Sozialistische Utopielandschaft in Formvollendung (Bildquelle) |
Rotes Heucheln, grüne Lügen und staatlicher Opportunismus
1) rotes Heucheln
Ein gängiges
Argument gegen die Atomkraft besteht darin, dass kein
Vericherungsunternehmen der Welt jemals freiwillig eine
Versicherungspolice für Atomkraftwerke anbieten würde. Die Kosten
bei einem GAU sind einfach zu hoch, als dass man jemals ein Geschäft
daraus machen könnte. Trotz des überaus kapitalistisch anmutenden
Charakters dieses Arguments vertreten selbst hartgesottene Linke
unter den Grünen diese Ansicht. Das Problem dabei ist, sie ist
grundfalsch und es lässt sich sogar sehr einfach nachweisen.
Herangezogen wird in
der Regel
eine Greenpeace Studie, nach der die Kilowattstunde aus dem
Atommeiler zuzüglich der Produktion (und Endlagerung) 2,70 Euro
kosten müsste, um die drohenden Kosten eines GAUs abdecken zu
können.
Wer wissen möchte, wie diese Summe zustande kommt, der kann sich nun eingraben in die Tiefen der Studie, oder aber einfach die folgenden beiden Annahmen machen: Erstens verursacht ein GAU in der Liga Tschernobyl/Fukuschima zu versichernde Schäden in Höhe von 1.500 Milliarden Euro. Zweitens werden in Deutschland jährlich circa 555 Milliarden KWh Strom verbraucht, die je nach Perspektive im Ideal- oder Schlimmstfall zu 100% durch Atommeiler generiert werden.
Teilt man nun diese
1.500 Milliarden Euro durch die 555 Milliarden KWh Strom, dann kommt
heraus: 2,702702 Euro.
Als ich diese
Rechnung das erste Mal durchführte, da war ich ziemlich überrascht
darüber, dass dieser einfache Bruch exakt jenes Resultat zutage
förderte, das Greenpeace als den „wahren“ Kostenpreis für
Atomstrom erachtet. Angesichts der wirklich exakt passenden Zahl kann
ich nur davon ausgehen, dass man bei Greenpeace genau so gerechnet
hat und der Rest als das übliche Beiwerk bezeichnet werden kann, das
man bei akademisch daherkommenden ideologischen Ergüssen in der Regel ungefragt dazu bekommt.
Das große – und
meines Wisens unhinterfragte - Problem mit dieser Zahl von 2,70 Euro besteht
darin, dass sie einen GAU pro Jahr voraussetzt.
Ich frage mich:
Stimmt das so? Ist das realistisch?
Wenn ich mich
umblicke, dann eher nicht. Vielmehr lässt sich auf Basis der
Erfahrungen klar sagen, dass es in etwa alle 25 Jahre in einem
Atomkraftwerk zu einem GAU kommt. Das jedenfalls legt die
Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse nahe,
nach der es bislang genau drei Störfälle der höchsten beiden Stufen gab.
Dabei gesellt sich zu Tschernobyl (1986) und Fukuschima (2011) als
den beiden Zwischenfällen der höchsten Kategorie noch der Kyschtym
Unfall (ebenfalls UdSSR), der eine Stufe darunter eingeordnet wurde. Kyschtym ereignete
sich im Jahr 1957, also 29 Jahre vor Tschernobyl, so dass der
25-Jahresrhythmus für einen GAU ziemlich akkurat zu sein scheint.
1) Grüne Lügen
Was bleibt ist, dass diie Schadenssumme
von 1.500 Milliarden Euro durch 25 Jahre
geteilt werden muss, um im Ergebnis eine realistische Versicherungsprämie
zu erhalten. Macht man dies, dann kommt man auf 60 Milliarden Euro. Verteilt auf den deutschen Gesamtstromverbrauch verdünnt sich die Versicherungssumme dadurch auf 10,8 Cent pro
Kilowattstunde.
Allzu viel ist das
nicht, wie ich meine, vor allem wenn man die hohen Steuern und Abgaben auf den Strom hierzulande
bedenkt.
Aber selbst diese
Summe ist noch viel zu hoch angesetzt. Denn derzeit gibt es weltweit über
400 kommerziell betriebene Atomkraftwerke, wobei sich deren Zahl
nach Tschernobyl nur unwesentlich verändert hat. An der
statistischen Wahrscheinlichkeit für schwere Unfälle änderte die
schiere Anzahl ganz offenbar nicht viel, was vermutlich auf die
gestiegene Erfahrung und schärfere Sicherheitsmaßnahmen
(und die gesunkene Anzahl real-sozialistischer Länder) zurückzuführen ist.
Was bleibt ist, dass
einmal in 25 Jahren eines der weltweit 400 Atomkraftwerken explodiert. Daraus
lässt sich dann auch ableiten, wie lange es durchschnittlich
dauert bis ein Atomkraftwerk explodiert. Das Ergebnis dieser Rechnung
(1:25x1:400) lautet: Ein Atomkraftwerk explodiert durchschnittlich
nach 10.000 Jahren.
Auch das wirkt nicht gerade wie ein Grund zur Panik, dürfte doch bis in spätestens 50 Jahren die erheblich weniger brisante Kernfusion am Start sein.
Teilt man diese 1.500 Milliarden Euro Schadenssumme pro GAU durch jene
10.000 Jahre, die es durchschnittlich dauert, bis ein Atomkraftwerk explodiert, dann kommt jene Summe heraus, die ein Versicherungsunternehmen für die
Versicherung eines Atomkraftwerks gegen einen GAU verlangen müsste. Es sind 150 Millionen Euro pro Jahr, wobei am Ende inklusive der üblichen Gewinnspanne vielleicht 300 Millionen Euro stehen.
Allzu viel ist das
nicht, wobei nun noch die Frage bleibt, wie sehr sich die
Versicherung eines Atomkraftwerks auf den Srompreis auswirken würde.
Als Beispiel möchte ich das
Atomkraftwerk im Emsland heranziehen, wo jährlich knapp 11.000
Milliarden KWh Strom produziert werden. Der auf auf die
Kilowattstunde umgelegte Versicherungspreis für den Meiler beträgt somit 2,72 Cent.
Ja, es ist
tatsächlich ein mickriger, einstelliger Centbetrag pro KWh, den uns eine Versicherung gegen den
nächsten Supergau kosten würde. Greenpeace hat sich in seiner Rechnung um den Faktor Einhundert* vertan.
Wer es nicht glaubt, der soll die Rechnung
noch einmal nachvollziehen und darf mich bei gefundenen Fehlern gerne
kontaktieren. Fakt für mich bleibt aber, dass die Versicherung gegen
einen GAU der höchsten Stufe absolut billig ist - trotz der drohenden
Extremschäden und trotz des Endlosgeschreis zum Thema.
3) Staatlicher Opportunismus
Diese extrem
niedrige effektive Summe lässt in mir den Verdacht
aufkommen, dass der Staat die Atomkraftwerke gar nicht versichern
will. Denn wenn es so billig ist, dann kann er auch selbst als
impliziter Versicherungsgeber auftreten, um dann über Steuern und Abgaben
eine Rendite zu erzielen, wie man man sie sonst nur aus dem
Kokaingeschäft kennt.
Dabei ist es auch
gar nicht so schwer, eine freiwillige Versicherung von
Atomkraftwerken zu verhindern. Denn trotz der hohen Einnahmen ist es
noch immer eine sehr hohe Summe, die im Fall der Fälle auf den
Versicherer zukäme. Mehr als eine Handvoll Institutionen weltweit
könnte so etwas zumindest in der Anfangszeit nicht stemmen. Es bräuchte wahrscheinlich einen
Zusammenschluss der gesamten Industrie, um die Schadenssumme für den
Zeitraum der ersten beiden Jahrzehnte tragen zu können.
Trotz der extrem großen
Anfangsinvestition für den Versicherungsgeber wäre es aber dennoch ein gutes Geschäft, das implizieren die oben dargestellten Zahlen
klar. Mit gutem Willen und einem Kompromiss
zum Vorteil aller könnte die bedeutendste Hürde dagegen also durchaus überwunden werden.
Was es dafür allerdings bräuchte ist eben auch das Wohlwollen der Politik, wie es
bei Projekten in Milliardenhöhe üblich ist. Sobald die Politik ihr Wohlwollen aber nicht gibt, weil sie für sich einen Reibach riecht, dann kommt
eben auch keine Atomkraftwerksversicherung zustande.
Ebenso wenig zustande kommen in diesem Fall dann auch strukturelle Verbesserungen
der Anlagen, von denen es einige gäbe und von denen ich einige in diesem Beitrag darstelle. Dies liegt daran, dass es den notwendigen Versicherer, der zur Begrenzung der Schadenssumme gerne ein paar Verbesserungen eingebaut hätte,
nicht gibt. Gleichzeitig nimmt es die Last vom Betreiber, der nicht muss und immer nur den größten Gewinn anstrebt. Schließlich versagt dabei auch die Politik, da sie kein Interesse
daran haben kann, dass sich die Gewinnspanne des ohnehin implizit auf Kosten Dritter (der Steuerzahler und Anwohner) versicherten Objekts verringert.
So muss man sich am
Ende dann auch nicht wundern, wenn Ideologen mit schwachen Argumenten hausieren gehen können und die Menschen
ausgerechnet mit jenen Argumenten auf ihre Seite ziehen, die sie bei
Lichte betrachtet eigentlich zum gegenteiligen Schluss kommen lassen müsste.
* Zunächst stand da Faktor Eintausend. Danke an den Leser für den Hinweis auf den Fehler.
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