Immerhin 23 Jahre hat es gedauert (Bildschirmfoto) |
Die Verschiebung der (Bürger-)Kriegsführung weg vom Schlachtfeld und hinein in die Gesellschaft bringt einige unangenehme Seiteneffekte mit sich. Einer davon besteht in der völligen Unsicherheit darüber, welchen Informationen man noch trauen kann und welchen nicht. Videos sind leicht zu fälschen, Desinformation tarnt sich als Meinung und Meinungen werden in ihrem Spektrum so weit ausgedehnt, dass es nicht mehr zu beurteilen ist, ob jemand etwas ernst meint oder nicht. Dieser realsatirische Zustand wird gerne auch als „Clownwelt“ bezeichnet und man kann, wie das folgende Beispiel zeigt, nur mehr noch hoffen auf die vernünftige Erklärung unter mehreren.
Noch ein Professor mit Dachschaden oder doch nur ein soziales Experiment?
In der
amerikanischen Twitterspähre macht gerade
eine Nachricht des College Dozenten Matthew Hubbard die Runde,
die er einer vietnamesischen Studentin namens Phuc Bui schickte. Darin
bat er sie, sich doch bitte einen anderen Namen zu suchen, weil er
auf Englisch ausgesprochen klingt wie eine Beleidigung. Es geht um
den Begriff „Fuckboy“, dessen
Alltagsdefinition sich jeder hier abholen kann.
Nun könnte man
unter anderem meinen, es handele sich bei Hubbard um einen
rechtskonservativen Evangelikalen, der um die Reinheit seiner
Seminare besorgt sei. Aber weit gefehlt. Der
auch bei Twitter aktive Mann ist ein vehementer Kritiker von
Präsident Trump und das nicht aus der wertkonservativen Perspektive,
sondern aus der üblichen linken Ecke. So feiert der Fürsprecher der
Demokratischen Partei den Tag der Sklavereiabschaffung in den USA
genauso, wie ihm die derzeit geforderte Säuberung von Produktnamen
von ihrer vermeintlich rassistischen Vergangenheit gefallen.
Das erschwert die
Suche nach Motiven für das Senden der Nachricht um einiges, da kaum noch gesichtswahrende
Möglichkeiten übrig bleiben. Es könnte sich beispielsweise um einen deplatzierten
Scherz gehandelt haben gegenüber seiner Studentin, die sich in den
Feinheiten der amerikanischen Popkultur, zu dem der Begriff gehört,
wohl eher nicht so gut auskennt.
Vielleicht war der Urheber auch die Studentin selbst, die mit einer Fälschung aus unerfindlichen Gründen ihrem Professor eins auswischen wollte - oder ebenso unsensibel zum Brachialscherz gegriffen hat. Eventuell waren es auch Dritte, die aus ebenso unergründlichen Motiven – oder vielleicht in Anlehnung an Austin Powers – den Namen Phuc Bui aus der Vornamenliste werdender vietnamesischer Eltern streichen wollten.
Vielleicht war der Urheber auch die Studentin selbst, die mit einer Fälschung aus unerfindlichen Gründen ihrem Professor eins auswischen wollte - oder ebenso unsensibel zum Brachialscherz gegriffen hat. Eventuell waren es auch Dritte, die aus ebenso unergründlichen Motiven – oder vielleicht in Anlehnung an Austin Powers – den Namen Phuc Bui aus der Vornamenliste werdender vietnamesischer Eltern streichen wollten.
Die
wahrscheinlichste Variante besteht jedoch darin, dass es der Professor
tatsächlich selbst war, der die Nachricht verfasste. Somit bleiben noch genau zwei weitere
Möglichkeiten für das Motiv der Anfrage. Einmal die schlimmste in
der Form, als dass es sich bei ihm um einen typischen Vertreter der
Kulturlinken handelt, der gerne von Einwanderung spricht, aber nur
unter seinesgleichen bleibt. Der vom Sozialismus und von Gleichheit
schwärmt, sich aber in kapitalistischer Manier noch ein letztes
Gläschen Pino Grigio sichert. Der von Respekt vor anderen Kulturen
faselt, dann aber doch rücksichtslos
auf die Überlegenheit seiner eigenen Wahrnehmungswelt pocht.
Die letzte Variante
wiederum - es ist die für ihn beste von allen - wäre, dass es sich um ein
soziales Experiment handelt, wie
beispielsweise Tim Pool hofft. Die Nachricht des Professors an
seine Studentin ging so sehr viral, dass es sich dabei um ein ideales
Testobjekt handeln würde zur Nachverfolgung der Empörungswellen durch die
digitalisierte Weltgesellschaft, und wie sich der Aufreger ausbreitet
bis in die kleinsten Verästelungen der Vernetzung.
Für einen Soziologieprofessor mit Ahnung von digitaler Analyse wäre das tatsächlich ein gefundenes Fressen. Aber es bleibt eben nur eine Variante unter mehreren.
Wie wird das nur enden?
Dass diese Nachricht aber überhaupt viral ging, ist kein Wunder. Die Dimension möglicher
Dummheiten ist einfach zu groß, als dass man sich nicht kurz mit
anderen darüber austauschen wollte. So entstand denn auch dieser
Text über den Sachverhalt.
Viel bedeutender als
dieser eine kleine Kopfschüttler unter vielen in diesen wahrlich
verrückten Tagen aber ist das größere Bild, das sich damit offenbart. Denn zunehmend zeichnet sich ab, dass die auf Mark
Twain zurückgehende Weisheit, wonach eine Lüge bereits dreimal
um die Erde gelaufen ist, noch bevor sich die Wahrheit die Schuhe
angezogen hat, zum Dauerzustand wurde. Vielmehr noch, dank der Möglichkeiten durch die Sozialen Medien wurde aus der dreifachen
Geschwindigkeit
vermutlich eine Verdreißigfachung, was das Problem nicht gerade verkleinert.
Für die Wahrheit, so scheint es, ist es heute irrelevant, ob sie sich überhaupt noch die Schuhe anzieht. Darüber hinaus zeigt das Beispiel rund um die arme Phuc Bui, dass wir womöglich gar nicht mehr die Wahrheit wissen wollen, da sie in ihren Ausprägungen einfach nur verrückt geworden ist.
Als beunruhigendes Fazit ergibt sich, dass wir uns in einer Dauerschleife mit einem Trommelfeuer an Informationsreizen verfangen haben, in der es nicht mehr nur keine Wahrheit mehr gibt, sondern in der die Gefahr besteht, dass auch die Wahrheit selbst einen Wahn darstellt und damit zur allgemeinen Neurose qua Reizüberflutung beiträgt.
Für die Wahrheit, so scheint es, ist es heute irrelevant, ob sie sich überhaupt noch die Schuhe anzieht. Darüber hinaus zeigt das Beispiel rund um die arme Phuc Bui, dass wir womöglich gar nicht mehr die Wahrheit wissen wollen, da sie in ihren Ausprägungen einfach nur verrückt geworden ist.
Als beunruhigendes Fazit ergibt sich, dass wir uns in einer Dauerschleife mit einem Trommelfeuer an Informationsreizen verfangen haben, in der es nicht mehr nur keine Wahrheit mehr gibt, sondern in der die Gefahr besteht, dass auch die Wahrheit selbst einen Wahn darstellt und damit zur allgemeinen Neurose qua Reizüberflutung beiträgt.
Die Frage für mich
daher ist nicht, ob der Professor ein Idiot ist oder ein geschickter
Experimentator. Vielmehr frage ich mich, und und wie wir aus diesem Zustand
aus Überdruss irgendwann wieder von selbst herauskommen werden, oder
ob die Gesellschaft unweigerlich in den kollektiven Wahnsinn
verfallen wird und wir uns an einem Punkt gegenseitig zerfleischen
werden.
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