Italiens Funktionselite ist zunehmend der Ansicht, ihr Land steht im Krieg mit Brüssel, Berlin und Frankfurt


(Bildquelle)

Allen Jubelmeldungen über Euro und EU zum Trotz, die es sicherlich auch heute wieder in den Mainstream Medien zu lesen gibt, schreitet die Erosion beider Institutionen immer weiter voran. In Italien hat sich angesichts des Befehlstons, der aus Brüssel, Berlin und Frankfurt zu hören ist inzwischen die Ansicht durchgesetzt, in einem besetzten Land zu leben. Zu den Auseinandersetzungen zwischen nationalen und supranationalen Interessen gesellt sich im Jahr elf nach Ausbruch der Finanzkrise also eine emotionale Komponente, die kaum noch zu kontrollieren oder auch nur einzuschätzen ist.



Nicht das Budget ist das Problem für Brüssel, die Akteure sind es



Trotz des Italieners Mario Draghi an der Euro-Gelddruckmaschine, trotz der Machtlosigkeit des Brüssler Apparats angsichts der italienischen (und nicht nur ihres) Unwillens, sich dem allgemeinen Spardiktat zu beugen und auch trotz der Angst in Berlin vor den Trümmern, die auf Deutschland fallen könnten, falls Italien finanzpolitisch fallen sollte, sehen sich die Funktionseliten des Landes immer mehr in einer Kriegssituation. Glaubt man Martin Armstrongs Einschätzung, so soll hinter dem Vorhang schon seit einiger Zeit die Ansicht von Italien unter globalistischer EU-Besatzung herumgehen.

Während diese Ansicht lange nur im Privatsektor gehegt wurde und dort vor allem im Finanzbereich, so hat sich diese Position mit dem Regierungsantritt der Lega-Fünf-Sterne Koalition ausgeweitet auf den politischen Bereich in den oberen Etagen von Italiens staatlicher Verwaltung.

Vor allem die Weigerung durch die EU-Bürokratie, den Staatshaushalt für das kommende Jahr abzusegnen, hat im Land große Wellen geschlagen. Hinsichtlich der Verschuldung liegt dieser weit jenseits dessen, was in den Euro-Gründungsdokumenten vorgesehen war und auch jenseits dessen, was man nach dem Ausbruch der Eurokrise als neue Regeln ausgekungelt hat. Allerdings galt das auch für die vorigen Budgets unter Berlusconi und den Sozialdemokraten Bersani und Renzi, die aber alle als Freunde Brüssels bezeichnet werden können.

Die Änderung der Einstellung gegenüber dem italienischen Haushalt ist also vor allem ein Machtspiel, das die EU-Bürokratur gemeinsam mit den globalistischen Finanzeliten mit Italien treibt. Im wirklichen Fokus steht weniger das eigentlich Budget voller unverantwortlicher staatlicher Segnungen. Vielmehr ist es die neue Politik der aktuellen Regierung mit der Bevorzugung Einheimischer, dem rabiaten Beenden des italienischen Teils der Migrationskrise und der Weigerung, das Land weiterhin buchstäblich todzusparen.



Nationale Interessen versus kontinentale Interessen



Gefira, das sich in der Vergangenheit bereits einen Namen gemacht hat mit dem Entblößen des Fährbetriebs von Libyen nach Sizilien, titelt nun explizit, dass „das italienische Volk begreifen muss, dass ihr Land sich im Krieg befindet“. Deutlicher kann man es kaum ausdrücken.

Man kann dazu auch fest davon ausgehen, dass die Regierung in Rom von dem Gefira Artikel Kenntnis nehmen wird. Hat doch der zur Fünf-Sterne-Bewegung gehörende Ministerpräsident Giuseppe Conte kürzlich zum Thema Abschaffung der italienischen GEZ und dem Ende der finanziellen Förderung italienischer Mainstream Zeitungen durch den Staat gemeint, dass er sich ohnehin nur noch über Blogs informiert und den italienischen Mainstream links liegen lässt. (Leider finde ich die Quelle nicht mehr, wer weiß wo das stand bitte einen Link in den Kommentarbereich setzen.)

Im Artikel von Gefira wird Conte sehr deutliche Worte lesen. Das Grundproblem wird darin erkannt, dass die Teilnehmerländer an der Einheitswährung keine eigene Geldpolitik mehr betreiben können. Die Folge heute ist, dass einzelne Länder entweder die Wahl haben, finanziell dauerhaft zu bluten oder aber bankrott zu gehen, sobald die EZB keine Anleihen mehr aufkauft.

Das gilt auch für Italien, das aufgrund seiner Größe aber auch ein unkalkulierbares Risiko darstellt, falls es dazu kommen sollte und genau diese Konstellation führte dazu, dass heute ein offener Finanzkrieg herrscht zwischen der EU und Italien. Auf der einen Seite will die EU, dass Italien weiter die Taschen zuhält, effektiv also schrumpft und Wohlstand aufgibt, allerdings kann Italien die EU noch immer erpressen mit der Drohung, alles mit in den Abgrund zu reißen.

Bei Gefira vertritt man dazu die Ansicht, dass Italien aufgrund seiner alternden und sinkenden Bevölkerung gar keine andere Möglichkeit hat, als die staatlichen Ausgaben mindestens konstant zu halten, pro Kopf also immer mehr auszugeben, da die Wirtschaftsleistung ansonsten nur noch rapider sinken würde.

Inmitten eines „demografischen Winters“ ist wirtschaftliches Wachstum einfach nicht möglich, so Gefira, weshalb Italiens Regierung, die ihren Vertretungsanspruch durch das italienische Volk ernst nimmt, keine Möglichkeit sieht, weiter zu sparen. So macht es nur Sinn, den von außen aufoktroyierten Zwang zum Sparen als direkten Angriff auf das Land zu interpretieren.

Für Brüssel dagegen gibt es keine schrumpfende Bevölkerung auf dem Kontinent – immerhin kommen aktuell jährlich mehrere Millionen Menschen hinzu – und so sieht der Apparat entsprechend auch ein Problem in einer weiteren Austerität in Italien. Immerhin ist das Land für die EU nur ein weiteres Mosaiksteinchen im Gesamtbild, seine Interessen müssen also hinter den Gesamtinteressen für den Block zurückstehen.

Es ist eine Konstellation, in der sich gegenseitig ausschließende Interessen gegenüberstehen. Friktionen sind fast schon eine zwingende Folge.



Die Kriegswaffe des bedruckten Papiers



Italiens stellvertretender Finanzminister kommentierte die Ablehnung des italienischen Budgets durch die EU bei Facebook dann auch mit „Kein Wunder, dass sie das Budget ablehnen: Es ist das erste italienische Budget, das in Rom erstellt wurde und nicht in Brüssel,“ und Matteo Salvini setzte dem oben drauf: „Sie greifen nicht die Regierung an, sondern das Volk.“

In Rom hält man also die Stellung und weigert sich, die Verfügungen von jenseits der Alpen zu akzeptieren und das italienische Volk im Namen des Großen Ganzen preiszugeben, das erstellte Budget soll in Kraft treten.

Nur als kleine Nebeninformation sollen die Ausgaben nicht nur ausgeweitet werden, vielmehr soll auch an einigen Stellen gespart werden. Mindestens 400 Millionen Euro werden ab dem kommenden Jahr beispielsweise bei der Versorgung von Migranten eingespart, indem deren Tagessold von derzeit 35 Euro auf 19 Euro gesenkt werden soll, wie Il Giornale berichtet.

Die Gegenmaßnahme aus Brüssel und Frankfurt besteht im Versuch, den italienischen Bankensektor vollends zu zerstören, wie es davor bereits in Griechenland und Zypern umgesetzt wurde. Die Folge von wochenlanger Bargeldknappheit und geschlossenen Banken zwang damals selbst die mit heftigen Parolen angetretene linksextreme Syrizaregierung unter Alexis Tsipras zum Einlenken. Heute hört man nur noch wenig von dort, hat man den Mann und seine Leute mit der Peitsche (und vermutlich genügend Zuckerbrot) zu Schoßhündchen der EU-Eliten degradiert.

Ein besonders Kreativer unter den EU Oberen, Jeroen Dijsselbloem, will für dieses Ziel dafür sorgen, dass italienische Anleihen deutlich an Wert verlieren, was die ohnehin an der Grenze der Insolvenz agierenden italienischen Banken in den Bankrott schicken würde, da sie für die Kreditvergabe Sicherheiten in Form von Anleihen vorhalten müssen, die dann nichts mehr wert wären. Sollte es so weit kommen, dann müsste die Summe der durch die Banken vergebenen Kredite sinken.

Die Konsequenzen für Italien wären tatsächlich verheerend, es würde mindestens vorübergehend einen kompletten Zusammenbruch im Land provozieren. Man sieht also, was auf dem Spiel steht, wenn man schon derartige psychopathische Pläne aus der Schublade zu holen bereit ist.

In Italien ist man sich darüber bewusst, hat neben der schieren Größe aber noch einige weitere Trümpfe in der Hand. Beispielsweise werden Banken noch immer von den nationalstaatlichen Behörden geschlossen, wenn eine wirtschaftliche Schieflage vorliegt – oder eben nicht. Italien könnte also hingehen und per Federstrich festlegen, dass Italiens Banken weiterhin solvent sind und das trotz des Absturzes der italienischen Anleihen.

Die wirtschaftlichen Folgen wären vermutlich nicht weniger verheerend als Dijsselbloems Wahnidee eines Totalbankrotts für Italien. Im Gegenteil, je nach Lage der Dinge könnten sich Italiens Banken (oder auch jene in anderen Austeritätsländern) dazu entschließen, die Situation für sich zu nutzen und zulasten der Allgemeinheit die eigenen Bücher zu bereinigen, indem sie ihre Risiken in Billionenhöhe nach Italien verlagern.

Infolgedessen wäre es wohl nur eine Frage von Wochen, oder wer weiß, vielleicht sogar Stunden oder Minuten, bis die EZB dazu gezwungen wäre, die Schleusen vollends zu öffnen und alles zu retten, während im Hintergrund der mit einer 13-stelligen Summe an Sicherheiten ausgestattete ESM aktiviert werden müsste, um die Bilanzen sämtlicher Privat- und Staatsbanken auf dem Kontinent auszugleichen.

Das Resultat bestünde in einem totalen, kontinentalen Vertrauens- und Kontrollverlust in das Banken- und Geldsystem, oder in ein Wort zusammengefasst: Hyperinflation.



Es geht nicht mehr um Geld, es geht um Ehre



So lange die einzelnen Akteure in Brüssel, Berlin, Frankfurt und Rom ihre Karten intelligent ausspielen, könnte dieser Moment noch einige Zeit herausgezögert werden, oder wie in den letzten Jahren so oft in einen chronischen Schleifprozess verwandelt werden, der sich über Jahrzehnte hinziehen würde.

Als besonderes Problem gesellt sich hier aber eben noch dazu, dass es in Italien inzwischen nicht nur um neu entdeckte nationale Interessen geht, sondern auch um die Ehre. Es sind also Emotionen und keine 3-dimensionalen Schachzüge, die das Spiel vorantreiben und das ist eigentlich immer ein sicheres Zeichen für eine baldige Explosion der Situation.

Ganz so, als ob das nicht schon genug wäre, kommen zur Gemengenlage aber noch mindestens zwei weitere äußerst relevante Unsicherheitsfaktoren hinzu. Namentlich sind das der Brexit und dessen Verhandlungsdetails, sowie Donald Trumps Außenpolitik der Wirtschaftssanktionen. Beide Fraktionen sind überhaupt nicht gut zu sprechen auf die EU und sie könnten beide sehr viel gewinnen, falls die Situation in Euroland außer Kontrolle gerät.

Als Fazit bleibt: Ziehen Sie sich warm an, es könnte währungstechnisch bald schon sehr, sehr kalt werden. Sichern Sie sich gut ab vor einem möglichen Banken- und Währungscrash und überlegen Sie sich gut, in welcher Währung sie demnächst noch ihre Rechnungen begleichen können.
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