Über den Goldstandard in einer multipolaren Welt


Putin hat sich seine 1-Mrd-$-Villa in Sotschi redlich verdient (Bildquelle)

Während westliche Länder wie Kanada vor nicht allzu langer Zeit die letzte Unze Gold auf den Markt warfen, sammeln andere nicht-westliche Länder wie Russland und China die Unzen emsig ein wie Eichhörnchen. Das hat einen Grund und dieser heißt Goldstandard in einer multipolaren Welt. Die große Frage ist, wann es so weit sein wird, wer heute schon am besten dasteht und wie hoch der Preis für Gold steigen könnte. Tom Luongo gibt in seiner Analyse einen Hinweis auf die Antworten.




Tom Luongo: Wird die multipolare Welt auf dem Gold basieren?




Es ist keine Neuigkeit, dass China und Russland Hunderte Tonnen Gold gekauft haben. Es ist nicht neu, dass Russland im vergangenen Jahr die meisten seiner US-Anleihen verkauft hat als Reaktion auf die Sanktionen der USA gegen den russischen Aluminiumriesen Rusal, was den Weltmarkt für Aluminium erschütterte.

Die russische Zentralbank ist führend im Bereich der Goldkäufe, wobei es seine offiziellen Bestände von 400,3 Tonnen im ersten Quartal 2007 auf 2.168,3 Tonnen zum Ende des ersten Quartals 2019 erhöhen konnte. Das entspricht einer Steigerung der Goldreserven um 442%.

China hingegen hat sich dem russischen Vorgehen erst in den letzten Jahren angeschlossen und kündigt seine Goldkäufe jeden Monat an. In früheren Zeiten warf China einfach eine 500-600-Tonnen-Bombe auf die Märkte und beobachtete, wie der Markt reagieren würde.

Es gibt nur wenige Beobachter der Szene, die tatsächlich davon ausgehen, dass Chinas Regierung nur 1.916,3 Tonnen Gold besitzt. Die Schätzungen für die realen Reserven reichen von 4.000 bis 6.000 Tonnen. Nicht anders als im Fall von Russland verlässt nur sehr wenig Gold aus der chinesischen Produktion das Land – 2018 waren wurden 404 Tonnen produziert – um auf dem Weltmarkt gehandelt zu werden.

Das meiste der heimischen Produktion wird von der chinesischen Bevölkerung hauptsächlich über Käufe an der Shanghai Goldbörse (SGE) vom Markt genommen. Die chinesische Zentralbank PBoC selbst nutzt wiederum chinesische Geschäftsbanken als Mittelsmänner, wenn sie in Großbritannien, Singapur oder der Schweiz Gold einkauft.

Russlands interner Goldmarkt auf der anderen Seite absorbiert den größten Teil und manchmal auch das gesamte in Russland produzierte Gold, wobei 2017 insgesamt 297 Tonnen gefördert wurden. Nicht anders sieht es aus in Kasachstan (68,4 Tonnen) und einigen weiteren Ländern.

Schwer ist es angesichts dieser Trends nicht, sich auszumalen, dass etwas Großes hinter dem Horizont lauert, und Gold kurz vor einer Rückkehr als Währung stehen könnte, uns also umfassende Veränderungen im Weltfinanzsystem bevorsteht. Noch hat sich die multipolare Welt materialisiert. Weit entfernt ist sie allerdings nicht mehr.



China und die USA müssen nicht zu Erzfeinden werden



The Duran veröffentlichte kürzlich ein faszinierendes Video, in dem sie die die sich abzeichnenden Implikationen zwischen den USA und China diskutieren.

Ihre Grundthese darin besteht darin, dass die USA und China in den kommenden Jahren ohne größere Friktionen die Verflechtungen zwischen ihren beiden Volkswirtschaften auflösen werden, sie werden sozusagen eine Entwirrung vornehmen. Dieser Prozess, so ihr Argument, wird der so genannten multipolaren Welt den Weg bereiten, auf die sowohl der russische Präsident Wladimir Putin, als auch Chinas Xi Jinping hinarbeiten.

In diesem Punkt bin ich nicht anderer Meinung. Alex Mercouris macht hier ein gutes Argument, wenn er sagt, dass die USA und China sich zwar gegenseitig ihre wachsende Konkurrenz in der Weltwirtschaft anerkennen, es gleichzeitig aber keine zwingende Notwendigkeit gibt für ein rein antagonistisches Gegenüber.

Es gibt für die USA keinen Grund, dass sie ihren unipolaren Moment dauerhaft verlängern sollten, um schließlich diesen „Krieg“ mit China um die wirtschaftliche Vorherrschaft zu gewinnen. Diese Vorstellung wäre ein rein globalistisches Denken, ein Maximalismus ex ultimo.

Die Alternative besteht darin, dass sich die USA und China eben strategisch voneinander lösen und gleichzeitig verschiedene Wege für ihre Zukunft beschreiten. Es handelt sich dabei letztlich um die Essenz des Satzes „multipolar“. Sollte Trump in dieser Hinsicht vergleichbar denken, dann wäre es in der Tat eine deutliche Verbesserung gegenüber der globalistischen Davos-Perspektive, die so stark im europäischen Denken verwurzelt ist, dass sie keinen Widerspruch zur Fortführung ihres Kurses erwartet oder duldet.

Bei einer deratigen Multipolarisierung durch die Entwirrung zwischen den USA und China handelt es sich weder um ein optimales noch um ein wahrscheinliches Erfolgsszenario, wird aber der richtige Ton getroffen, dann könnten künftige Entwicklungen in positiver Weise beeinflusst werden. Voraussetzung dafür wäre die Wiederwahl von Trump eine Wiederwahl gewinnen und er müsste dafür erst triumphieren über den Sumpf, in dessen Mitte Jeffrey Epstein sitzt.



Das Problem mit einer Neuauflage von Bretton-Woods und staatlichen Goldstandards allgemein



Allerdings denke ich - und das ist der zentrale Punkt mit Goldbezug - dass eine Bretton-Woods artige Weltordnung mit einem Goldstandard für Russland und China nicht praktikabel sein wird.

Es gibt eine Reihe von Gründen dafür von denen ich als den wichtigsten erachte, dass Bretton-Woods de facto überhaupt nicht funktioniert hat. Im genauen mangelte es an der Disziplin durch die USA als dem Land, das die Reservewährung stellte. Mehr oder weniger von Beginn an hat das Land gegen die festgelegte Goldbindung von 35$ pro Unze verstoßen.

Zuerst erfolgte die Lockerung der Bindung über den Verkauf der meisten Silberreserven, während danach ab den Präsidenten Johnson und Nixon übergegangen wurde zum direkten Durcken von Dollarnoten. Die Annahme daher, wonach Russland und/oder China als künftige Reserveländer einer Goldwährung die notwendige Haushaltsdisziplin an den Tag legen würden als Grundbedingung für das Funktionieren eines neuen Bretton-Woods, ist völlig illusorisch.

Dieser Einwand gehört zum Grundbaukasten libertärer Staatskritik. Wenn die USA ihre Griffel nicht von der Staatskasse lassen konnten, warum sollte es dann ein Russland post Putin machen? Und da habe ich die Blase der chinesischen Schattenbanken noch gar nicht angesprochen.

Darüber hinaus verfügen die USA und die EU noch über ihre eigenen Goldreserven, auch wenn diese Reserven zur Goldpreisdrückung teilweise oder gar ganz verliehen wurden. Ich denke, dass diese Praxis weitgehend eingestellt wurde, seitdem China die Goldbörse von Shanghai eröffnet hat und Russland ernsthaft damit begann, seine Reserven aufzustocken.

Wäre der Goldverleih allerdings sofort eingestellt worden, dann hätte sich der Goldpreis explosionsartig nach oben bewegt, da es um Tausende von Tonnen ging, um die Bilanzpositionen der Zentralbanken auszugleichen. Stattdessen haben die USA wie auch die EU wahrscheinlich sukzessiv ihre Verkaufspositionen abgebaut, ein Prozess, der es ermöglichte, dass mehrere Jahresproduktion des Edelmetalls nach Osten fließen konnten.

Und das ist das grundlegende Problem eines staatlich gesicherten Goldstandards: Er würde nicht von Dauer sein. Staaten neigen stets zu Marktinterventionen, die sie dann über das Drucken von Geld oder die Aufnahme von Schulden finanzieren. Beides untergräbt den Glauben an die für einen dauerhaften Goldstandard notwendige Disziplin.



Goldreserven im Vergleich – sind die multipolaren Kräfte stark genug?



Die Kluft zwischen den Absichten Chinas und Russlands für die Schaffung eines multipolaren globalen Finanzsystems zwischen Ost und West und der Wiedererrichtung eines stabilen, goldbasierten Währungsregimes ist gänzlich unüberbrückbar.

Dazu sollte man sich auch darüber im Klaren sein, wem wieviel Gold gehört. Auf der westlichen Seite der Welt hätten wir die USA, die EU, die BIZ, den IWF und die Golfstaaten.

Auf der anderen Seite haben wir die Zentralbanken im russisch-chinesischen Orbit, die derzeit Gold anhäufen, oder die dabei sind zu unabhängigen Akteuren auf der Weltbühne zu werden. In den letzten zwanzig Jahren ist die Anzahl der relevanten Akteure zwar gewachsen, aber man kann sie noch immer klar abzählen: Russland, China, Indien, Iran, Irak, Türkei, Katar, Weißrussland, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan, Kasachstan, Thailand, Malaysia, Serbien und Brasilien.

Betrachtet man die Zahlen des Weltgoldrates für das erste Quartal 2019, dann erhält man die folgenden Zahlen: Der östliche Block mitsamt seinen Satelliten verfügt über etwas mehr als 7.000 Tonnen Gold. Dabei ist beeindruckend festzustellen, dass ihre Reserven alleine in den letzten sechs Jahren mehr als 3.000 Tonnen gewachsen sind.

Im Direktvergleich sind das jedoch noch immer weniger als die 8.133,5 Tonnen der USA, geschweige denn die mehr als 10.000 Tonnen in den Tresoren des Euro-Währungsraums. Oben drauf kommen noch 2.814 Tonnen, die der IWF direkt hält, die 504 Tonnen bei der EZB, sowie weitere 102 Tonnen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

Jede Diskussion darüber, ob dieser östliche Block es schaffen könnte, den Reservestatus des US-amerikanischen und europäischen Systems in Frage abzulösen, müsste daher mit der Erkenntnis enden, dass China und Russland dafür noch einmal mindestens 6.000 Tonnen Gold bräuchten, die ihnen zumindest in ihren offiziellen Reserven fehlen. Erst dann, wenn sie auch offiziell gleichziehen mit den westlichen Reserven würde ein Regimewechsel in realistische Reichweite kommen.



Die Sieger- und Verliererländer mit einer globalen Goldwährung



Für eine Abschätzung darüber, wie ein Goldstandard sich auf die USA und andere Länder auswirken würde, eignen sich die Zahlen zur M1 Geldmenge.

Trotz aller Unkenrufe über den bevorstehenden Konkurs der USA decken die Goldreserven zu laufenden Preisen noch immer 9,6% der M1 Umlaufmenge ab (1.415 Dollar pro Unze). Zum Vergleich, Chinas offizielle Goldreserven decken nur 1,0% seiner M1 Menge ab. Und selbst wenn man das obere Ende dessen nimmt, was China tatsächlich an Gold in seinen Tresoren hat, sind wird der M1 Umlauf noch immer noch nur zu 3,3% gedeckt.

Und sogar unter Einbezug der geschätzten 16.000 Tonnen, die in China privat gehalten werden wäre die M1 Menge noch immer lediglich zu 12,2% von Gold gedeckt.

Russland ist das Land, wo die Bedingungen für eine Goldwährung am ehesten vorherrschen. Mit den offiziellen Goldreserven Russlands könnte die M1 Geldmenge des Landes zu 84% gedeckt werden.



Russland, das Musterland libertären Wirtschaftens



Der russische Wert ist eine überaus auffällige Zahl, die unmissverständlich klar macht, wie sehr Russland in den letzten fünfzehn Jahren gespart hat. Das Land hat unter Putin das gemacht, was in der Österreichischen Schule als Voraussetzung für Investitionen höherer Ordnung erachtet wird.

Russland ist heute in der Position, um einen beträchtlichen Teil seines Handelsüberschusses und sogar einen Teil seiner Goldreserven für den Aufbau einer neuen und dringend benötigten Infrastruktur im Land einzusetzen. Putin erwähnte in seiner jährlichen Ansprache vor der Nationalversammlung, dass er bereit sei, einen Teil der russischen Öleinnahmen auszugeben, was zeigt, dass er sich vom neoliberalen und monetaristischen Alexej Kudrin entfernt und immer mehr in Richtung des Nationalisten/Keynesianers Sergej Glasjew tendiert.

Angesichts des soliden Zustands der russischen Finanzen und des Handelsüberschusses von über 10 Milliarden Dollar pro Monat ist ein solches Vorhaben keine wirkliche Herausforderung. Es ist nichts weniger als Russlands Investition in die multipolare Welt.

Es markiert auch eine spezifische Änderung in der Haltung, wonach China beim Bau seines Belt and Road Projekts unterstützen wird, gleichzeitig aber nichts unternommen wird, was in Richtung der Rückkehr zu einem Goldstandard gehen würde, zumindest so lange nicht, bis China seine Finanzen ordnen konnte.



Warten, bis das Papiergeldkartenhaus von selbst zusammenbricht



Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bretton-Woods am selben scheiterte, an dem auch das britische Pfund nach dem Ersten Weltkrieg scheiterte. Es war die opportunistische Weigerung der Verantwortlichen in der Politik, die Märkte den wahren Preis von Gold bestimmen zu lassen, da sie lieber Geld druckten. Hätte Großbritannien im Jahr 1918 das Pfund neu bewertet und die Geldmenge damals angepasst an die Preismenge des Goldes, das Empire hätte vermutlich noch eine ganze Weile existiert. Mit dem falschen Vorgehen aber wurde die britische Nachkriegswirtschaft nachhaltig geschädigt.

Nichts anderes können wir heute beobachten. Die USA werden entweder zulassen müssen, dass die Welt 50-90% seines Vermögens verlieren wird, oder aber der Goldpreis muss steigen, so dass die Umlaufmenge des Geldes sich anpassen kann an den Wert des Goldes.

Mit den oben dargelegten Zahlen hat nun jeder eine Vorstellung darüber, wie viel höher bepreist das Gold eigentlich sein müsste, um die Bilanzen auf der Welt wieder auszugleichen. Außer den Russen ist in den Machtstuben der Welt weit und breit niemand zu sehen, der sich auf diese Art von Korrektur vorbereitet. Die allermeisten reagieren ganz einfach deshalb nicht, weil es für sie keinen Anreiz gibt, Gold als Geld zirkulieren zu lassen und der Anreiz noch viel geringer ist, die für einen Goldstandard notwendige Haushaltsdisziplin an den Tag zu legen.

Die Goldankäufe von China wie auch Russland und dem Rest des östlichen Blocks haben zum Ziel, das Vertrauen in der Welt für jenen Tag aufzubauen, an dem das Vertrauen in das westliche System versagt. Mit großen, nicht konvertiblen Goldreserven werden es diese Länder sein, wo das Kapital hinfließen wird, um den globalen Finanzsturm unbeschadet zu überstehen.

Genau einen Tag danach wird dann auch die Ära der multipolaren Welt beginnen.
Blogverzeichnis Bloggerei.de
loading...