Game of Thrones (Bildquelle) |
Lange war unklar, was Erdogan genau bezweckt mit dem intensiven Eingreifen in Syrien, nachdem er mit Assad brach. Die EU erpressen und Geld abgreifen stand sicherlich auf der Liste und manche vermuteten islamistische Armeen, die in Europa einsickern und auf den Befehl des Sultans hören. In erster Linie scheint Erdogan mit dem Bürgerkrieg in Syrien aber endgültig die kurdische Unabhängigkeitsbewegung zerstören zu wollen. Sollte er seinen Plan mit den Flüchtlingsstädten nämlich verwirklichen können, dann wird Kurdistan bald kein einheitliches Gebiet mehr sein, sondern für immer zerschnitten aufgrund der millionenfachen Neuansiedelung von Arabern.
Almasdar News: Erdogan schlägt bei Friedensgesprächen die Gründung einer „Flüchtlingsstadt“ in Syrien vor
Der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte nach dem ersten Treffen
anlässlich von Friedensgesprächen in Ankara an, dass sein Land es
nicht zulassen würde, dass sich Terroristen in dem an der Grenze zu
Syrien geschaffenen Gebiet festsetzen können und forderte im
Gegenzug, dass die Region in eine Flüchtlingsstadt umgewandelt
werden sollte.
„Für die
Flüchtlinge dort (an der syrischen Grenze) ist es notwendig eine
Stadt zu schaffen, in der sie an der Landwirtschaft teilnehmen
können. Ich habe meinen Kollegen erklärt, dass es notwendig ist,
eine Infrastruktur für sie aufzubauen. Es ist notwendig, die Bildung
eines terroristischen Korridors zu verhindern“, sagte der türkische
Präsident nach Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin und dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani am Montag in
Ankara.
Der Dreiergipfel der
Garanten des Astana-Prozesses (Russland, Türkei und Iran), bei dem
es um die vorgeschlagene Flüchtlingsstadt geht wurde am Montag in
der türkischen Hauptstadt ausgerichtet.
Während der Sitzung
am vereinbarten die drei Präsidenten die Einsetzung eines
Verfassungsausschusses zur Beilegung künftiger politischer
Streitigkeiten.
Darüber hinaus
diskutierten die drei über die Zukunft des Idlib Governorates,
allerdings wurden keine offizielle Vereinbarungen zur Lösung ihrer
Differenzen getroffen.
Wo wäre diese Flüchtlingsstadt und was hätte sie für die Kurden zur Folge?
Die Türkei greift
seit langem schon immer wieder in Nordsyrien ein, um dort Stellungen
der kurdischen PKK auszuheben, deren Ziel es ist, den kurdisch
geprägten Osten der Türkei zu einem Teil eines kurdischen Staates
zu machen. Im Zuge des Syrischen Bürgerkriegs konnten sich kurdische
Kämpfer aufgrund ihrer Kampferfahrung und mit Unterstützung von
außen zunächst im Norden festsetzen. Sie gründeten mit „Rojava“
ihren eigenes Staatswesen, das genossenschaftlich organisiert werden
sollte, aber weder von Syrien, noch den Islamisten und erst recht
nicht der Türkei anerkannt wurde.
Das linke Rojava für syrische Kurden (Bildquelle) |
Nachdem die
Islamisten mit dem russischen Eingreifen in Syrien geschlagen werden
konnten und sie auch im Norden kaum etwas gegen die Kurden ausrichten
konnten rückte die Türkei schließlich in Syrien ein und errichtete
eine
781 Kilometer lange Grenzmauer, um das gesamte Grenzgebiet zu
Syrien zu sichern.
Erdogan beim Assimilieren (Bildquelle) |
Jenseits der
Grenzmauer kontrolliert die Türkei heute innerhalb Syriens einen 30
Kilometer breiten Streifen entlang der gesamten Grenze. Kein Zufall ist es, dass die
türkische Sicherheitszone quasi deckungsgleich ist Rojava als dem
kurdischen Versuch einer Staatsgründung im Vakuum des Bürgerkriegs. Es ist stark
anzunehmen, dass Erdogan die genau dort die Flüchtlingsstadt
errichten will.
Sollte sich Erdogan
durchsetzen können, dann würde die kurdische Bevölkerung von
geschätzt 4,6 Millionen Personen stark verdünnt werden durch
die Millionen an syrischen Flüchtlingen, bei denen es sich
mehrheitlich um Araber handelt und in den seltensten Fällen um
Kurden, da diese eher in Richtung der autonomen Kurdenregion im Irak
geflohen sind. Alleine in der Türkei sollen sich derzeit weit über drei
Millionen syrische Flüchtlinge aufhalten, wobei nach offiziellen
Angaben insgesamt mehr
als fünf Millionen Syrer außerhalb des Landes vertrieben worden
sein sollen.
Da die Türkei
aktuell die große Mehrheit der vertrieben Syrer beheimatet lässt
sich annehmen, dass die türkische Regierung ein starkes Druckmittel
hat, um den Plan umzusetzen und die Personen dort anzusiedeln. Denn alternativ könnte die
Türkei die Flüchtlinge wie angedroht auch in Richtung Europa
schicken. Das will außer Merkel wahrscheinlich niemand. Sollte sich Erdogan durchsetzen, dann wären die Kurden
Rojavas bald schon in der Minderheit und würden sich in einem Gebiet
wiederfinden, in denen ihre nationalen Interessen kaum noch Gehör
oder eine Rolle spielen würden.
Aus geostrategischer
Perspektive könnte die Türkei damit mehrere Probleme lösen im
Zusammenhang mit ihrem Kurdenproblem. Einmal würden kurdische
Rebellen ihr strategisches Rückzugsgebiet verlieren, da die Türkei
sich langfristig in dem Gebiet festsetzen würde. Es bliebe nur noch
der Irak übrig, wobei fraglich ist, ob die kurdische Autonomieregion
des Irak es begrüßen würde, falls die PKK sich dort versucht
festzusetzen.
Zweitens würde ein
gutes Stück des kurdischen Kernlandes für immer verschwinden und der Rest auf syrischem Territorium unwiederbringbar zerschnitten. Aufgrund der auch im Nordirak weiterhin
angespannten Lage ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass die Türkei die
Gunst der Stunde nutzt und auch die Grenze zum Irak mit einer
ähnlichen Pufferzone ausstattet. Das würde vor allem dann
geschehen, falls sich die PKK bei einem Verlust von Rojava in das
nicht-kurdische Gebiet im Nordirak zurückzieht.
Kurdistan würde mittig zerschnitten (Bildquelle) |
Das Endspiel für
die Türkei könnte dergestalt sein, als dass sie über den Winkelzug
mit den arabischen Flüchtlingsstädten entlang ihrer Südgrenze das
kurdische Kerngebiet für immer zerschneiden könnte. Während die
Kurden südlich und östlich davon weiterhin in ihren Gebieten
mehrheitlich halten könnten, würde sich für den türkischen Staat die Möglichkeit einer erfolgreichen Assimilationspolitik öffnen, nun da der deren strategischer Rückraum jenseits der Grenze
gebrochen ist. Aber auch ohne eine weitere dezidierte Assimilierung bestünde die Folge in einer kulturellen
Trennung zwischen türkischen Kurden und den Kurden südlich der
Sicherheitszone mit den Flüchtlingsstädten.
Erdogans Plan, wie er sich mit dem Vorschlag für eine Flüchtlingsstadt entlang der Grenze manifestiert, erinnert stark an das, was Hitler mit dem polnischen Generalgouvernement vorhatte. „Assimilation ist
ein Verbrechen,“ meinte Erdogan einst über die verweigerte
Anpassung von Türken in Deutschland. Für Kurden gelten offenbar
andere Regeln.
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