Über das verschwiegene Gewaltproblem in lesbischen Beziehungen: Jede zweite schlägt zu!


Die "Kampflesbe": Wieder ein Vorurteil bestätigt... (Bildquelle)

Schweigespiralen und falsche Mythen



In den letzten Jahrzehnten gab es viele Untersuchungen und Programme gegen Gewalt in Beziehungen. Dieser Aufsatz soll einen Überblick verschaffen spezifisch hinsichtlich des Vorkommens von Gewalt bei gleichgeschlechtlichen Paaren.

Trotz des Mythos, wonach es sich bei Beziehungsgewalt um ein ausschließlich heterosexuelles Phänomen handelt, konnten viele Studien auch die Existenz von Gewalt in lesbischen und schwulen Beziehungen beweisen. Dabei liegt die Prävalenz von Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen teilweise gleich hoch oder ist sogar noch höher als jene in heterosexuellen Partnerschaften.

Auch wenn Ähnlichkeiten gefunden wurden zwischen der Beziehungsgewalt bei heterosexuellen und lesbischen, schwulen und bisexuellen Paaren, so gibt es auch einzigartige Merkmale und Dynamiken, die nur in lesbischen, schwulen und bisexuellen Partnerschaften auftreten, nicht aber in heterosexuellen.

Diese Besonderheiten beziehen sich hauptsächlich auf die Identifizierung von Gewaltsituationen und der Abhilfe davon, sowie auf den besonderen Status als sexuelle Minderheiten, die besonderen Stressmomenten ausgesetzt sein können.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass es an Studien mangelt, die sich mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen befassen, die in der Beziehung gegenüber ihrem Partner zu Gewalt greifen; der Grund für die Abwesenheit von dahingehenden Untersuchungen liegt vor allem daran, dass das Thema der Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in der Vergangenheit verschwiegen wurde und sich um die vermeintliche Abwesenheit von Gewalt herum ein Mythos in der Öffentlichkeit gebildet hat, wodurch eine offene und ehrliche Debatte darüber verhindert wurde.

In unserer Studie haben wir all jene Hauptthemen identifiziert, die in bislang zum Thema veröffentlichten Studien diskutiert wurden und sie einer Überprüfung unterzogen. Die vorgenommenen Rezensionen des vorhandenen Materials führte uns zu dem Schluss, dass es wichtig ist, einen Ort zu schaffen, wo das Thema der Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften frei diskutiert und angesprochen werden kann, und zwar sowohl durch lesbische, schwule und bisexuelle Personen - als auch durch heterosexuelle.



Schwache Datenbasis, aber klare Ergebnisse



In den letzten Jahrzehnten gewann das Thema der Beziehungsgewalt immer mehr an Bedeutung unter Experten für psychische Gesundheit. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Beziehungsgewalt als jedes Verhalten innerhalb einer Partnerschaft, das Handlungen körperlicher und sexueller Gewalt umfasst, sowie emotionalen und psychologischen Druck, wie auch kontrollierendes Verhalten gegenüber dem Partner.

Nach Ansicht zahlreicher Autoren kann Beziehungsgewalt sowohl von Männern als auch von Frauen ausgehen und zwar ohne Rücksicht auf das Alter, den Familienstand oder die sexuelle Orientierung.

Im Gegensatz zu Gewalt in heterosexuellen Beziehungen wurde das Phänomen von Gewalt in lesbischen, schwulen und bisexuellen Partnerschaften bislang weit weniger häufig untersucht. Im Jahr 2015 machte die Forschung über lesbische, schwule und bisexuelle Beziehungsgewalt nur 3% der gesamten Forschung zu diesem Thema aus.

Alle Studien über Gewaltanwendung in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften haben zum Resultat, dass das Phänomen vergleichbar häufig oder sogar öfters auftritt als in heterosexuellen Beziehungen. Dabei ist es nicht leicht, eine klare Prävalenz herauszuarbeiten für die Gewaltanwendung bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen, da die verschiedenen Studien unterschiedliche Messmethoden verwendet haben.

Lesben schlagen am häufigsten zu



Die neuesten und repräsentativsten unter den Studien zum Thema jedoch bestätigen, dass  in den Vereinigten Staaten fast ein Drittel der Männer in homosexuellen Beziehungen und sogar die Hälfte aller Frauen in lesbischen Beziehungen, Opfer von physischem oder psychischem Missbrauch durch ihre Partner wurden.

Darüber hinaus berichteten über 50% der schwulen Männer und fast 75% der lesbischen Frauen, dass sie Opfer psychologischer Gewalt durch ihre Intimpartner wurden. In absoluten Zahlen bedeutet es, dass in den Vereinigten Staaten insgesamt 4,1 Millionen Menschen in lesbischen, schwulen oder bisexuellen Partnerschaften in ihrem Leben mindestens ein Mal Beziehungsgewalt ausgesetzt sind.

Bei der Prävalenz für Gewalt in lesbischen, schwulen und bisexuellen Beziehungen deuten die Zahlen auf eine ähnliche oder höheren Wert hin als bei heterosexuellen Paaren. Aus den Studien lassen sich folgende Werte ableiten für die Erfahrung von Beziehungsgewalt kategorisiert nach der Art der Beziehung:

  • 61,1% aller bisexuellen Frauen erleben in ihrem Beziehungsleben Gewalt
  • 43,8% aller lesbischen Frauen
  • 37,3% aller bisexuellen Männer
  • 26,0% aller homosexuellen Männer

Dem gegenüber stehen 35,0% für heterosexuellen Frauen und 29,0% der heterosexuellen Männer, die in ihrer Partnerschaft zu Opfern von Gewalt werden.

Im Bereich der schweren Gewalt ergeben sich wiederum die folgenden Prävalenzen:

  • 49,3% aller bisexuellen Frauen
  • 29,4% aller lesbischen Frauen
  • 16,4% aller homosexuellen Männer

Im Vergleich dazu erleben 23,6% aller heterosexuellen Frauen Beziehungsgewalt und 13,9% aller heterosexuellen Männer, wobei alle Formen von Missbrauch in homosexuellen und bisexuellen Beziehungen wahrscheinlicher sind als bei heterosexuellen.



Weltweit vergleichbare Prävalenzen mit verstörenden Details über italienische Lesben



Die meisten Forschungsarbeiten über die Prävalenz von Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden an einer nordamerikanischen Bevölkerung durchgeführt, während sich einige kleinere Studien auf Australier, Chinesen, Südafrikaner und Briten fokussierten. Sie alle berichteten über ähnliche oder sogar noch höhere Prävalenzen für Beziehungsgewalt als bei den Studien, die sich auf Nordamerikaner bezogen.

In Italien wurden überdies zwei Studien zur Gewalt in lesbischen Beziehungen durchgeführt. Eine davon umfasste eine Stichprobe von 102 lesbischen Italienerinnen, die einen Fragebogen ausfüllten.

Eines der Ergebnisse war, dass 20,6% der Teilnehmerinnen – also eine von fünf – angab davor Angst zu haben, dass ihre Partnerin nach Hause kommt. Daneben verheimlichten 41,2% der befragten Frauen gelegentlich etwas vor ihrer Partnerin, weil sie Angst vor  deren Reaktionen haben. Darüber hinaus haben sogar 14,7% - oder eine von sieben - der befragten italienischen Lesben immer Angst vor ihrer Partnerin. Dabei erlebt die Hälfte der Befragten psychologische Gewalt, während 5,9% physisch von ihren Partnerinnen angegriffen werden.



Fazit: Dringender Untersuchungsbedarf



Angesichts derartiger Ergebnisse ist es offensichtlich, dass Gewalt in lesbischen, schwulen und bisexuellen Beziehungen näher untersucht werden muss. Dabei haben bereits frühere Forschungen nahegelegt, dass hier ein dringender Bedarf für weitere Untersuchungen besteht.

In der Vergangenheit wurden Gesundheitsexperten jedoch viele Hindernisse in den Weg gelegt, die sie am Zugang zu diesem Forschungsthema hinderten, so dass keine Zahlen über das Gewaltphänomen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen erfasst werden konnten.

Neben dem Mangel an robusten Forschungsergebnissen hatte dies weitere negative Folgen in Form von Vorurteilen und Fehlinformationen über die Gewalt in derartigen Beziehungen. So wird in der Öffentlichkeit weiterhin der Mythos gepflegt, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Missbrauch nur sehr selten vorkommt, wobei sich diese Fehlannahme besonders hartnäckig bei bisexuellen und lesbischen Frauen hält.

Lesbische Beziehungen werden oftmals als friedfertig oder gar als utopisch idealisiert und damit weit entfernt von jeglicher Gewalt oder Aggression, was häufig als  „typisch männlich“ hingestellt wird. Dieses falsche Stereotyp jedoch kann überaus negative Folgen haben für lesbische Opfer, wenn es darum geht, die erlebte Gewalt innerhalb einer Beziehung zu erkennen, da sich die Gewaltausübung in Beziehungen sehr schnell normalisieren kann und damit Teil des Alltags des Opfers wird.


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