Die Black Lives Matter Proteste als neue Staatsreligion


Jesus war gestern, Klima auch (Bildquelle)


The Spectator: Black Lives Matter handelt es sich um eine staatlich geförderte Religion



Die Bezeichnung als „Protest“ für die öffentlichen Ausschreitungen der letzten Wochen im ganzen Land, erscheint oftmals unangemessen. Denn immerhin schwingt im Begriff „Protest“ stets etwas mit, wonach dieser sich gegen das bestehende System richtet; man „protestiert“ gegen organisierte Kräfte, die sich gegen einen richten (wobei der zuständige Verwaltungsbeamte die Erlaubnis zu dem Protest womöglich nur ungern gab). Was sich uns aktuell aber in vielen Fällen zeigt und was uns als „Protest“ nähergebracht wird, sollte korrekterweise eher als „staatlich unterstütztes Demonstrieren“ bezeichnet werden.

In meiner ansonsten verschlafenen Heimatstadt Caldwell im Bundesstaat New Jersey beispielsweise organisierten Schüler einen Protestmarsch, der sich als erstaunlich groß erwies. Bemerkenswert daran war, dass die Schüler dieses Kunststück mit der vollen Kooperation und Beteiligung der Gemeindebehörden vollbrachten, also ausgerechnet jene Institution, gegen die sich die „Jugend“ einer früheren Ära vermutlich aufgelehnt hätte. Alle waren beteiligt: Eltern, gewählte Politiker, die Schulverwaltung und sogar die Polizei. Das ganze hatte eher den Anschein einer offiziellen Bürgerversammlung, es war fast schon wie eine Feier zum Unabhängigkeitstag oder das Einschalten der großen Weihnachtsbaumbeleuchtung. Auf Bitten der Schüler sang sogar ein Polizist die Nationalhymne, was einen bizarren Kontrast zu den Legionen weißer Vorstadtfrauen in ihren Yogahosen bildete, die sich währenddessen alle hinknieten und dabei erhobenen Faust trotzig zum Himmel erhoben. So inkongruent das wirken mag, aber es handelte sich in gewisser Weise um eine neue Art des „staatlich unterstützten“ Demonstrierens.

Natürlich erhält nicht jeder Protest im Land eine so weit gehende und ausdrückliche Unterstützung durch staatliche Stellen. Ein Merkmal dieser „Bewegung“ (wenn man sie wirklich als eine solche bezeichnen kann) ist ihre erstaunliche geographische Ausdehnung, wobei es selbst in den unwahrscheinlichsten Regionen der USA zu Demonstrationen kam. Eine Karte der jüngsten Protestaktionen in Pennsylvania etwa zeigt, dass diese sogar in den konservativen ländlichen Teilen des Bundesstaates abgehalten wurden und das offenbar ohne allzu Widerstand. Das Phänomen hat also eindeutig etwas sehr Neues an sich, und wir haben erst begonnen, an dessen soziologischer Oberfläche zu kratzen.

Einer der Gründe, warum diese immer noch amorphe „Bewegung“ so schnell so populär wurde, liegt vielleicht darin, dass sie in den Augen vieler über die reine Politik hinausging. Viele so genannte Proteste nahmen Charakterzüge an, die stark an Religion erinnerten:Kollektiver Gottesdienst, öffentliches Bekenntnis und Bitten um Erlösung, andächtige Posen und Gesten, Gruppengebet, die Schaffung eines neuen Pantheons von Märtyrerfiguren, die verehrt werden sollten, sowie die Übernahme liturgischer Riten und Rituale.

Kinder und Jugendliche wurden ermutigt, öffentlich für ihre Sünden Buße zu tun, wobei ihre „Erbsünde“ im „Privileg des Weißseins“ besteht. In der in Pennsylvania gelegenen Kleinstadt Schwenksville wurde ich Zeuge, wie ein weißer Teenager namens Frankie, der ausgestattet mit einem elegant gestalteten „Black Lives Matter“ T-Shirt nervös vor der versammelten Menge (die ebenfalls überwiegend weiß war) stand und verkündete: „Jeder einzelne Weiße hier und heute profitiert von seinem weißen Privileg“ - und was folgte war mitreißender Applaus. Seine Lösung für dieses vermeintliche Problem bestand im Einsatz für jeden einzelnen: Jede anwesende weiße Person sollte persönliche Initiative ergreifen, um „über das eigene Privileg zu lernen“, und „sich Tag für Tag fragen, wie man anderen helfen kann“.

Darüber hinaus gibt auch ein Element der Selbstaufopferung, das bei diesen Veranstaltungen zur Geltung kommt, wie z.B. am vergangenen Freitag in Chicago, als ein weißer Protestveranstalter verkündete: „Weiße Körper schützen die Körper der POC in diesem Raum“ [POC = „people of color“ = farbige Personen]. Die Idee dahinter ist, dass im Falle eines Konflikts mit der Polizei von aktivistischen Weißen erwartet wird, dass sie sich als Buße gegenüber unterdrückten schwarzen Mitmenschen in Gefahr begeben. Genau das konnte später noch am selben Abend bei einem separaten Marsch in Chicago beobachtet werden, als der Marsch den mit schweren Brettern vernagelten Bereich der Innenstadt erreichte. Nachdem sich die Menge dort versammelt hatte und damit begann, einen ihrer liturgischen Gesänge aufzusagen, stand ein Kader von Weißen in feierlicher Konfrontation mit den anwesenden Polizeibeamten. (Übrigens weisen viele der von weißen Linken organisierten Protestmärsche häufig eine geringere Hautfarbenvielfalt auf, als die zur Bewachung der Demonstranten abgestellten Polizei – und das selbst in Vierteln mit großem schwarzen Bevölkerungsanteil. In Diskussionen über die rassischen Dimensionen der modernen Polizeiarbeit wird oft übersehen, dass insbesondere bei städtischen Polizeieinheiten der Anteil an Hautfarbenminderheiten in den letzten Jahren stark angehoben wurde).

Man merkt, dass diese Demonstrationen die Unterstützung der Behörden genießen, weil sie in der Regel gegen gesetzliche Richtlinien wie etwa die noch immer geltenden Coronamaßnahmen verstoßen und Massenversammlungen streng genommen verboten sind. Black Lives Matter Demonstrationen allerdings werden nicht nur erlaubt, vielmehr werden sie auch von den gewählten Amtsträgern unterstützt, die mitunter auch daran teilnehmen, obwohl sie selbst es waren, die für das Verbot derartiger Versammlungen verantwortlich waren. Zum Beispiel gab der Gouverneur von Illinois J.B. Pritzker eine Anordnung heraus, die noch immer noch in Kraft ist, und wonach „jede Versammlung von mehr als zehn Personen“ landesweit verboten ist. Am 19. Juni jedoch nahm Prizker in Chicago selbst an einer Kundgebung teil, bei der weit mehr als zehn Personen anwesend waren, und die auch das vorgeschriebene „Social Distancing“ vermissen ließen. Theoretisch könnte er dafür strafrechtlich belangt werden - wegen der Verletzung einer von ihm selbst herausgegebenen Vorschrift. (Unnötig zu sagen, dass es keine Ausnahmen in der Ordnung für die Gedenkfeiern zum 19. Juni gab).

Die religiöse Inbrunst, die diesen Demonstrationen zugrunde liegt, ist zweifellos ein wesentlicher Faktor dafür, dass ihnen die Lizenz erteilt wurde, die gesetzlichen Auflagen im Zusammenhang mit der Pandemie zu übergehen. In einigen Fällen haben auch die traditionellen unter den religiösen Führungsfigurren ihre persönliche Absolution angeboten. Cheryl Garbe, eine leitende Methodistenpastorin aus Indiana beschrieb, wie sie in der chaotischen ersten Nacht der Unruhen in der Stadt Zeuge wurde, wie Rauchbomben auf dem Parkplatz ihrer Kirche explodierten. (Ihr Heimatort Fort Wayne ist einer von vielen Orten, an denen unerwartet Unruhen ausbrachen - ein Großteil des Stadtzentrums ist nach wie vor zugenagelt). Daraufhin traf Garbe die „sehr schwierige Entscheidung“, auch ihre Kirche mit unansehnlichen, dicken Holzbrettern zu schützen, um deren Buntglasfenster zu schützen. „Ich hatte das Gefühl, dass wenn wir die Kirche nicht schützen und etwas vorfällt, dann wäre das ein weiterer Grund für die Menschen, die Bewegung zu kritisieren“, sagte sie. „Ich hatte das Gefühl, dass eine beschädigte Kirche für uns, die wir uns stets die Frage der sozialen Gerechtigkeit stellen, möglicherweise zerstörerisch wirken könnte.“

Um den Schandfleck etwas zu verstecken wurden die Gemeindemitglieder dazu ermutigt, auf Post-It-Notizen geschriebene Gebete an der mit Brettern verschlossenen Außenseite der Kirche anzubringen. (Persönliche Gottesdienste sind noch immer ausgesetzt, zumindest bis zum nächsten Monat, so Garbe, die inzwischen in den Ruhestand gegangen ist). Die in den Notizen ausgedrückten Empfindungen sind gemischt. Einer, eindeutig von einem Kind geschrieben, lautet: „Lesen: Lieber Gott, bitte hilf diesem bösen Polizisten, gut zu sein, und bitte hilf George Flloyd [sic], eine gute Zeit im Himmel zu haben“. Eine andere, diesmal eindeutig von einem Erwachsenen geschrieben, lautet: „Schluss mit diesem Wahnsinn... Bitte betet für Verständnis und Versöhnung und dafür, dass jeder für seine Taten Rechenschaft ablegen muss... Amen“.


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