrscheinlich ist. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg waren sich
die Amerikaner sicher, dass die Sowjetunion - aufgrund der
Rückständigkeit ihrer Wirtschaft und wegen der angerichteten
Schäden - erst nach etwa zwanzig Jahren eine eigene Atombombe haben
würde. Sie hatten jedoch eine innerhalb von nur vier Jahren, und
bald darauf folgte der Start des ersten Satelliten und der erste
Mensch vollbrachte eine volle Umlaufbahn um die Erde.
Durch die zunehmende
Abwicklung von Geschäften in den jeweiligen Landeswährung werden
sowohl Russland als auch China mehr finanziellen Spielraum erhalten.
Diese Art des Vorteilsgewinns könnte sich nachfolgend allmählich
auf die Beziehungen zu anderen Ländern ausweiten. Zweifellos werden
es die in vielen Ländern begehrten und qualitativ hochwertigen
russischen Waffen sein, die den Weg ebnen für einen Ausbau der
Geschäftsabwicklung in den jeweiligen Landeswährungen. Sie werden
dafür sorgen, dass sich die russische Währung von einer reinen
Tauscheinheit in eine internationale Währung verwandeln wird.
Dazu wird auch China
weniger abhängig vom Dollar sein. Sie können endlich damit aufhören
mit dem Horten des leeren Dollars, und dadurch in ihren Beziehungen
zu den Vereinigten Staaten an Stärke gewinnen. Der Hebel, den sie
dabei anwenden können? Es ist das Handelsvolumen in Rubel/Yuan. Je
unfreundlicher die Haltung von Seiten Washingtons, desto größer
wird dessen Volumen und umgekehrt.
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