Das "neue" Normal? Es ist alles schonmal dagewesen.. (Bildquelle 1,2,3,4,5) |
Wer noch denkt, das „neue Normal“ ließe sich verhindern, der sollte nach Italien blicken, wo die Quarantänemaßnahmen gegen den Coronavirus bis vor kurzem noch erheblich strenger waren und länger galten als in Deutschland. Nach drei Monaten ohne Arbeitseinkommen oder relevante staatliche Absicherung geht vielen Familien Italien das Geld aus und so müssen sie zum Überleben an ihre Substanz gehen. Der Gang zum Pfandleiher muss nicht nur als eine letzte Verzweiflungstat zur Abwendung der aktuten persönlichen Notlage gewertet werden, sondern sie hinterlässt auch ein sichtbares und bleibendes Loch im Haushalt. Als „Broken Windows Theorie“ wird der sukzessive öffentliche Verfall beschrieben, der meist mit einem einzigen eingeworfenen Fenster beginnt. In Ableitung dessen lässt sich sagen, in Italien beginnt gerade der sukzessive private Verfall der Gesellschaft. Die große Frage ist, ob sich das mit den Regeln des „alten Normal“ noch einmal korrigieren ließe.
Daily Mail: Italienische Familien stehen vor Pfandleihern in der Schlange, die seit Beginn der Quarantäne einen 30 Prozent Anstieg der Kundenzahlen verzeichneten
Italienische
Pfandleiher haben einen 30-prozentigen Anstieg der Kundenzahlen
verzeichnet, seit Anfang der Woche die Sperre in dem vom Coronavirus
verwüsteten Land aufgehoben wurde.
Als einer der
größten Pfandleiher des Landes heißt es bei Affide, dass es nach
der Lockerung der Quarantäne am vergangenen Montag seine
Öffnungszeiten verlängern musste, nachdem es einen 30-prozentigen
Anstieg der Kundenzahlen verzeichnete.
Menschen aus allen
Gesellschaftsschichten standen vor der größten Niederlassung des
Unternehmens in Rom Schlange, um ihren wertvollen Familienschmuck
gegen dringend benötigtes Bargeld einzutauschen, berichtete Il
Piccolo.
Die 73 Jahre alte
Großmutter Luciana sagte über ihren Besuch bei Affide, sie sei mit
dem Familiengold in den Laden gekommen, um ihrem Sohn zu helfen. Sie
habe zwei Halsketten und ein Paar Perlenohrringe angeboten und hofft,
dass sie dafür genug Geld bekommen würde, damit er (sic!) die
Unterhaltskosten für seine Tochter bezahlen könne.
Zur Begründung des
finanziellen Engpasses bei ihm meinte sie, dass er noch immer auf
sein Februargehalt warte und es nicht aussieht, als würde er es bald
bekommen.
Die 73-Jährige ist
dank ihrer Rente gerade noch in der Lage, ihre Miete zu begleichen
und kann sogar noch ihre Tochter finanziell unterstützen, die wegen
der Coronakrise ebenfalls in finanzielle Not geraten ist.
Giuseppe, 67, der
heute vor einem Pfandleiher in Neapel in der Schlange stand, sagte
gegenüber der La Repubblica: „Ich verpfände eine Halskette, sonst
kann ich nichts essen.“
„Die Regierung
wird sowieso nicht helfen“, fügte er hinzu.
Ein Mitarbeiter des
Pfandleihers Carige in Genua sagte, dass sie Anrufe von besorgten
Bürgern erhielten mit der Frage, wie ihr Kreditsystem funktioniert
und wie viel sie als Pfand hinterlegen können.
Eine andere Frau,
die anonym bleiben wollte, brachte einen Anhänger, der ihr „sehr
lieb und teuer ist“ zu Monte della Pieta, einem weiteren
Pfandleiher in Rom, wo sie mit Dutzenden weiteren in der Schlange
wartete, um einen Kostenvoranschlag für ihren Schmuck zu erhalten.
Ein Mann über
dreißig in Begleitung seiner Mutter sagte gegenüber Corriere: „Ich
habe seit zwei Monaten nicht mehr gearbeitet.“
„Ich war in einer
Bar angestellt, die erst vor wenigen Tagen wieder eröffnet wurde.
Meine [Mutter] hat eine Kette dabei, es ist eine Erinnerung an meinen
Vater. Ich weiß nicht, wo ich enden werde.“
Ein anderes Ehepaar
war in den Laden in Rom gekommen, um den Schmuck aus der Kommunion
ihrer Tochter anzubieten.
„Wir haben nicht
einmal mehr unseren Glauben“, kommentierte der Ehemann die Weggabe
des Schmucks.
Während der
landesweiten Quarantänezeit wurden in ganz Italien auch die
Pfandhäuser geschlossen, als die Quarantäne kürzlich aber wieder
gelockert wurde, da kamen die Kunden gleich scharenweise, um ihre
wenigen Habseligkeiten zu Geld zu machen.
Italien wurde sowohl
bei den Sterbezahlen, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht heftig
von der Pandemie heimgesucht und hatte bislang mit 30.000 Toten die
drittmeisten Opfer weltweit zu beklagen.
Nach neuesten
Schätzungen der Europäischen Union soll Italiens Staatsverschuldung
in diesem Jahr fast 160 Prozent des BIP erreichen, während die
Wirtschaft des Landes um fast ein Zehntel schrumpfen wird.
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