Die Dissonanz zwischen boomenden Aktienmärkten und einer Realwirtschaft im Niedergang


Baltimore, DDR; wenigstens kacken die Leute nicht auf die Straße (Bildquelle)

Die älteren unter den Lesern werden sich noch daran erinnern, wie die Wirtschaft vor dem Jahr 2007/2008 gelaufen ist. Die Finanzmärkte erreichten einen Höhepunkt nach dem anderen. Deregulierungen wurden gefeiert, die Beherrschung der mathematischen Komplexität wurde als Schlüssel gesehen, ihre Bändiger genossen Heldenstatus. Die mühselige, da mit Arbeit und Fleiß verbundene Realwirtschaft war nur noch ein Störfaktor und stand dem bedingungslosen Wohlstand für alle entgegen, entsprechend wurde sie vernachlässigt. Und dann krachte es. Erleben wir gerade ein Deja-vu?



Michael Snyder: Während die Wall Street neue Aktienrekorde feiert schließen buchstäblich überall im Land Unternehmen ihre Tore



Wie lange wird sich der Aktienmarkt noch völlig losgelöst von der wirtschaftlichen Realität entwickeln können? Am Montag stieg der Dow Jones Industrial Average zwar nur um 27 Punkte, aber das reichte, um ihn auf ein weiteres neues Rekordhoch zu bringen. Die Anleger waren begeistert von diesem neuerlichen und überaus beeindruckenden Anstieg, allerdings kann man das Niveau kaum als nachhaltig bezeichnen. Die Wall Street feiert zwar den Moment, aber inzwischen sagen uns alle harten Wirtschaftszahlen in unmissverständlicher Weise, dass wir nun in eine neue Phase der Konjunkturabschwächung eingetreten sind. Genau wie 2008 scheint es unvermeidlich zu sein, dass die Party an der Wall Street kurz davor ist gegen eine Mauer zu laufen. Daher sollte niemand überrascht sein, wenn es passiert. Überall um uns herum gibt es Anzeichen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten, was sich daran zeigt, dass im Moment überall in den USA Unternehmen ihr Geschäft einstellen.

Als Beispiel lohnt sich ein Blick auf das, was aktuell mit der LKW-Industrie geschieht. Ich habe vor kurzem vor einem „Blutbad“ im Transportgeschäft gewarnt, das sich über längere Zeit entwickelt hat und in der letzten Woche deutlich an Fahrt aufgenommen hat.

Am 12. Juli erfuhren wir, dass der Logistikriese LME ohne Vorwarnung plötzlich sein Geschäft eingestellt hat. Das Folgende kommt von Zero Hedge:

„Die LKW-Sparte von LME soll laut FreightWaves „plötzlich und ohne Vorwarnung“ seinen Betrieb eingestellt haben.

Das Unternehmen ist ein regionales Logistikunternehmen mit Sitz in Minnesota, das im gesamten Mittleren Westen tätig ist. Das Unternehmen verfügte über Distributionszentren an 30 Standorten in den USA und durch Vereinbarungen mit Drittparteien über ein Dienstleistungsangebot in ganz Nordamerika. Es arbeitete unter anderem mit großen Unternehmen wie 3M, John Deere und Toro zusammen.

Berichten zufolge beschäftigte das Unternehmen 'über 600 Männer und Frauen' und verfügte über 382 Antriebseinheiten, 1.228 Anhänger und hatte 424 Fahrer.“

Dann erfuhren wir heute, dass der Betrieb von Timmerman Starlite Trucking plötzlich und ohne Vorankündigung stillgelegt wurde:

„Das seit 40 Jahren existierende kalifornische LKW Transportunternehmen Timmerman Starlite ist das neueste Opfer in der ‚LKW Apokalypse‘ und soll laut FreightWaves seinen Betrieb per sofort eingestellt haben:

Es wird erwartet, dass 30 Mitarbeiter dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Das Unternehmen hat seinen Sitz in einer mittelgroßen Stadt etwa 100 Meilen östlich von San Francisco und verfügt über eine Flotte von 30 Lastwagen, 150 Anhängern und 28 Fahrern.

Als Gründe für die Schließung nannte der Firmeninhaber ‚einen schwierigen Frachtmarkt und Umweltvorschriften‘. Das Unternehmen gab sein Ende auf seiner Facebook Seite bekannt.“

Diese beiden Speditionen sind nur zwei Beispiele für zahlreiche Opfer, die dem gegenwärtigen „Blutbad“ zum Opfer fallen. Laut Business Insider haben 2019 auch schon ALA Trucking, Williams Trucking, Falcon Transport und New England Motor Freight den Betrieb vollständig eingestellt.

Würde die US-Wirtschaft tatsächlich „boomen“, dann gäbe es derartige Geschäftsaufgaben durch etablierte Anbieter definitiv nicht und vor allem nicht in einer solchen Regelmäßigkeit.

Unterdessen fallen auch große Einzelhandelsketten weiterhin wie Dominosteine. Charming Charlie ist auf dem Weg in den Konkurs und wird alle seine Geschäfte schließen:

„Der Einzelhändler für Modeaccessoires Charming Charlie wird alle seine Geschäfte schließen, was die zweite Insolvenz des Unternehmens weniger als zwei Jahren darstellt. Aufgrund der Schließung werden mehr als 3.000 Voll- und Teilzeitbeschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren.

Laut Gerichtsunterlagen reichte Charming Charlie den Konkursantrag in Delaware ein wobei nun sämtliche 261 Geschäfte und deren Einrichtung verkauft werden sollen. Die Kette erwartet, dass die Liquidierung etwa zwei Monate dauern wird.“

Darüber hinaus haben wir gerade erfahren, dass Fred's weitere 129 Geschäfte schließen wird in einem verzweifelt Versuch, am Leben zu bleiben:

„Der in Schieflage befindliche Discounter Fred's hat eine weitere Runde von Ladenschließungen angekündigt.

Die Kette wird 129 Geschäfte schließen und verfügt damit noch über rund 80 Standorte, berichtete USA Today. Der Abverkauf des Inventars hat bereits begonnen.“

Vor nicht allzu langer Zeit ging ich in einem örtlichen Geschäft einkaufen, das ebenfalls kurz vor der Schließung stand, und es war definitiv ein deprimierendes Erlebnis. Früher waren die Regale vollgepackt mit Produkten, als ich aber dort ankam, da schnappten sich die Leute die wenigen noch vorhandenen stark reduzierter Waren.

Leider wiederholen sich derartige Szenen im ganzen Land immer öfters. Tatsächlich stehen die Dinge bereits so schlecht, dass selbst Barneys, die Handelslegende aus Manhattan wahrscheinlich in Konkurs gehen muss:

„Barneys steht möglicherweise an der Schwelle zur Insolvenzschutz, da der Luxuseinzelhändler in Manhattan mit hohen Mieten kämpft und Käufer an das Internet verliert, so zwei Medienberichte.

Reuters berichtete am Samstag unter Berufung auf ungenannte Quellen, dass Barneys die Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis LLP angeheuert hat und neben anderen Möglichkeiten auch einen Konkurs abwägt.“

Den Rekord für Filialschließungen in einem Jahr hält noch immer das Jahr 2017 mit 8.139 Schließungen.

Laut einem gerade veröffentlichten Bericht sind wir im Begriff, diesen Rekord deutlich zu übertreffen.

Wie es bei Coresight heißt, könnte die Zahl der Filialschließungen in den USA bis Ende dieses Jahres den Wert von 12.000 erreichen und damit um 50% über dem bisherigen Rekord liegen:

„Es wird erwartet, dass Verkäufe aufgrund von Geschäftsaufgaben und sich die Einstellung von Handelsmarken fortsetzen wird. Coresight schätzt, dass die Schließungen bis zum Ende des Jahres 12.000 erreichen könnten, so der Bericht.“

In dem Buch The Beginning Of The End malte ich ein düsteres Bild von einer Zukunft, in der Amerikas Gemeinden von verbretterten Geschäften übersät sind, da der Einzelhandel komplett eingestellt wurde.

Genau das geschieht nun direkt vor unseren Augen.

Was wir aktuell an Entwicklungen in der „Realwirtschaft“ sehen ist eine völlig logische Konsequenz, und es bedeutet leider auch, dass sich unsere wirtschaftlichen Probleme in den kommenden Monaten deutlich verschärfen werden.

Das einzige, was keinen Sinn ergibt ist das, was wir an der Wall Street erleben.

Einen realen Grund, weshalb die Aktienkurse so steigen wie sie es tun gibt es nicht, Finanzblasen jedoch folgen in der Regel keinem rationalen Muster.

Stattdessen geht es dort einfach immer einfach nach oben bis etwas kommt, das Boom wieder jäh beendet.

Bedenkt man, was in der Welt gerade vor sich geht, dann könnte dieses „etwas“ eher früher als später eintreffen.
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