Ein unerwartetes Pärchen: FDR & Trump (Bildquelle 1,2) |
Präsident Trumps teils unvorhersehbaren außenpolitischen Manöver werden zumeist mit Inkompetenz und charakterlicher Sprunghaftigkeit bezeichnet. Beispiele für unerwartete Entscheidungen und Revisionen gibt es einige, darunter der Beinaheangriff auf den Iran oder zahlreiche Drohungen für Einfuhrzölle, die dann doch nicht kamen. Das könnte man als die gefährliche Taktik eines Immobilienmaklers bezeichnen, der ohne es zu merken mit der Welt spielt. Aber es scheint da noch eine Ebene zu geben in Trumps Außenpolitik, die dem roten Faden eines alten Konzepts für eine globale Friedensordnung zu folgen scheint.
Strategic Culture Foundation: Trumps Beziehungen zu Russland und China: Will er die für die Nachkriegswelt Henry-Wallace-Doktrin wiederbeleben?
Im Laufe des G20
Treffens wurden wichtige Vereinbarungen und Allianzen zwischen
Russland-China und den USA getroffen, die darauf hindeuten, dass
Präsident Trump nicht „nur noch ein Neokonservativer“ ist wie
einige seiner zynischen Kritiker bisweilen behaupten, sondern
tatsächlich daran arbeitet, die Vereinigten Staaten in ein
strategisches Bündnis mit den eurasischen Supermächten zu
manövrieren. Angedeutet wird dies mit seiner angekündigten
Aufhebung des Kooperationsverbots mit Huawei für amerikanische
Unternehmen, seinem Versprechen, die geplanten 300 Milliarden Dollar
an Zöllen gegen chinesische Waren zu streichen, seiner Aufhebung der
Sanktionen gegen die Türkei für den Kauf des russischen
Verteidigungssystems S400 (was einen großen Teil des
NATO-ABM-Schildes 0gegen Russland impotent macht) und ganz zu
schweigen von dem historischen Besuch des Präsidenten in der
entmilitarisierten Zone Nordkoreas, um sich dort mit Kim Jong-un zu
treffen.
Obwohl nicht direkt
auf der Veranstaltung diskutiert war der Zusammenbruch des
transatlantischen Bankensystems, das jetzt mit über 700 Billionen
Dollar an Derivaten aus allen Nähten platzt, sowie die Blase der
Unternehmensschulden, vor der die Bank für internationalen
Zahlungsausgleich warnt und der drohende neuerliche Zusammenbruch des
Marktes für faule Kredite sicherlich in aller Munde. Ob die USA
bereit wären, sich im Einklang mit dem neuen System der chinesischen
Belt and Road Initiative neu zu aufzustellen wiederum war eine Frage,
die quasi omnipräsent über allem schwebte.
Auch
einige Kommentatoren versuchen, diese sich abzeichnende
Neuorientierung in globalen Angelegenheiten als einen bloßen „Trick
zur Wiederwahl“ hinzustellen, so gehen die bereits vollzogenen
Schritte viel weiter als viele erkennen, da Trump eine amerikanische
Strategie wieder aufzunehmen scheint, die während der
Präsidentschaftszeit von Franklin Roosevelt (FDR) von seinem loyalen
Mitarbeiter Henry Wallace erdacht wurde. Dieser plante einen großen
Entwurf für eine neue Weltordnung zwischen den USA und Russland und
China, deren Prinzipien auf der Atlantik Charta beruhen, und die er
in seiner Rede „Century of the Common Man“ [in etwa „Das
Jahrhundert des einfachen Mannes“] von 1942 zum Ausdruck brachte.
Wallaces Kampf für eine gerechte Weltordnung
Während seiner
Tätigkeit als Vizepräsident für FDR schrieb Wallace in seinem 1944
erschienenen Buch „Our Job in the Pacific“:
„Friedliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen China und Russland, China und Amerika sowie Russland und Amerika sind wichtig für die Vereinigten Staaten, sie sind wichtig für China und sie sind wichtig für Russland. China und Russland ergänzen sich auf dem asiatischen Kontinent, und beide gemeinsam ergänzen die Position Amerikas im Pazifik.“
In einem 1944
erschienenen Artikel mit dem Titel „Two Peoples-One Friendship“
(Survey Graphic Magazine) [„Zwei Völker – eine Freundschaft“]
beschrieb Wallace das Schicksal der USA und Russlands als eine auf
Gegenseitigkeit beruhende Entwicklung der Arktis inklusive einer
direkten Verkehrsanbindung über die Beringstraße:
„Russland hat von allen Nationen die stärkste Kombination aus einer schnell wachsenden Bevölkerung, großen natürlichen Ressourcen und einer rapiden Entwicklung seiner technologischen Fähigkeiten. Sibirien und China werden bald schon die größte Front ins Unbekannte darstellen... Als Molotow [der russische Außenminister] im Frühjahr 1942 in Washington war, da sprach ich mit ihm über eine kombinierte Verbindung aus einer Auto- und Luftstraße, von der ich hoffe, dass sie eines Tages Chicago und Moskau über Kanada, Alaska und Sibirien verbinden wird. Nachdem er feststellte, dass keine Nation diese Aufgabe allein bewältigen konnte sagte Molotov, dass er und ich den Tag ihrer Verwirklichung noch erleben würden. Es würde dem Frieden der Zukunft viel bedeuten, wenn es einen solchen konkreten Zusammenhang zwischen dem Pioniergeist unseres eigenen Westens und demselben Pioniergeist des russischen Ostens gäbe.“
Wallace drückte
damit eine Art langfristiges Denken und Sensibilität für die
asiatische Psyche aus, die von Westlern selten gesehen wird und
schrieb:
„Asien ist in Bewegung. Asien misstraut Europa, weil es an einem ‚Überlegenheitskomplexes‘ leidet. Wir müssen Asien deshalb Grund geben, uns zu vertrauen. Wir müssen Russland und China gegenüber insbesondere demonstrieren, dass wir an die Zukunft des einfachen Mannes in diesen beiden Ländern glauben. Wir können sowohl für China als auch für Russland hilfreich sein, und wenn wir ihnen gegenüber hilfreich sind, dann wird für uns selbst und für unsere Kinder ebenso hilfreich sein. Bei der Planung unserer heutigen Beziehungen zu Russland und China müssen wir uns stets die Weltsituation in vierzig Jahren vorstellen.“
Was ist schief gegangen?
Mit dem frühen Tod
von Franklin Roosevelt im April 1945 übernahmen Wall Street Lakaien
(viele von ihnen Anhänger
von Fabian und Rhodes) die staatlichen Geschicke, da sie so gut
eingebettet waren in die amerikanische Bürokratie, dass sie unter
der Präsidentschaft von Harry Truman schnell die Macht übernehmen
konnten. Wallace wurde in dieser Übernahmephase zum Handelsminister
degradiert, dazu wurden die mit Bretton Woods geschaffenen
Institutionen wie der IWF und die Weltbank gesäubert von allen
Ökonomen, die dem Ideal des New Deal anhingen, und die der
Wallace-FDR-Vision für die Nachkriegswelt treu geblieben waren. Dies
geschah durch die Schaffung eines faschistischen Polizeistaates, der
unter der Kontrolle von Hoovers FBI und McCarthys House Committee on
Un-American Activities stand [„Repräsentantenhauskomitee für
unamerikanische Aktivitäten]“, das sich für die Hexenjagd
verantwortlich zeichnete und die das Leben unzähliger Patrioten
zerstörte, indem sie diese als „Sowjetagenten“ brandmarkten. Das
Sicherheitsgesetz von 1947 berief sich dabei auf die
Executivanweisung 9835, mit der jemand aus dem Staatsdienst
entlassen werden konnte, wenn „vernünftige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Person illoyal ist“.
Ein frühes Opfer
der Hexenjagd war Harry Dexter White, der erste Direktor des IWF, dem
vorgeworfen wurde, ein sowjetischer Spion zu sein, und der 1948 nach
einer McCarthy Anhörung starb. Wall Street Agenten wie John J.
McCloy, Averell Harriman und George Keenan übernahmen schnell die
Kontrolle über diese Banken und pervertierten sie zu Instrumenten
für eine neokoloniale Versklavung der Welt, die nichts mehr gemein
hatte mit dem ursprünglichen Ziel der Vergabe langfristiger
produktiver Kredite.
Trumans sofortiger
Kampf gegen Russland führte dazu, dass Russland 1944 seine 1,2
Milliarden Dollar schwere Einlage für den Beitritt zur Weltbank
zurückzog, während Churchills Rede zum Eisernen Vorhang die
bipolare Dynamik verankerte, in deren Folge als Grundpfeiler der
Nachkriegsordnung die sichere gegenseitige Zerstörung mit Atomwaffen
installiert wurde. Als Präsident Truman mit der „Truman Doktrin“
die Verstrickungen der USA im Ausland entfesselte, mit der im gerade
ausgebrochenen Kalten Krieg die russische Expansion eingedämmt
werden sollte, und die mit Amerikas Verwicklung in den von London im
Frühjahr 1947 inszenierten Griechenland-/Türkei-Konflikt, sagte
Churchill in Fulton Missouri:
„Weder die sichere Verhinderung von Kriegen, noch die kontinuierliche Entstehung einer globalen Ordnung kann ohne das, was ich die brüderliche Vereinigung der englischsprachigen Völker nenne, erreicht werden. Das bedeutet eine besondere Beziehung zwischen dem British Commonwealth and Empire und den Vereinigten Staaten.“
Die Truman Doktrin
und die besondere Beziehung stellten die totale Umkehrung einer
Politik der „Gemeinschaft basierend auf Prinzipen“ dar, mit der
„ausländische Verstrickungen“ verhindert werden sollten, und wie
sie von George Washington, John Quincy Adams befürwortet und von FDR
und Wallace übernommen wurde.
Wallace kämpft sich zurück
Bevor Wallace 1946
auch von seinem Posten als Handelsminister entlassen wurde, weil er
in einer Rede zur Freundschaft zwischen den USA und Russland
aufgerufen hatte, warnte
er vor der Entstehung eines neuen „amerikanischen Faschismus“,
der in den letzten Jahren als Tiefer Staat bekannt geworden ist:
„Der Faschismus in der Nachkriegszeit wird unweigerlich stetig auf den angelsächsischen Imperialismus und schließlich auf den Krieg mit Russland drängen. Schon jetzt sprechen und schreiben amerikanische Faschisten über diesen Konflikt und benutzen ihn als Entschuldigung für ihren inneren Hass und ihre Intoleranz gegenüber bestimmten Rassen, Glaubensrichtungen und Klassen."
Während seiner
sowjetisch-asiatischen Reise 1946 sagte Wallace:
„Da ist das Blut unserer Kinder auf dem Schlachtfeld kaum trocken und schon versuchen diese Friedensfeinde, den Grundstein für den Dritten Weltkrieg zu legen. Diese Menschen dürfen in ihrem schmutzigen Unternehmen nicht erfolgreich sein. Wir müssen ihr Gift ausgleichen, indem wir die Politik von Roosevelt befolgen, indem wir die Freundschaft Russlands sowohl im Frieden als auch im Krieg pflegen.“
Henry Wallace
verschwand jedoch nicht, wie es sich seine Feinde gewünscht hätten,
vielmehr kandidierte
er für eine Drittpartei für die Präsidentschaft 1948, die
damals die Unterstützung führender Patrioten und Künstler erhielt,
nicht zuletzt des afroamerikanischen Aktivisten und Sängers Paul
Robeson, einem der Wegbereiter für die Bürgerrechtsbewegung von
Martin Luther King. Die Reden zur Kandidatur von Wallace sind ein
bewegender Aufruf zum Handeln, der die heutige Generation aufklären
und inspirieren könnte. Seine Worte sind eine tragische Erinnerung
daran, dass es vom amerikanischen Volk, das gerade heldenhaft so viel
gegeben hat, um im Zuge des Zweiten Weltkrieges eine globale
faschistische Bewegung zu stoppen, es doch versäumte, die Entstehung
eines neuen Faschismus in Amerika selbst zu stoppen, indem es sich
nicht für Wallace entschied, als sie die Chance dazu hatten.
Eine letzte Chance?
Obwohl John F.
Kennedy versuchte, während seiner dreijährigen Amtszeit den Geist
von FDR wiederzubeleben, so sabotierte seine frühe Ermordung
(gefolgt von den Morden an seinem Bruder, an Martin Luther King und
Malcolm X) das Wiedererwachen des wahren konstitutionellen Amerika.
Jahrzehnte nach den
Attentaten der 1960er Jahre kann vielen nicht vorgeworfen werden,
dass sie geglaubt haben, dass alle Hoffnung auf Amerika verloren
gegangen ist. Doch trotz dieses Unglaubens haben wir einen
US-Präsidenten, der sich nun im Krieg mit den gleichen Strukturen
wiederfindet, wie wir sie als Tiefen Staat kennen und die sich
infolge von FDRs Tod die Macht sichern konnten. Gegen deren
Interessen trifft sich Trump nun nicht nur mit den Staatsführungen
Russlands, Chinas und Indiens, vielmehr fordert er auch gute
Beziehungen und ein Ende des Kriegszeitalters.
Heute lebt die Idee
der großen Infrastrukturprogramme, die damals unter FDR und Wallace
mit dem New Deal vergeben wurden weiter in Chinas Belt and Road
Initiative. In gewisser Weise wurden Russland und China dadurch
amerikanischer, als es Amerika selbst ist, das in den letzten fünfzig
Jahren die Welt mit Füßen getreten hat. Ob der Traum von Wallace
einer US-Russland-China-Allianz für eine neue gerechte
Wirtschaftsordnung nun aber endlich wiederbelebt wird, ob es gar
eintreten wird oder nicht, steht weiter in den Sternen.
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