Permanent werden wir darauf hingewiesen, wie sehr wir doch schuld sind an der Misere in
Afrika. Wir haben den Kontinent kolonisiert, wir haben die
Einheimischen wie Affen behandelt, wir haben sie versklavt und wir beuten noch
immer rücksichtslos die dortigen Rohstoffe aus. Afrika ist bettelarm
und frei nach Lenin exportieren wir reiche Kapitalisten unsere Armut in die
Dritte Welt. Zum Beweis werden Zahlen zu Einkommen und Wachstum in
afrikanischen Ländern südlich der Sahara genannt, die diese
Perspektive scheinbar bestätigen. Nur, sind diese Angaben
zuverlässig? Eher nicht.
Afrikas größtes Problem sind zuverlässige Statistiken
Wie viele Menschen
leben in Nigeria? Niemand weiß es, was auch The
Economist vor einiger Zeit bestätigte. Man schätzt, es dürften
so etwa 160-200 Millionen Menschen sein, allerdings kennt niemand die
genaue Zahl, weil niemand Relevantes ein Interesse daran hat.
Zuwendungen durch die Hauptstadt Abuja an die Bundesstaaten sind an die Zahl der
Einwohner geknüpft und nicht zuletzt geht es im multiethnischen und
multireligiösen Moloch am Nigerdelta auch um Prestige für das
eigene Volk. Da wird die eigene Einwohnerzahl gerne etwas nach oben korrigiert.
Die Statistiker des
Landes, und es gibt sicherlich einige fähige darunter, haben erst
gar nicht die Chance, auf Basis der berichteten Zahlen zuverlässige
Schätzungen ohne politischen Drall abzuleiten.
Die Frage ist,
wenn schon die Bevölkerung nicht zuverlässig geschätzt werden
kann, wie soll dann deren Einkommen zuverlässig geschätzt werden?
In
Nigeria sind es politische Gründe, die eine effektive Messung
verhindern, was auch für andere Länder des Kontinents gilt.
Wiederum andere haben tatsächlich keine oder nur unzuverlässige
Statistiker. Dies gilt für das Ermitteln der Bevölkerungszahl und
es gilt genauso für deren Einkommen.
Nicht
zuletzt haben die Eliten in diesen Länder und bestimmte
Interessenten aus den wohlhabenden Nationen der Welt ein
Eigeninteresse an einem niedrigen Wert, denn falls er zu hoch ist,
dann entfällt die Subventionierung durch die Entwicklungshilfe des
Nordens. Dies ist gleichbedeutend mit einem Einkommensausfall für
die Eliten des jeweiligen Landes und Personen, die im Entwicklungshilfesektor tätig sind.
Alleine aufgrund dieser systematischen Berechnungsunschärfe kann
man davon ausgehen, dass der durchschnittliche Afrikaner mindestens
20% mehr in der Tasche hat, als es die offiziellen Zahlen
suggerieren.
Afrika zahlt noch immer größtenteils bar und lebt in Subsistenz
Die
zuverlässigsten Quellen für statistische Erhebungen sind Bankdaten,
Einkommensteuerunterlagen und Unternehmensbilanzen. Was aber wenn
diese nicht oder nur bedingt vorhanden sind?
Bankdienstleistungen
sind in Afrika noch immer eine Ausnahmeerscheinung, über als die
Hälfte der Menschen auf dem Kontinent hat kein
Bankkonto. Viele Afrikaner hoffen daher auf die Blockchain
Technologie in Verbindung mit mobilen Applikationen als jenes
Werkzeug, mit dem endlich alle am Geldkreislauf teilnehmen können.
Denn Bankfilialen gibt es nur in den Ballungszentren und auch dort
sind die Gebühren so hoch, dass viele auf ein Konto verzichten.
Wer
kein Konto hat, der fällt aus der direkten statistischen Erhebung
heraus.
Wer dazu auch keine Einkommensteuer zahlt - die wenigsten
Länder in Afrika verfügen über ausreichende Kapazitäten zur Verfolgung von
Steuerhinterziehung - und sich als Tagelöhner verdingt, oder in
einer kleinen Hinterhofwerkstatt arbeitet, oder ein kleines Stück
Land als Subsistenzbauer
bearbeitet, der fällt komplett aus der Statistik heraus. Dies,
obwohl diese Personen sehr wohl am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen.
Sie kaufen Benzin und Werkzeug, zahlen Miete und verkaufen ihre
Dienstleistungen und Produkte. Aber es ist alles bar und nirgendwo
registriert.
Die Abwesenheit
zuverlässiger Schätzquellen impliziert, dass das durchschnittliche
Einkommen Afrikas um mindestens 50% höher liegen muss, als es offiziell
angegeben wird.
Afrika ist warm - es braucht keine Infrastruktur für den Winter
Jahreszeiten
sind sehr teuer. Der Winter ist nicht nur kalt, sondern es können
auch keine Feldfrüchte angebaut werden, was eine Vorratshaltung von
Nöten macht. Das Wirtschaftsleben im freien kommt zum Erliegen und
zum Überleben braucht es warme Kleidung, Isolierungen für das Haus
und sehr viel Energie, um die Wohntemperaturen erträglich zu halten.
Auf
individueller Ebene steht die Gesundheit auf dem Spiel, da Dunkelheit
und Kälte den Körper entkräften und anfällig für Krankheiten
machen. Auch dies ist teuer und verursacht in den kalten Jahreszeiten
regelmäßig für Arbeitsausfälle.
Darüber
hinaus müssen alle technischen Systeme winterfest sein und die
gesamte Infrastruktur muss selbst bei widrigen Bedingungen
zuverlässig funktionieren und vom Schnee befreit werden können.
Unbeachtet
bleiben darf auch nicht, dass die Bedeutung der Infrastruktur und des
zuverlässigen Energienachschubes auch einer militärischen Absicherung
bedarf.
All das kostet
die nördlichen Länder extrem viel Geld und dieses Geld muss erst
einmal verdient werden, ob es den Menschen gefällt oder nicht. In
Afrika dagegen entfallen fast alle dieser Kosten.
Abgesehen
von der Regenzeit kann man sich in Afrika problemlos ganzjährig
draußen aufhalten, wobei die Regenzeit mit einem einfachen Dach über dem Kopf
gut überstanden werden kann. Was es aber nicht braucht sind
Heizungen, viel Brennstoff, eine Isolierung oder gar Winterkleidung. All das entfällt,
wie auch die dafür notwendige Infrastruktur oder die militärische
Absicherung, da der Kontinent warm bleibt. Die ganzjährige Wärme
ermöglicht in vielen Regionen zudem mehrere Anbauphasen im Jahr.
Der
einzige Bereich, in dem Afrikaner mindestens genauso so viele Probleme haben
und vielleicht sogar noch größere ist jene der Gesundheit. Ansteckungen mit tropischen Krankheiten sind leicht und sie verlaufen
oftmals tödlich. Die Gesundheitskosten sind daher mit jenen im Norden
vergleichbar.
Die Frage ist: Wie viel Geld
muss der Norden mehr erarbeiten als Afrika, um den Winter schadlos zu
überstehen? Ich schätze, es sind mindestens 5 Dollar pro Tag, pro
Jahr also 2.000 Dollar.
Zusammenfassung und Rechnung
Zählt
man die obigen Faktoren zusammen, dann erhöht sich das
durchschnittliche Einkommen Afrikas im Vergleich zu den offiziellen
Zahlen um insgesamt 70% aufgrund der unzureichenden statistischen
Erhebung. Hinzu kommen für einen fairen
Vergleich mindestens
2.000 Dollar pro Jahr aufgrund der weitgehenden
Abwesenheit von Jahreszeiten.
Hier
einige Beispiele afrikanischer Länder mit offiziellem BIP und dem
angepassten Wert:
Pro-Kopf BIP
angepasst
|
||
Äthiopien (101,8 Mio)
|
873 $
|
3.484 $
|
Kenia (47,2 Mio)
|
1.702 $
|
4.893 $
|
Mosambik (28,7 Mio)
|
429 $
|
2.729 $
|
Nigeria (186,9 Mio)
|
1.994 $
|
5.390 $
|
Tansania (55,1 Mio)
|
1.034 $
|
3.758 $
|
Togo (7,4 Mio)
|
611 $
|
3.039 $
|
Tschad (14,4 Mio)
|
810 $
|
3.377 $
|
Uganda (40,3 Mio)
|
699 $
|
3.188 $
|
Die
angepassten Werte sind zwar noch immer sehr niedrig und liegen lediglich bei einem Zehntel dessen, was dem durchschnittlichen
Deutschen zur Verfügung steht. Trotzdem liegen die errechneten
Effektivwerte weit weg von den offiziellen Katastrophenwerten, die
dazu dienen, die Entwicklungshilfe zu rechtfertigen. Nicht zuletzt
entspricht ein Einkommensniveau von etwa 10 Dollar pro Tag in etwa
dem Lebensniveau des Kosovo oder Moldau. Also den auf niedrigem Niveau funktionierenden Armenhäusern des
europäischen Kontinents.
Der tatsächlich Abstand zwischen Europa und Afrika, er ist bei weitem geringer als es suggeriert wird.
In
der Rechnung habe ich zudem noch einen weiteren bedeutenden Aspekt
außen vor gelassen: Afrika ist jung und aufgrund der hohen
Geburtenrate infantilisiert der Kontinent geradezu. Die Hälfte der
Einwohner ist jünger als 19 und bald wird die Hälfte jünger als 18
sein, während die Lebenserwartung relativ gesehen langsamer steigt.
Dies hat zur Folge, dass ein immer geringerer Teil der Bevölkerung
voll erwerbstätig sein kann. Schon heute liegt der Anteil an
Erwerbsfähigen aufgrund der hohen Geburtenrate deutlich unter den
Werten der Länder des Nordens.
Dieser
Effekt wird sich absehbar noch verstärken. Durchschnittlich können
Afrikaner im Vergleich also immer weniger arbeiten, während Europäer
durchschnittlich immer mehr arbeiten. Die Auswirkungen auf das
pro-Kopf Einkommen liegen je nachdem vermutlich noch einmal im
mittleren 2-stelligen Prozentbereich.
Was bleibt ist,
dass die Bezeichnung von Afrika als armer, bemitleidenswerter und
hilfsbedürftiger Kontinent falsch ist. Arm, bemitleidenswert und
hilfsbedürftig ist eher unsere verengte Sichtweise auf den
Kontinent.
Schuldkomplexe und Wiedergutmachungen gegenüber
Schwarzafrika aufgrund dessen heutiger Lage sind letztlich weder zweckmäßig angezeigt noch zielführend.
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