Zücken Sie schon mal Ihren Geldbeutel, Reparationen für 'historisches Unrecht' könnten bald zum ganz großen Umverteilungsgeschäft werden


Weiße Männer bei ihrer Lieblingsbeschäftigung (Bildquelle)

Reductio ad absurdum nennt sich eine rhetorische Technik, bei ein Sachverhalt gedanklich bis zu seinem absurden Ende durchdacht wird. Ziel ist es, dem Adressaten damit klar zu machen, wie falsch er liegt mit seiner Ansicht, indem die Lächerlichkeit der letzten Konsequenz dargelegt wird. Genau das macht Sahil Mahtani in einem neuen Spectator Artikel und es ist ihm überaus gut gelungen. Leider muss man sagen, fehlt es den Adressaten dieses satirischen Gedankengangs aller Wahrscheinlichkeit nach an Intellekt, um es zu verstehen. Sie verpassen etwas.



The Spectator: Die Angelsachsen verdienen Reparationen für die normannische Eroberung



Die wiedergutmachende Gerechtigkeit für Opfer des Kolonialismus ist ein Konzept, dessen Zeit eindeutig gekommen ist. Vor einigen Jahren schlug der indische Diplomat Shashi Tharoor vor, dass Großbritannien Indien eine Entschädigung zahlen sollte, um damit die jahrhundertelange Kolonialherrschaft zu sühnen. Ihm ging es dabei mehr um Symbolik als um Geld als er sagte: „Ich wäre sehr glücklich, wenn es ein Pfund pro Jahr für die nächsten zweihundert Jahre wäre“.

Im April kündigte die Cambridge Universität eine auf zwei Jahre angelegte Studie darüber an, wie ihre Gebäude und Weinkeller auf dem Rücken von Sklaven gebaut worden sein könnten. „Das öffentliche und wissenschaftliche Interesse an den Verbindungen zwischen den älteren britischen Universitäten und dem Sklavenhandel wächst, und so ist es nur folgerichtig, dass man auch in Cambridge seinen Anteil an den Gewinnen der Zwangsarbeit während der Kolonialära berechnet“, so deren Vizekanzler Stephen Toope.

Völlig zu Recht, wie ich meine. Die Universität von Glasgow hat bereits eine Studie über ihre eigenen Verbindungen zur Sklaverei durchgeführt und ist zu dem Schluss gekommen, dass 200 Millionen Pfund ihres Vermögens auf diese Weise unrechtmäßig erworben wurden - obwohl sie noch nicht entschieden hat, welche Form der Wiedergutmachung sie annehmen sollte. In Amerika führte der Unterausschuss für Verfassung, Bürgerrechte und bürgerliche Freiheiten im Räpresentantenhaus im Juni eine Anhörung durch, in der „das Erbe des transatlantischen Sklavenhandels, seine anhaltenden Auswirkungen auf die Gesellschaft und Möglichkeiten zur juristischen Wiedergutmachung untersucht wurde“. Die Aktion genießt die Unterstützung von fast 60 Abgeordneten der Demokratischen Partei, sowie einer Reihe der progressivsten unter den demokratischen Präsidentschaftskandidaten, darunter Kamala Harris und Elizabeth Warren.

Zu jenen mit der Ansicht, dass wir unsere Zeit besser damit verbringen sollten, uns lieber mit den Ungerechtigkeiten von heute zu beschäftigen, als mit jenen der fernen Vergangenheit sage ich: Schande über euch! So lange diese Fehler nicht durch Entschädigung korrigiert werden, dann werden sie in uns weiterleben als kollektive Schande, und die Nachkommen der Opfer werden weiterhin leiden. Wir sollten vieles, nur wir dürfen definitiv nicht die Grundsätze aufgeben, wie sie uns die opferorientierte Justiz vorgibt, wir sollten sie im Gegenteil erweitern und untersuchen, welche anderen Ungerechtigkeiten durch eine finanzielle Entschädigung behoben werden könnten.

Ein eklatantes Beispiel etwa ist das große Übel, das die normannische Eroberung von 1066 der angelsächsischen Bevölkerung bescherte. Die Auswirkungen auf die indigene englische Gesellschaft sind nach wie vor verheerend. Durch Krieg, Invasion und Völkermord wurde die angelsächsische Herrscherklasse fast vollständig ausgelöscht, die Kontrolle über Kirche und Staat an ausländische Gegner übergeben, Englisch durch normannisches Französisch als Regierungssprache ersetzt und Englands gesamte politische, soziale und kulturelle Ausrichtung für die nächsten tausend Jahre vom Norden Europas auf den Kontinent verlagert.

Es ist unabdingbar, darauf hinzuweisen, denn so wie der Schmerz des Kolonialismus von seinen Nachkommen weiterhin ertragen wird, so hat die damalige Eroberung nach wie vor nachhaltige Auswirkungen auf das heutige Großbritannien. In seiner Studie über Familiennamen und soziale Mobilität kam der Wirtschaftshistoriker Gregory Clark nämlich zu dem Schluss, dass normannische Familiennamen in Oxford und Cambridge bis heute um 25 Prozent überrepräsentiert sind, wenn man sie vergleicht mit anderen einheimischen, also klassisch englischen Familiennamen. Wie Clark es ausdrückte: „Die Tatsache, dass die normannischen Nachnamen in ihrer sozialen Verteilung bis 1300, 1600 oder sogar bis 1900 nicht wieder vollständig zum Durchschnitt zurückkehrten impliziert eine erstaunlich langsame soziale Mobilität in allen Epochen der englischen Geschichte“. Nicht umsonst lehnten Nonkonformisten und Whigs im 17. und 18. Jahrhundert „das normannische Joch“ lautstark ab.

Die Cambridge Universität, die immer noch von normannischem Geld und Einfluss dominiert wird hat effektiv keine andere Wahl als darüber nachzudenken, inwiefern sie ihre angelsächsischen Opfer entschädigen muss. Der Sutton Trust schätzt, dass die Absolventen von Oxford und Cambridge während ihres Lebens ungefähr 400.000 Pfund mehr verdienen als Absolventen anderer britischer Universitäten. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass Nachkommen der raffgierigen normannischen Invasionsklasse tatsächlich Zehntausende von Pfund mehr verdienen könnten als andere Absolventen - eine unverdiente Lebensprämie, und die heute satte 31 Generationen nach der Invasion noch immer existiert. Zweifellos müssen in der Sache auf jeden Fall Reparationen gezahlt werden. Aber wer soll bezahlen und wer soll empfangen?

Für eine Königliche Kommission sollte es verhältnismäßig einfach sein, die britischen Nachkommen der normannischen Usurpatoren durch eine Kombination aus genealogischer und administrativer Forschung sowie - zwangsläufig - obligatorischen Gentests auszumachen. Eine kleine Steuer für die Lampards, Vardys und Gascoignes dieser Insel, die dann ausgeschüttet wird an die Bamfords, Bransons und Ecclestones wäre das angemessenste, um die Heilung der offenen Wunden der Vergangenheit zu katalysieren.

Um welche Summen ginge es denn? Bis 1086 hatten die normannischen Herren fast ein Drittel der 12,5 Millionen Hektar Ackerland Englands gestohlen und es in herrschaftliche Ländereien aufgeteilt. Nach einer konservativen Schätzung ist dieses Land heute 7.000 Pfund pro Hektar wert - oder 25 Milliarden Pfund insgesamt, und das ist es entsprechend, was die Normannen den Angelsachsen für die Eroberung schulden. Der Haftungsanteil Frankreichs an dem Eroberungsfeldzug wiederum ließe sich bequem auf die Rechnung für den Brexit anrechnen.

Unvermeidlich werden einige Streitigkeiten entstehen und es werden einige Nachkommen von Normannen behaupten, dass sie persönlich keine Verantwortung tragen an der Invasion und der folgenden Kolonisierung. Aber wie wir alle wissen ist das nur hohles Geschwätz. Es ist nicht anders als bei Ländenr, die sich in der Regel selbst dann an ihre zwischenstaatlichen Verträge halten, auch wenn diese Jahrhunderte alt sind und niemand mehr am Leben ist, der sie unterzeichnet hat. Ebenso zahlen wir Schulden, die von früheren Generationen angesammelt wurden. Nicht zuletzt wird die Wiedergutmachung völlig zu Recht als eine kollektive und vererbbare Verantwortung gesehen, wurden nicht zuletzt auch für die längste Zeit des Christentums die Juden für den Tod Jesu Christi verantwortlich gemacht.

Wir lernen jeden Tag, wie tief unsere Wurzeln in der Vergangenheit liegen. Je mehr wir darüber lernen, desto notwendiger wird es daher, die Vergangenheit in Bezug zu setzen zu den Werten der Gegenwart und die bedauerlichen Aspekte dieser Introspektive zu korrigieren. Derartige Ereignisse könnten dabei so alt sein wie die indo-arische Invasionen in der Zeit um 1500 v. Chr., die den Startschuss gaben für das hinduistische Kastensystem, und sie umfassen auch historische Seltsamkeiten wie die amerikanische Kolonisierung der philippinischen Inseln, die deren Bewohnern so gut wie gar nichts brachte jenseits von Fast Food, Seifenopern und allgemein schlechtem Geschmack. Uns wird nichts anderes übrig bleiben als die Schaffung unterschiedlicher Opferklassen, da wir nur mit Hilfe von diesen gemeinsam mit der prinzipiellen Vererbung von Schuld unsere Sünden der Vergangenheit angehen können und endlich Harmonie in unsere Welt bringen können.

Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass in Großbritannien eine einzige königliche Kommission ausreichen wird zur Feststellung von Tätern und Opfern. Denn sobald die angelsächsische Bevölkerung entschädigt ist, dann werden die heute lebenden Nachkommen der ganz alten Briten verständlicherweise ebenso Entschädigungen einfordern und zwar von den angelsächsischen Bürgern des Landes, um die begangenen Verbrechen in deren früher Siedlungszeit zu sühnen. Der Gerechtigkeit muss gedient werden, auch wenn es bedeutet, dass noch mehr öffentliche Gelder über die Brücke von Severn in Richtung Wales verschwinden sollten. Wenn aber alles gut läuft, dann werden wir die Milliarden wieder rein holen können von den heutigen Skandinaviern, die uns sehr wahrscheinlich noch eine Menge Geld schulden für all die Vergewaltigungen und Plünderungszüge der Wikinger.
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