Ökovorbild Champagnerindustrie (Bildquelle) |
Wer sich das Geschrei um Greta und den Hitzetod einmal genauer anhört, der wird nicht viele Programmpunkte finden, denen nicht der steife Stallgeruch des Utopismus anhängt. Dabei gäbe es sehr viel, was zeitnah und ohne volkswirtschaftliche Kosten für Umwelt und Klima getan werden könnte. Ein wichtiges und weitgehend unbeachtetes Feld stellt dabei die Logistik dar jenseits der Wiedereinführung von Eselskarren. Ein Beispiel dafür habe ich bereits beschrieben. Im folgenden möchte ich nun auf Supermärkte eingehen als einem wahren Paradies für lineare Optimierer.
Skaleneffekte mal Zigtausend
Lidl
betreibt über 10.000 Ladengeschäfte. Die beiden Aldis
über 11.000, Penny
und Netto
jeweils fast 4.000, Rewe
3.000, dazu kommen noch die Märkte von Kaufland und Edeka,
Drogisten wie DM, Müller und Rossmann und eine Reihe kleinerer
regionaler Ketten. Im Jahr 2017 waren es in Deutschland insgesamt
über
35.000 Supermärkte, die für den täglichen Bedarf bereit
standen.
Das ist eine ganze
Menge, was sich da auf dem deutschen (und europäischen) Markt
herumtummelt. Aus der Perspektive möglicher Umweltoptimierungen
ihrer Betriebe ganz besonders interessant ist dabei die Tatsache,
dass der Markt mit dem halben
Dutzend der erwähnten Ketten von einem Oligopol beherrscht wird. Das heißt, für Optimierer liegen
hervorragende Bedingungen vor, weil nur wenige Verantwortliche von
der Vorteilhaftigkeit einer Änderung überzeugt werden müssen. Dies
gilt sowohl für das übliche Spiel der Kostensenkungen, als auch für
Verbesserungen der Umweltverträglichkeit der Märkte und ihres
Angebots.
Um sich klar zu
machen, wie groß der Hebel bei den Supermarktketten sein kann muss
man sich das Folgende vorstellen. Man nehme einen x-beliebigen
Supermarkt, von denen mehr oder weniger alle gleich aussehen, die
alle das gleiche Sortiment haben und die alle in der gleichen Weise
organisiert sind. Das heißt, wer nur ein kleines Detail findet, mit
dem in diesem einen Supermarkt an jedem Öffnungstag nur ein einziger
Euro eingespart werden kann, der spart diesem einen Supermarkt nicht
nur 300 Euro im Jahr ein. Vielmehr spart man der gesamten Kette
aufgrund der Normierung aller Supermärkte bis zu zehntausend Mal
300 Euro im Jahr ein.
Wird diese eine
Änderung gar von allen Supermarktketten übernommen, dann
belaufen sich die Einsparungen in Deutschland sogar auf 35.000 x 300 Euro
im Jahr oder über 10 Millionen Euro. Das ist ein ziemlich dicker Brocken
und der Grund, weshalb Controller in der Regel erstklassig bezahlt
werden.
Den Hebel richtig ansetzen
Leider wird es nur
ungern gesehen, wenn beispielsweise Aldi eine neue Methode entdeckt
und erfolgreich umsetzt, nur um dann beobachten zu müssen, wie Lidl
einfach hingeht und die Sache kopiert (ein Beispiel wären die
Kaffeeautomaten am Eingang, die es inzwischen überall gibt). Bei den
von außen sichtbaren Prozessen geschieht dies zwangsläufig, bei den
internen Abläufen – man denke an die Logistik für verderbliche
Ware – sieht es dagegen etwas anders aus. Da muss jeder selbst
drauf kommen, weshalb Produktivitätssteigerungen bei der einen Kette
nicht immer auch bei allen anderen ankommen.
Daher braucht es im
Hinblick auf die Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks der
Supermarktketten eine andere Stelle im Verwertungsprozess, wo man in
einer Weise ansetzen kann, damit die Verbesserungen möglichst rasch
überall ankommen. Keine Sorge, ich ziele nicht auf den Staat ab und seine
Brüsseler Regulierungsbürokratur, sondern auf die
Zulieferindustrie.
Vielen ist es
vermutlich bekannt, dass die verschiedenen in den Supermarktregalen stehenden Marken oftmals vom selben Hersteller kommen.
Das gilt für Luxusmarken genauso wie für Handelsmarken, wobei die
unterschiedlichen Markenhersteller meist auch die Handelsmarke
abfüllen und einfach nur etwas anderes auf das Etikett kleben.
Daraus abgeleitet heißt es auch, dass die verschiedenen Ketten zu
einem Gutteil von den selben Zulieferern bedient werden. Hinter vielen Produktkategorien stehen entsprechend noch weniger
Hersteller, als es Supermarktketten gibt.
Genau bei diesen
lässt sich ansetzen für den maximalen Hebel. Also, dem einen
Hersteller aller in Deutschland verkauften Essigreiniger, dem einen
Hersteller aller Wattestäbchen in Europa, dem einen für alle
Wegwerffeuerzeuge, Teelichter, Tampons und so weiter.
Wie man Produkte umweltfreundlicher und gleichzeitig kostengünstiger macht
Im Kern geht es um
die Packungsgröße und der Gedanke dahinter ist ein mathematischer, wonach der Inhalt eines Körpers
stärker zunimmt als dessen Oberfläche, wenn man diesen proportional
vergrößert. Auf gut Deutsch bedeutet es, dass man umso weniger
umweltschädliche (in der Regel aus Plastik bestehende)
Verpackungsmaterialien benötigt, je mehr Produkt pro Packung
verkauft wird.
Beispielsweise hätte
eine Steigerung von derzeit 300
Wattestäbchen pro Packung auf das Dreifache zur Folge, dass die
benötigte Menge an Plastik für die Schale um etwa 50% sinkt. Grob geschätzt wären das circa drei Gramm Plastik oder ungefähr
fünf Gramm Rohöl. Das mag nach sehr wenig klingen,
berücksichtigt man jedoch die damit verbundenen Skaleneffekte, dann
kommt einiges zusammen.
Eine 900er Packung
als durchschnittlichen Jahresbedarf für jeden Deutschen angenommen
würde eine derartige Vergrößerung der Packung zu einem
Minderbedarf von 400 Tonnen Rohöl führen. Zugegeben, das ist immer
noch nicht wirklich viel, aber zumindest Winfried Kretschmann könnte
mit dem Äquivalent in Flugbenzin den Rest seiner Amtszeit
aus der Luft regieren.
Klar ist,
verderbliche Ware und allgemein Produkte mit Verfallsdatum eignen
sich überwiegend nicht für eine solche Anpassung (Kaffee, Nudeln,
Konserven und Tiefkühlware gingen evtl.). Diese Optimierungsmethode über die Packungsgröße ist folglich begrenzt auf
einen relativ kleinen Teil des Angebots. Trotzdem zähle ich bei
den Haushalts- und Drogeriewaren weit über 100 Produkte, bei
denen die Packung ohne weiteres vergrößert werden könnte.
Bei den meisten
Produkten könnte absolut gesehen sogar deutlich mehr eingespart
werden als mit einer Vergrößerung der Wattestäbchenpackung.
Beispielsweise übersteigt kein
Flüssigwaschmittel die 1,5 Liter Grenze, obwohl es für Kunden kaum einen Unterschied macht, ob sich
zu Beginn ein, zwei oder gar drei Liter in der Flasche befinden. Etwaigen Problemen
beim Hantieren der deutlich schwereren Falsche an der Waschmaschinenschublade ließe sich entgegnen mit dem Verwenden der zweiten
Hand beim Eingießen oder möglicherweise mit einem Drückschnabel,
wie erbei Flüssigseifen zum Standard gehört.
Letztlich wäre die
Änderung auf Kundenseite keine große Sache, während sie der Umwelt
deutliche Vorteile brächte. Denn während die Dicke des Plastiks
möglicherweise etwas steigen müsste - eine zu dünne Wand kann des
höheren Gewichts wegen beim Herunterfallen fatale Folgen haben - so
bleibt der Vorteil des überproportional größeren Volumens
verglichen mit der Oberfläche trotzdem weitgehend bestehen.
Nicht nur die Umwelt würde gewinnen, auch die Hersteller hätten einen Vorteil
Das großartige an der Vergrößerung der Packungen wäre, dass quasi alle Beteiligten
in der Verwertungskette profitieren würden. Die Kunden gewinnen,
weil sie dank des Mehrs an Inhalt seltener einkaufen müssen und zu
Hause gleichzeitig weniger Verpackungsmüll anfällt.
Die Lieferanten
würden gewinnen, weil sie wahrscheinlich die Einsparungen bei
den benötigten Rohmaterialien für sich behalten könnten. In der
Regel stehen sie zwar unter der strengen Fuchtel der allmächtigen
Supermarktketten, allerdings wäre es zumindest in der kürzeren
Frist möglich, dass sie die Einsparungen erst mit dem Abschluss
eines neuen Vertrags weitergeben müssen. Je nach Produkt wären das
mehrere Prozent an den Herstellungskosten.
Die Supermärkte
wiederum würden profitieren von den langsameren Warenumlaufzyklen.
Wer doppelt so viel Shampoo zu Hause hat, der muss es nur halb so oft
nachkaufen, so die Regel. Das bedeutet, die Mitarbeiter in den
Supermärkten müssten weniger oft die Regale auffüllen. Wie groß
diese Einsparungen wären kann ich nur schätzen, vermute aber, dass die Verdoppelung des Inhalts bei zwei Prozent aller Waren zu einer Reduktion der Arbeit für das Auffüllen der Regale um insgesamt ein Prozent führen
würde. Pro Supermarkt der Standardgröße käme das pro Tag in etwa
einem Euro an Einsparungen gleich - es wäre also eine ziemlich große
Sache.
Wie man die Kundschaft umgewöhnt und wo die Grenzen liegen
Nicht für alle
Kunden wäre die Umstellung auf größere Packungen problemlos
machbar. Wer die Produkte unterwegs braucht – etwa im Kulturbeutel
– der kann nicht einfach doppelt so viel mitnehmen. Das heißt, es
muss weiterhin kleinere Packungsgrößen geben, um diese Kundengruppe
zufriedenzustellen.
Stellenweise könnte
die Führung eines Produkts in zwei Größen im Regal zu
Platzproblemen führen. Dank des vorteilhaften Volumen- zu
Oberflächenverhältnisses denke ich jedoch nicht, dass es sich allzu
sehr bemerkbar machen würde. Insgesamt sehe ich hier jenseits des
ohnehin viel zu kleinen Ladengeschäfts in jeder Altstadt keine
unlösbaren Probleme.
Das Dilemma
totschlagen ließe sich, indem man die kleinere Packungsgröße noch
etwas verkleinert und diese gleichzeitig auf die Menge gerechnet verteuert. Die aktuell mit 125ml
Inhalt angebotene Zahnpasta zum Preis von 45 Cent könnte alternativ einmal mit 80ml
angeboten werden für 49 Cent und dann noch einmal mit 275ml
für 99 Cent (in etwa so wie
beim Tomatenmark).
Dadurch hätten die
Kunden einen starken Anreiz, zum selben Mengenpreis auf die große
Tube umzusteigen und wer es braucht, der bekommt nach wie vor die
kleine, muss diese Extrawurst zu Ungunsten der Umwelt aber teuer
bezahlen. Von diesen Kleinversionen müssten nun lediglich noch
wenige Exemplare vorgehalten werden und könnten bei Platzmangel
vielleicht sogar nur auf Anfrage aus dem Lager geholt werden.
Diese Art der
Umweltoptimierung würde übrigens nicht nur bei den Handelsmarken
funktionieren. Ich bin mir sicher, auch die besonders teuren Marken
von Persil bis Gillette würden sehr schnell mit aufspringen auf den
Ökozug per „Supersizing“. Alles was es braucht ist ein kurzer
Aufschrei wegen der Ökosauerei kleiner Packungen in den Sozialen
Medien und schon werden sie spuren.
Den Erfolg dieser
Methode beweisen die immer zahlreicheren Beispiele für
Entschuldigungen und Produktanpassungen jüngerer Zeit, wenn wieder
einmal eine Marke zum Zielobjekt des Twittermobs wird: Siehe die
rassistischen Entlein von Waitrose, das Einknicken von Hornbach vor Nichts, oder der
eingebaute Kotau bei Gillette, auf den kürzlich das
Umwerben fetter Quallen durch das selbe Unternehmen folgte. In dieser
Richtung sehe ich absolut rotgrünes Licht. Kein Hersteller und keine
Marke will heute noch rassistisch sein - oder in diesem Fall eben
ökorassistisch. Lieber beißt man in den kulturlinken Apfel und fügt
sich.
Die allgemeine
Idiotisierung der medialen Öffentlichkeit mit ihrem
Aufschrei-Tourette hat also durchaus auch ihre Vorteile.
Fazit und eine Frage
Mindestens 50.000
Tonnen Öl und unzählige Arbeitsstunden ließen sich einsparen mit
der einfachen Maßnahme größerer Produktabfüllungen
in Supermärkten. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser Maßnahme
wiederum lägen bei Null, da niemand auf etwas verzichten müsste. Die Änderung brächte uns allen nur
Vorteile, wobei der Aufwand für die Umstellung der Verwertungskette
aufgrund der Marktstruktur nur gering ausfiele.
Während die
Arbeitskosten mit dem geringeren Aufwand in den Supermärkten
um mehr als 10 Millionen Euro pro Jahr sänken, so könnte im
Hinblick auf das Öl und andere eingesparte Materialien ein
Vielfaches an Geld eingespart werden. Auf den
Gesamtölverbrauch Deutschlands gerechnet wäre es zwar nicht
viel, aber immerhin das Äquivalent eines halben Tages, an dem wir
künftig nicht mehr auf Öl angewiesen wären.
Angesichts dieser
Umstände, wonach ausnahmslos alle beteiligten Parteien gewännen und
niemand verlieren würde - während die Politik gänzlich außen vor
bleibt - frage ich mich, warum dies nicht schon lange
umgesetzt wurde. Oder zumindest ganz oben steht im Forderungskatalog
für eine umweltverträglichere Gestaltung unserer Wirtschaftsweise.
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