Macron mit dem stets jung und frisch wirkenden Obama (Bildschirmfoto) |
Der Präsident des an der afrikanischen Westküste gelegenen Ghanas heißt seit 2016 Nana Addo Dankwa Akufo-Addo. Es ist kein Verbrechen, den Namen nicht zu kennen, aber man sollte ihn sich vormerken, denn der Mann kann ganz offenbar etwas. Eine Kostprobe seiner mit Selbstbewusstsein unterfütterten Fähigkeiten zeigte er vor kurzem während eines Staatsbesuchs des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Was geplant war als das übliche Tete-a-Tete, wie man es von Pressekonferenzen der präsidialen Sorte kennt, wurde für Macron zu einer Lektion der anderen Art, als Addo in sein Dankeschön an das große Frankreich einen überaus eloquenten Rundumschlag gegen den herrschenden Zeitgeist packte und auf eine eigene Vision für Afrika im allgemeinen und sein Ghana im besonderen pochte.
Zur Einordnung: Macron besuchte Ghana bereits Ende 2017.
Es ist wirklich schade, dass die Rede bei uns so unbekannt blieb.
Addo – Macron 1:0; Das Transkript
Meines Erachtens gibt es beim Thema der Entwicklungshilfe ein fundamentales Missverständnis.
Die Grundlage für
politische Entscheidungen in unserem Land, unserer Region, unserem
Kontinent kann einfach nicht mehr länger die Frage sein, was uns die
westliche Welt, Frankreich oder die Europäische Union oder sonst
eine Hilfsebene an Unterstützung geben kann.
Es wird nicht
funktionieren. Es hat nie funktioniert und es wird nie funktionieren.
Unsere Verantwortung
besteht darin, einen Kurs einzulegen, der sich darum dreht, wie wir
unsere Länder selbst entwickeln können.
Es ist einfach nicht
gut für ein Land wie Ghana, heute 60 Jahre nach seiner
Unabhängigkeit, dass die Budgets für Bildung und Gesundheit noch
immer von der Großzügigkeit europäischer Steuerzahler abhängen.
Nach so einer langen Zeit sollten wir doch eigentlich in der Lage
sein, unsere Grundbedürfnisse selbst zu finanzieren.
Mit Blick auf die
kommenden 60 Jahre sollten sie zu einer Phase des Übergangs werden,
als eine Phase, in der wir lernen, auf unseren eigenen Füßen zu
stehen.
Unser Anspruch
sollte nicht darin liegen, das zu machen, was die französischen
Steuerzahler uns ermöglichen, oder von wo auch immer die Mittel von
dort herkommen.
Sie dürfen gerne
geben und wir sind dankbar für alle Maßnahmen, die Frankreich über
die Mittel seiner Steuerzahler für uns ergreift. Sie dürfen das
gerne weitermachen. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Nur, dieser
Kontinent, nach all dem, was passiert sein mag, verfügt noch immer
über 30% aller natürlichen Ressourcen auf der Welt.
Der Kontinent
verfügt über einen sehr weitläufigen fruchtbaren Boden. Er
beherbergt die jüngste Bevölkerung aller Kontinente auf der Welt.
Diese Energie und Dynamik können wir unmittelbar sehen. Es geht um
diese jungen Männer, die so viel Widerstandskraft und Ideenreichtum
zeigen bei der Überquerung der Sahara. Sie finden Wege, auf kaum
schwimmfähigen Booten das Mittelmeer zu überqueren.
Diese Energie, von
genau dieser Energie wollen wir, dass sie sich in unseren Ländern
entfaltet. Und diese Energien werden sich auch bei uns entfalten,
sobald wir mit der Entwicklung von Systemen beginnen, die den jungen
Menschen in unserem Land signalisieren, dass sich ihre Hoffnungen und
Träume genau hier bei uns wahr werden können.
Die Migration und
die Wanderung von Menschen werden hingestellt, als würde es sich
dabei um ein neues Phänomen handeln. Die Wahrheit aber ist, dass es
keineswegs neu ist. Die Wanderung von Menschen ist so alt wie die
Menschheit selbst und sie war immer schon verknüpft mit der gleichen
Ursache. Es ist die Abwesenheit von Möglichkeiten an dem Ort, an dem
man ist, weshalb man woanders hingehen muss.
Wem die Geschichte
Europas des 19. Jahrhunderts bekannt ist, der weiß, dass die größte
Migrationswelle im Europa des 19. Jahrhunderts oder ein großer Teil
davon aus Irland und Italien ausging. Welle um Welle und Generationen
von Italienern und Iren verließen ihre Länder, um sich auf in das
amerikanische Paradies zu machen. Teilweise war das, weil es in
Irland nicht funktioniert hat und auch weil es in Italien nicht
funktioniert hat.
Heute dagegen hört
man das von dort nicht. Junge Menschen in Italien bleiben in
Italien, junge Iren bleiben in Irland.
Wir wollen, dass
junge Afrikaner in Afrika bleiben.
Für uns bedeutet
es, dass wir wegkommen müssen von dieser Lebenseinstellung der
Abhängigkeit. Von diese Einstellung, die fragt, was Frankreich für
uns unternehmen kann. Frankreich wird das machen, was auch immer es
für sich selbst machen muss. Und wenn das zusammenfällt mit unseren
Interessen, dann gerne.
Unsere erste
Verantwortung aber als politische Führer und Bürger besteht in der
Frage, was wir unternehmen müssen, damit unere eigenen Länder zu
wachsen beginnen.
Wir benötigen
Institutionen, die uns eine gute Regierungsführung ermöglichen und
eine Regierung, die sich der Verantwortung stellen muss. Wir müssen
sicherstellen, dass die Gelder, die der politischen Führung zur
Verfügung stehen im Interesse des Landes eingesetzt werden und nicht
im Interesse der Politiker.
Wir brauchen
Systeme, die eine Rechenschaft ermöglichen, die eine Vielfalt
ermöglichen, damit die Menschen sich frei ausdrücken und einen
Beitrag leisten können. Denn nur so kann der Öffentlichkeit und dem
Interesse des Landes gedient werden.
Wir müssen uns die
Frage stellen, was wir in diesem 21. Jahrundert unternehmen müssen,
damit Afrika wegkommt von seiner unterwürfigen Bettelhaltung um
Hilfe, Wohltätigkeit und Geldzahlungen.
Bedenkt man den
Reichtum des afrikanischen Kontinents, dann müssten eigentlich wir
andere mit Geld unterstützen.
Wir haben
unglaublichen Wohlstand auf diesem Kontinent, selbst in Ghana ist das
der Fall. Wir müssen die Einstellung entwickeln, dass wir es
schaffen können.
Andere haben es
geschafft und daher können auch wir es schaffen. Wenn wir diese
Einstellung erst einmal entwickelt haben, dann werden wir merken,
dass es auch für uns befreiend wirken kann.
Eine große Frage
für uns ist, wie es die Koreaner, Malaysier und Singapurer schaffen
konnten, die ihre Unabhängigkeit zur selben Zeit wie wir erreichten.
Wir wissen, dass zur Zeit der Unabhängigkeit das pro-Kopf BIP in
Ghana höher war als jenes in Korea. Heute ist Korea Teil der Ersten
Welt. Selbiges gilt für Malaysia und Singapur.
Wie konnte das so
kommen?
Wie konnten sie
diesen Übergang erfolgreich meistern, während wir 60 Jahre nach
unserer Unabhängigkeit noch immer da sind, wo wir angefangen haben.
Das sind die Fragen,
die uns alle umtreiben sollten als Afrikaner und als Ghanaer.
Ich sage das mit dem
größten Respekt für den französischen Präsidenten. Die
Kooperation mit Frankreich ist großartig und wie Sie vielleicht
wissen bin ich ein großer Freund Frankreichs. Ich bin frankophil.
Ich habe da keine Berührungsängste.
Mir geht es hier
vielmehr um unseren Eigenantrieb. Um das, was wir unternehmen müssen,
damit unsere Länder endlich funktionieren. Damit wir jene
Bedingungen schaffen können, die unseren Jungen den gefährlichen
Versuch erspart, um nach Europa zu gelangen.
Wir müssen uns
darin im Klaren sein, dass die nicht alle dorthin gehen, weil sie
dorthin wollen. Sie gehen vielmehr dorthin, weil sie glauben, dass
sie in unseren eigenen Ländern keine Chance haben.
Genau das sollte
unser Fokus sein.
Ich bin überzeugt,
dass wenn wir es schaffen, diese Einstellung zu verändern, diese
Einstellung zur Abhängigkeit - diese Einstellung, die sich um Hilfe
und um Wohltätigkeit dreht - dann bin ich überzeugt, dass in den
kommenden Jahrzehnten ein fundamentaler Wandel bei den Völkern
Afrikas vonstatten gehen wird.
Dieser neue
Charakter für Afrika, um den es damals zur Zeit unserer
Unabhängigkeit ging,wird dann endlich Realität sein und greifbar
für alle.
Ich hoffe sehr, dass
ich den Fragesteller oder einige meiner anwesenden Freunde mit der
Antwort nicht beleidigt habe. Nur, dabei handelt es sich um
Ansichten, die für mich sehr wichtig sind. Das ist auch der Grund,
weshalb ich als Motto für meine Präsidentschaft über Ghana gewählt
habe, dass wir ein Ghana jenseits der Hilfe erschaffen wollen. Ein
Ghana, das wahrhaftig unabhängig ist und sich selbst versorgen kann,
das auf seinen eigenen Füßen stehen kann und in der Lage ist, sein
eigenes Leben zu führen.
Wir können das
schaffen, wenn wir nur erst einmal die richtige Einstellung dafür
haben.
Herr Präsident, das
war mein Beitrag...
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