Bücherverbrennungen geschehen öfters als man denkt (Bildquelle) |
In Neuseeland geht es Schlag auf Schlag mit der Beseitigung bürgerlicher Rechte. Wie auf Speed zerfetzen Politik und Medien den bisher geltenden freiheitlichen Rahmen des gesellschaftlichen Diskurs. Mediale Inhalte werden zensiert und bei Zuwiderhandlung mit hohen Freiheitsstrafen belegt, während die Bevölkerung durch die totale Emotionalisierung der Berichterstattung völlig aufgehetzt wurde. Mit der Ruhe im Land scheint es vorbei zu sein. Das Ziel des Attentäters in Form einer Spaltung und nachfolgenden Extremisierung der Gesellschaft wurde bereits jetzt erfüllt.
Der neue Vierklang: Aufhetzen, Verbieten, Drohen, Bestrafen
Bereits kurz nach
dem Attentat wurde der Besitz und die Verbreitung des beim Attentat
live aufgenommenen Videos verboten und eine Zuwiderhandlung mit
zehn Jahren Haft belegt. Dazu müssen Internet- und
Hostinganbieter mit mehreren hunderttausend Dollar Strafe rechnen,
sollte sich das Video auf deren Servern befindet.
Auch wenn das Video
sicherlich keine Sehenswürdigkeit darstellt, so ist es doch
befremdlich, dass eine solches Verbot ausgesprochen wurde. Vor allem
die extrem hohe Strafe bei einer Zuwiderhandlung stößt mir auf.
Es ist ein Merkmal freier Gesellschaften, dass Informationen,
darunter auch verstörende, frei zugänglich sind.
Zwar kann man sich
hier durchaus streiten, da es auch die Kinderpornografie gibt oder
andere sexuelle Handlungen jenseits des makabren, die ebenfalls
niemand im Umlauf sehen will. Allerdings sind auch zahlreiche Videos
anderer Gräueltaten und Terroranschläge noch immer frei um Umlauf,
man denke nur an die Kopfabschneidvideos des IS oder die teils
verstörenden Aufnahmen des Terroranschlags auf das World Trade
Center im Jahr 2001. Noch immer gibt es tausende Videos bei YouTube,
auf denen Menschen zu sehen sind, wie sie sich aus dem Hochhaus
stürzen.
Auch das Sterben von
Kindern wird gerne auf Foto und Film aufgehalten, um es dann
propagandistisch auszuschlachten. Man denke nur an die Leiche des
Alan Kurdi, an die an den Stränden des Mittelmeers angeschwemmten
Leichen von Bootsmigranten oder den mit Blut und Staub beschmierten Jungen, der in Aleppo von der Propagandatruppe der Weißhelme in Szene gesetzt wurde.
All das ist nicht
weniger verstörend als ein solches Tatvideo und es hat einen sehr
vergleichbaren Wirkungscharakter bei den Rezipienten.
Neben dem Verbot des
Besitzes und der Verbreitung des Tatvideos wurde gleichzeitig bekannt,
dass auch die Dissenter
Kommentar App in Neuseeland verboten wurde. Dabei handelt es sich
um eine für mich völlig unverständliche Maßnahme, da
beispielsweise keine Terrorverabredungen darüber getroffen wurden
und keinerlei ursächliche Verbindung besteht zur Tat oder den
Umständen, die dazu führten.
Bedenkt man, dass
mit Dissenter auch gleich noch der Wirtschaftsblog ZeroHedge aus
Neuseeland verbannt wurde, dann weiß man, dass es auch hier nicht um die
Prävention von Terroranschlägen geht, sondern eben darum, einen
bestimmten Wirkungscharakter bei den Rezipienten zu ermöglichen oder
zu verhindern.
Nur wenige Tage
danach fand sich auch
Jordan Peterson auf der Zensurliste. Zwar handelt es sich dabei
um keine offizielle Zensur, mit der sein Ratgeberbuch aus den Regalen
des Landes verbannt wurde. Wenn aber eine große Buchkette mit einer
starken Marktmacht so eine Boykottentscheidung trifft, dann nimmt
dies einen quasi-offiziellen Charakter an.
Kommen dann noch die
Umstände der Begründung des Verbots hinzu – es gibt ein Foto, das
Peterson bei einer öffentlichen Veranstaltung mit der „falschen“
Person zeigt – dann wird klar, wo die wahren Intentionen
liegen.
Gelöscht wurde mit
der Herausnahme von Petersons Buch aus dem Verkauf nicht eine falsche
Meinung, sondern gleich ein kompletter Teil des öffentlichen
Debattenspektrums. Und worin liegt der Wirkungscharakter bei den
Rezipienten in diesem Fall? Nun, zeige dich mit der falschen Person
und auch du wirst gelöscht - oder soll ich schreiben verbrannt?
Hitlers Mein Kampf
oder die Maobibel übrigens gibt es noch immer zu kaufen bei der
Kette.
Nun, zehn Tage nach
dem Attentat hat Neuseeland auch
das Manifest des Täters in der selben Weise verboten
wie schon das Tatvideo: Besitz und Verbreitung sind verboten und
wer erwischt wird, der muss mit einem Jahrzehnt hinter Gittern
rechnen.
Diese Entscheidung
ist noch einmal eine Potenz verstörender als das Verbot des Videos.
Wie ich oben beschrieben habe gibt es eine strukturell überaus
relevante Grauzone, für die es gesetzlicher Regelungen bedarf. Aber
ein Buch? Oder ein Pamphlet?
Wie sollen die
Menschen in Neuseeland jetzt noch die Absichten des Täters
verstehen? Wie will man nun Wege und Argumente finden, die dabei
helfen könnten, Personen mit vergleichbarer Ideologie von ihrem
Extremismus abzubringen?
Standen in dem
Manifest etwa Unwahrheiten? Oder waren es am Ende Wahrheiten, auf die
der Attentäter seine kranken Ableitungen setzte?
Wieder stellt sich
die Frage des Wirkungscharakters bei den Rezipienten – einmal mit
dem Manifest als legalem und öffentlich debattierten
Informationsmittel und einmal als dem Manifest als einem heimlich
weitergereichten, subversiven Dokument, das zu viel Un/Wahrheit
enthält.
In welcher Version
frage ich mich ist es wohl wahrscheinlicher, dass das Manifest bei
den Rezipienten als Brandbeschleuniger wirkt? In der neuseeländischen
Politik scheint man sich die Frage bislang nicht gestellt zu haben.
Wie sehr in
Neuseeland die öffentliche Stimmung gekippt ist beweist ein Festival,
wo es zu Panik und einer Evakuierung kam, weil einer der
Mitarbeiter bei einem Besucher ein „Nazitattoo“ entdeckte.
Es war kein
Nazitattoo, das da am Körper eines der Festivalbesucher prangerte,
sondern ein „traditionelles“ - ich vermute mit Maorihintergrund.
Erinnerungen werden wach an
eine Rechtsextremismusexpertin mit eingebauter Erkennungsschwäche
für Kreuze.
Niemand muss die Bedeutung eines jeden Kreuzes kennen. Aber genau so wie selbsternannte Experten für Rechtsextremismus das eine vom anderen trennen können müssen, so wäre es auch nicht übel wenn Neuseeländer wüssten, wann ein Mitmensch ein traditionelles Kreuz am Körper trägt und wann nicht.
Niemand muss die Bedeutung eines jeden Kreuzes kennen. Aber genau so wie selbsternannte Experten für Rechtsextremismus das eine vom anderen trennen können müssen, so wäre es auch nicht übel wenn Neuseeländer wüssten, wann ein Mitmensch ein traditionelles Kreuz am Körper trägt und wann nicht.
All das aber, die
Vernunft, die Voraussicht, das überlegte Abwägen, es wurde in
Neuseeland innerhalb von nur wenigen Tagen von Politik und Medien
völlig abrasiert. Was jetzt zum Vorschein kommt unter dem Pelz von
Neuseelands Gesellschaft ist aber kein heimliches Nazitattoo, sondern
es sind Panik, Angst und Überreaktion.
Angesichts dessen,
dass die Veränderungen nach dem
Attentat so schnell und so heftig kam zeigt mir, dass es in den Schubladen bereits einiges davon
vorbereitet gewesen sein muss und im öffentlichen Bewusstsein alle Voraussetzungen für die nun offen vorgetragene Panik verankert waren. Es zeigt auch, dass es dort sehr
bald noch sehr viel schlimmer kommen könnte. Dies sowohl in Richtung staatlicher Repressionen als auch der weiteren Emotionalisierung und Aufstachlung der Bevölkerung.
Daher würde mich
auch nicht wundern, falls Neuseeländer beispielsweise bald nur noch
dann ins Internet dürfen, wenn sie sich vorher ausweisen und immer
nur mit dem Klarnamen surfen. Das Land war bei mir im Hinterkopf
immer abgespeichert als potenzieller Fluchtort, da abgelegen, wohlhabend,
fruchtbar, dünn besiedelt und freiheitlich. Ich hätte daher nie und nimmer
erwartet, dass es ausgerechnet dort ist, wo die Schlinge als
erstes komplett zugezogen wird.
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