US Psychologieprofessor will Trinkwasser mit Lithium anreichen weil es „gegen Depressionen wirkt“

Immer schön lächeln: Lenny von den Simpsons (Bildquelle)

Erinnern Sie sich noch an die Geschichte mit dem Nasenspray gegen Xenophobie mit dem „Kuschelhormon“ Oxytocin, das fremdenfeindliche Gefühle verschwinden lässt? Diesem feuchten Traum des Gutmenschentums folgend meint nun ein Psychologe der ehemaligen Eliteuniversität Harvard aufgrund einer Studie, dass wir Trinkwasser mit dem Leichtmetall Lithium anreichern sollten, weil damit Selbstmorden vorgebeugt werden kann.


Von der Lithiumtherapie zur Zwangsfütterung für alle



Die Lithiumbehandlung von Patienten mit einer bipolaren Störung oder einer Depression ist keine Unbekannte. Seit langem schon ist die positive Wirkung des Metalls bei Störungen der Gehirnfunktion bekannt und es kann durchaus funktionieren, die Symptome von Patienten mithilfe des Metalls zu lindern.

Wie Vox berichtet wird meint nun der Harvard Psychologe Dr. Nassir Ghaemi, dass sich der Einsatz von Lithium nicht nur auf Patienten mit bekannten psychischen Problemen beschränken sollte, sondern über eine Zugabe in das allgemeine Trinkwasser jeder in den Genuss einer Behandlung kommen soll. Damit, so die Idee, könnte suizidalen Personen geholfen werden, die sich nicht in einer ärztlicher Behandlung befinden. Ghaemi ist sich sicher, dass dadurch ein Viertel bis zur Hälfte aller Selbstmorde verhindert werden könnten.

Seine Forderung stützt sich auf die Ergebnisse einer Metastudie aus dem Jahr 2004, laut der Regionen mit natürlichen Lithiumspuren im Trinkwasser deutlich niedrigere Selbstmordraten aufweisen als Regionen, in denen das Leichtmetall nicht vorkommt. In den Vereinigten Staaten sind es vor allem der Nordosten und an der Ostküste generell, wo sich Lithium im Trinkwasser findet, während die bergigen Regionen im Mittleren Westen kaum welches aufweisen. Nicht anders verhält es sich bei der Suizidrate, wonach sich im Mittleren Westen mehr Menschen das Leben nehmen als im Osten des Landes.

Hier findet sich dann auch die Krux an der Angelegenheit. Der „Forscher“ bezieht sich in seiner „Forschungsarbeit“ nur auf die erfolgreichen Selbstmorde, nicht aber auf die Selbstmordversuche. Ignoriert wird beispielsweise die Tatsache, dass in den Regionen mit niedrigerer Suizidrate eine sehr viel höhere Bevölkerungsdichte herrscht inklusive mehr Nachbarn in unmittelbarer Nähe sowie nahegelegenen Notfallambulanzen, wodurch sehr wahrscheinlich der ein oder andere gerade stattfindende Selbstmord verhindert wird. Nicht zuletzt ist auch die Therapeutendichte sehr viel höher, so dass sich selbstmordgefährdete Menschen möglicherweise eher einer Behandlung unterziehen als irgendwo in Idaho, wo man erst 100km zum nächsten Therapeuten fahren muss.

Es handelt sich bei der Arbeit damit in fast schon klassischer postmoderner Wissenschaftsmanier um einen Fall, in dem Korrelationen mit Kausalitäten verwechselt werden. Das spricht nicht gerade für den Wissenschaftler und es spricht genauso wenig für sein Forschungsinstitut.



Linke Onlinemedien und das laue Gefühl des Gutseins



Am allerwenigsten spricht es aber für Vox, einem dieser berüchtigten linken Onlinemedien, wo der Artikel erschienen ist. Auf der einen Seite spielt man seinem Publikum mit der Monstranz des Gutmenschentums eine nicht vorhandene moralische Kompetenz vor, nur um dann unter Ignoranz der Integrität das Geld mit Klickfallen wie dieser zu verdienen. Angesichts der monatlich 45 Millionen Zugriffe führt Vox nicht gerade wenige Medienkonsumenten aufs Glatteis.

Vor allem im größeren Bild wirkt eine solche solche Maßnahme, wie das Beimischen von Lithium in das Trinkwasser äußerst dubios. Um es ernst nehmen zu können müsste man deutlich kritische Fragen stellen über den Sinn, die wissenschaftliche Fundierung und mögliche Risiken. Bei Vox aber findet sich nichts dergleichen. Im Gegenteil, es wird verwiesen auf die Zugabe von Fluorid in das Trinkwasser in den Vereinigten Staaten - etwas worauf man in Deutschland zum Glück verzichtet - das laut dem Artikel über das Lithium aber auch hervorragend wirken soll.

Fluorid ist in geringem Maße tatsächlich gut für die Zähne und verhindert ein kleines bisschen Karies, weswegen es auch so gut wie in jeder Zahnpasta enthalten ist. Aufgrund dieser Eigenschaft und dank des üblichen Lobbyismus entschieden sich die USA und einige andere Länder daher vor längerem bereits das ehemalige industrielle Abfallprodukt im Namen der Volksgesundheit dem Trinkwasser beizumischen.

Bis heute jedoch ist nicht ganz sicher, ob das auch wirklich so funktioniert wie gedacht, oder ob es überhaupt keinen Effekt hat (außer Kosten) - oder ob es gar zu negativen Seiteneffekten führt. Bei Vox ist man sich aber auch bei Fluorid felsenfest sicher, dass die Menge im Trinkwasser zu gering sei, als dass es negative Auswirkungen haben kann - wobei die Menge selbstverständlich aber nicht zu gering ist für die behaupteten positiven Auswirkungen.

Nicht anders soll es möglichst bald auch bei Lithium sein. Die notwendige Menge, die man dem Trinkwasser zugeben müsste wäre zu gering für schädliche Nebenwirkungen, aber genau richtig um uns allen (gemeinsam mit dem Fluorid) ein strahlendes Lächeln zu verpassen.

Für manche ist die Welt eben sehr einfach. Falls Sie dagegen beim Gedanken an Lithium im Trinkwasser Angst bekommen... nun, es gibt ja noch Oxytocin.
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