Aus der Rubrik „Mein Alltag“: Wir haben den Gaga-Zustand erreicht

Rollator und Abstandshalter in einem (Bildquelle)


Schilda, den 23. April 2020, kurz nach sechs


Eben wollte ich mir noch schnell ein kühles Bier im Supermarkt schnappen, um danach dem nicht allzu weit dahinter gelegenen Park einen Besuch abzustatten. Aus dem schnell-schnell Unterfangen wurde jedoch eine längere Unternehmung, die ich so zum ersten Mal erlebt habe. 

Am Eingang des Geschäfts begrüße mich als Premiere in einem solchen Etablissement ungefragt ein Türsteher, der mit seiner Haltung auf meine Aufmerksamkeit pochte. Dann zeigte wortlos auf die rechts von ihm aufgereihten Einkaufwägelchen, woraufhin ich mich verneinend bedankte. Aber er ließ nicht nach und hatte vielleicht doch was gesagt, das kann man bei einem Nuschler mit Mundschutz kaum einschätzen. Jedenfalls pochte er darauf, ich solle mir doch bitte einen Einkaufswagen nehmen, auch wenn ich nur ein Produkt aus dem Regal holen will.

Auf meinen Einwand hin, dass es ja unhygienisch sei dessen Griff anzufassen, erwiderte er trotzig, es sei nun Gesetz, dass der Einkauf entweder mit Wägelchen vonstatten geht oder gar nicht. Bevor er pampig wurde, beugte ich mich dem Gesetz und griff einmal schön zu. Sofort meldeten mir meine Handflächen die übliche Melange aus weichem Plastik und einem dicken Fettfilm darüber.

Beschweren wollte ich mich jedoch nicht mehr darüber, denn Gesetz ist Gesetz.

Es war da aber noch nicht ganz zu Ende mit meinem Einkaufserlebnis. Erst musste ich mich noch vorbei zwängen an den zwölf anderen Wägelchen und manchmal dicht an dicht an einem der anderen Kunden vorbei, weil die rollenden Abstandshalter den ganzen Platz versperrten.

Die Zahl der zwölf Wägelchen kenne ich übrigens deshalb, weil sie die Filialleiterin, oder eher die stellvertretende Filialleiterin, mehrmals in bedeutungsvoller Intonation durch den Laden brüllte. Einer fehlte, es sollten eigentlich dreizehn sein. Bei der letzten Durchsage stand sie dann neben Johnny – so nannte sie den Türsteher lieblich – der am Eingang postiert die Kundschaft am eintreten hinderte. Seine eigentliche Aufgabe war also, die Zahl der Wägelchen in der Waage zu halten.

Ich muss schon sagen, da war der gute Johnny für eine Sache zuständig und vermasselte sie dennoch. Womöglich, denke ich mir im Nachhinein, war sogar ich daran schuld mit meinem verdutzen Unglauben über das neue Gesetz. So etwas bringt einen schnell raus aus der Routine.

Nun sitze ich jedenfalls da, im Park, den Laptop auf dem Schoß und das kühle Blonde neben mir stehend und frage mich, wie viele Coronaviren ich schon auf die Tatatur übertragen habe.

Zum Glück - und im Unterschied zu Johnny - habe ich zu Hause ein Desinfetionsmittel zur Hand.




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