Ein verunsichertes Volk und eine korrumpierte Elite führen stets in die Revolution


In den Kisten befinden sich Wahlprogramme der Altparteien (Bildquelle)

Revolutionen entstehen dann, wenn sich Paradigmen verschieben. Diese Revolutionen sind genau dann umso stärker und umfassender in ihrem transformativen Charakter, je mehr Menschen davon betroffen sind und einen neuen Gesellschaftsvertrag benötigen, um ihre Leben, ihren Wohlstand und ihre Freiheit erhalten zu können. Die Amerikanische Revolution ist ein Beispiel für einen solchen transformativen Prozess, die Pate stehen könnte für das kommende, weil sie damals weit mehr umfasste, als nur besteuerte Teebeutel und reiche Sklavenhalter in Neuengland.



Of Two Minds: Eine prekäre Revolution braut sich zusammen


Wieder einmal verändern tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Kräfte die Nation in einer Weise, die in Echtzeit schwer zu verstehen ist.

Die Amerikanische Revolution hatte ihren Ursprung nicht in der Politik, sondern speiste sich aus schnellen sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, die in der allgemeinen Unsicherheit des Wohlstands der Kolonisten manifestierten. Die üblichen Geschichten zum Thema konzentrieren sich auf den politischen Kontext (Boston Tea Party, etc.), wichtiger aber waren damals die Veränderungen in den sozialen Beziehungen und die Verschiebungen in der Wirtschaft, die sich von einer quasi feudalen Form der Herrschaftsbeziehung zu einer Wirtschaft unpersönlicher Marktkräfte entwickelte.

Die politische Revolution war das daher letztlich Ergebnis tiefgreifender Veränderungen in den sozialen und wirtschaftlichen Strukturen.

Wie Gordon Wood in seinem bahnbrechenden Buch The Radicalism of the American Revolution erklärt, waren es diese sozialen Veränderungen, die den revolutionären Eifer bei den durchschnittlichen (nicht-elitären) männlichen Bürgern förderte.

Die Amerikaner mussten erkennen, dass ihre Wohlstand in Gefahr war, was zu einer tiefen Spaltung der Bevölkerung führte. Etwa 25% bis 30% der Bevölkerung blieben der britischen Krone gegenüber loyal, und diese Loyalisten hielten es für eine politische und wirtschaftliche Katastrophe, sich vom „Mutterland“ zu trennen.

Die Mehrheit dagegen war der Meinung, dass genau das Gegenteil der Fall war: Ihr Wohlstand und ihre Freiheit wurde stand permanent in der Gefahr, durch ein Parlament und/oder einen Monarchen entzogen zu werden, die ihren Wohlstand und ihre Freiheit kaum oder gar nicht respektierten.

Die Ungewissheit über die Erhaltung des zur Zeit der Revolution bereits geschaffenen Wohlstandes und die vorhandenen politischen Freiheiten war es, was die Durchschnittsmenschen in eine Alles-oder-Nichts-Wahl trieb: Es gab keinen Mittelweg, und die Handlungsunfähigkeit ob dieser Kluft verschob ihre Perspektive. Benjamin Franklin zum Beispiel hat den Kontakt zu seinem ältesten Sohn komplett abgebrochen, da er trotz der sehr engen Beziehung zwischen den beiden ein Loyalist gegenüber der Krone blieb.

Dieser vorhandene Wohlstand und die Freiheit waren natürlich den europäischstämmigen Männern vorbehalten; Frauen hatten zwar das Recht auf Scheidung und jenes auf eigenes Eigentum, jedoch kein politisches Wahlrecht, und Sklaven wiederum hatten überhaupt keine Rechte, wenn sie nicht von ihren Besitzern befreit wurden.

Von besonderem Interesse sind die von Wood bechriebenen sozialen Veränderungen in Familie und Wirtschaft, da sie die Gegenwart in vielerlei Hinsicht widerspiegeln. Die Eltern in den 1760er Jahren wurden ermahnt, ihre Kinder als Individuen zu behandeln und eine Maßregelung basierend Vernunft zu wählen, anstatt eine Strafe anzuwenden. Die Autorität der Eltern wurde in dieser Weise reduziert von einem starren Autoritarismus hin zu einem viel nuancierteren und schwierigeren Prozess der Erziehung und Führung - ein Prozess, der heute jedem Elternteil vertraut ist.

Auch die Wirtschaft wandelte sich rasant, und die einst auf persönlichen Beziehungen und damit Vertrauen basierenden Verträge wurden zunehmend marktvertraglich. Wo Kleinbauern in den frühen 1700er Jahren ihre Ernten an Großgrundbesitzer oder Händler verkauften, so kauften schottische Handelshäuser ab Mitte des Jahrhunderts die Ernten der Kleinbauern direkt auf, was eher schriftliche Verträge als persönliches Vertrauen erforderte.

Kleinbauern verdienten dadurch mehr Geld, und der Landadel verlor die Macht über den Warenfluss.

Diese Erosion der traditionellen Autorität erstreckte sich vom Haus über den Marktplatz bis hin zur britischen Krone und dem Parlament, das die rebellischen Kolonisten als eigensinnige Kinder sah, die eine gute Tracht Prügel brauchten, um sie zur Raison zu bringen.

All dies führt uns in die Gegenwart, in der wieder einmal tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Kräfte die Nation in einer Weise verändern, die in Echtzeit schwer zu verstehen sind. Die traditionellen Autoritäten schwächeln, und die traditionellen sozialen Beziehungen und Märkte werden in einer Weise gestört, dass die meisten Marktteilnehmer finanziell weitaus schlechter dastehen als noch vor einigen Jahrzehnten.

Um ein wichtiges Beispiel zu nennen: Wo der Besitz eines Hauses einst bedeutete, auf eine langsame und stetige Aufwertung des Eigenkapitals zu bauen, ist es in der heutigen Wirtschaft, in der schnelle Trends und jähe Wertverluste einander ablösen, das Timing das wichtigste: Ein schlechtes Timing kann den kompletten Verlust des Eigenkapitals bedeuten, während das Eigenkapital für dessen Erhalt immer an der Preisspitze verkauft werden muss.

Wie ich letzte Woche in einem anderen Artikel feststellte bietet die heutige, noch immer in der vergangenen Ära der Stabilität verankerte Politik keine funktionierenden Lösungen mehr für diese tiefgreifenden Störungen und Veränderungen. Der Mittelgrund ist verschwunden, während sich Ideologien in quasi-religiöser Weise gerieren, weil sie mit keiner praktischen Orientierung mehr für eine Gesellschaft und Wirtschaft aufwarten können, die gerade einen existenziellen Transformationsprozess durchlebt mit der Vierten Industriellen Revolution, der nahenden Ressourcenerschöpfung und umfassenden demographischen Veränderungen.

Und wieder ist die Folge, dass die Menschen die Unsicherheit spüren, die ihren Wohlstand und ihre Freiheit bedroht, und wie sich traditionelle Formen der Zugehörigkeit, Loyalität und Autorität vor ihren Augen auflösen. Sobald der Kuchen schrumpft dann bekommt der Kampf, den eigenen Anteil auf Kosten anderer zu halten darwinistische Züge, und so ist es nicht verwunderlich, dass die Gewinner der Entwicklung immer öfters in der Finanzindustrie und in der Politik zu finden sind – da wo der Gewinner alles bekommt und den geringsten Risiken ausgesetzt ist.

Der Skandal um die Korruption bei Zulassungen zu Eliteuniversitäten ist ein Paradebeispiel für diese Dynamik: Ab 500.000 Dollar aufwärts wissen wir nun, kann man die richtigen Leute in der zentralisierten Hierarchie bestechen, um den eigenen Sprössling ungeachtet seines Talents so auf der Karriereleiter zu positionieren, dass er am wahrscheinlichsten zu jenem Gewinner wird, der alles bekommt und keine Risiken tragen muss.

Eine prekäre Revolution braut sich zusammen, da sich die alten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen auflösen und scheitern. Die nüchterne Politik des Kompromisses weicht der zweckmäßigen Politik von Brot und Zirkus, in der billig die notwendigen Summen gekauft werden, um die korrupte, parasitäre Elite und die Wahlkreise der Wohlhabenden zu besänftigen. Es ist der Pfad in den garantierten finanziellen Ruin, auf dem auch die Währung durch die Politik der opportunen Zweckmäßigkeit zerstört wird.
Blogverzeichnis Bloggerei.de
loading...