Fleißig gebüffelt, wenig gelernt (Bildquelle) |
Vor
zwei Jahren schrieb der amerikanische Politikprofessor Patrick
Deenan einen Artikel,
in dem er die Oberflächlichkeit und Kulturlosigkeit der jungen
Generation kritisiert, die zwar überaus nett und auch intelligent
wirkt, allerdings über keinerlei kulturelle Tiefe mehr verfügt. Für
sie ist die Vergangenheit ein leeres Blatt Papier, zu dem sie keinen
Bezug mehr hat. Es wurde ihnen völlig abgewöhnt. Das folgende ist
eine Zusammenfassung seines Artikels.
Intelligent, engagiert und freundlich, aber unwissend
Meine
Studenten sind unwissend. Sie sind ausgesprochen nett, freundlich,
vertrauenswürdig und bescheiden. Ihre Köpfe aber, sie sind leer und
es fehlt ihnen an jenem Wissen, das sie eigentlich von ihren
vorangegangenen Generationen hätten erben und erhalten müssen.
Unsere westliche Zivilisation hat fast alles über sich selbst
vergessen und das Ergebnis ist eine fast völlige Gleichgültigkeit
gegenüber der eigenenKultur.
Dabei
ist es nicht leicht, an einer Universität aufgenommen zu werden, wie
jener an der ich lehre. Die Studenten sind tatsächlich intelligent
und engagiert. Sie sind perfekt angepasst an das System, das von
ihnen allerlei Prüfungen abverlangt, und sie wissen, wie man
Prüfungen mit Auszeichnung besteht. Ihre Lebensläufe sind
entsprechend großartig. Meine Studenten sind die besten ihrer
Generation, die „Master of the Universe“, die einmal das Land
führen werden.
Und
doch fehlt etwas. Stellt man ihnen eine Frage über die Zivilisation,
die sie einmal übernehmen werden, dann bekommt man nur Verlegenheit
als Reaktion. Wer kämpfte im Peloponnesischen Krieg? Wer war der
Lehrer Platos? Wer hat Homers Odysseus gelesen? Worin bestanden die
95 Thesen? Wer war Guy Fawkes? Die Magna Carta? Was sagte Lincoln
anlässlich seiner zweiten Amtseinführung, seiner dritten?
Mit
dem ein oder anderen können manche Studenten sogar etwas anfangen.
Aber es sind Ausnahmen, die meist darauf beruhen, dass sie einen
alten Lehrer in der Schule hatten, der auf das Erlernen einiger klassischer
Geschichten bestand. Die überwältigende Mehrheit der Studenten aber
kann mit all dem nichts anfangen, sie leiden an systematischer
Ignoranz.
Dabei
ist es nicht einmal wirklich ihre „Schuld“, dass sie nichts über
europäische und amerikanische Geschichte, Politik, Kunst und
Literatur wissen. Denn sie haben genau das gelernt, was man ihnen
zu lernen aufgetragen hat und erst dadurch wurden sie zu
ahistorischen akademischen Eintagsfliegen.
Es
handelt sich dabei nicht um ein Versagen des Bildungssystems - im
Gegenteil, ihre Unwissenheit ist dessen größter Triumph. Mehrere
Generationen an Philosophen, Reformern und Bildungspolitikern haben
es sich zum Ziel gesetzt, eine Generation der Ahnungslosen zu
produzieren und sie haben es geschafft. Die Ignoranz unserer
Studenten ist daher nicht etwa ein unglücklicher Zufall, sondern der
berechnete Ausgang eines Ansatzes, der den zivilisatorischen Suizid
zum Ziel hatte.
Das Ende des
Geschichtsbewusstseins unserer Studenten markiert auch das Ende der
Geschichte des Westens.
Multikulturalismus und Kultur sind Widersprüche
Lange
schon wird lamentiert, dass die Bildung immer mehr an Niveau verliert
und es wurde gehofft, dass hoffentlich bald eine Trendumkehr folgt
und die Bildung wieder ihren Namen verdient. Einer der Kritiker, E.D.
Hirsch, erstellte sogar einen Lehrplan als Orientierung für das
autonome Erlernen und Bewusstwerden der eigenen Kultur. Ganz so, als
könnte man mit der richtigen Einstellung und einer guten Leseliste
all die Versäumnisse wieder gut machen.
Dieser
Verlust an Bildungsqualität aber lässt sich nicht einfach
wettmachen. Es wäre möglich, wenn das Bildungssystem einfach nur
versagen würde. Das aber ist nicht der Fall, es arbeitet auf voller
Drehzahl. Mit diesem im Tandem arbeitet die Populärkultur daran, eine
kulturelle Amnesie zu erzeugen, was es fast unmöglich macht, als
Einzelner in einem Meer der Unwissenheit intellektuelles und
kulturelles Land zu finden.
Den
Studenten wird heute die Neugierde abgewöhnt, sie werden der
Geschichte entwöhnt und die Bildung besteht aus inhaltsleeren
Prozessen, über denen Phrasen prangern wie „kritisches Denken“,
„Diversität“, „soziale Gerechtigkeit“ und „kulturelle
Kompetenz“. Der Bildungsmangel unserer heutigen Studenten ist das
Ergebnis dieses programmatischen Aushöhlens, es wurden damit Individuen ohne Vergangenheit
produziert, für die letztlich auch die Zukunft und auch ihre Heimat
ein unbekanntes Land ist.
Ohne eine Identität sind sie in der Lage überall zu leben und sie können
jede Arbeit verrichten, ohne auch nur einmal darüber nachdenken zu
müssen, wo sie sind oder was sie gerade machen. Sie sind die perfekten Werkzeuge eines Wirtschaftssystems,
das „Flexibilität“ von seinen Arbeitern als oberste Maxime
fordert. In so einer Welt sind Kultur, Geschichte, ein Erbe und die
Gebundenheit an einen Ort oder an ein Volk, an bestimmte Eigenheiten
des Alltags und eine strikte Ethik und Moral nur hinderlich.
Sie begrenzen die
Einsatzmöglichkeiten und gelten daher als Behinderungen, die es zu
überwinden gilt.
Bildung wird begrenzt auf das, was gerade notwendig ist
Die
Metaebene unseres Bildungssystems vermittelt den Studenten die
Botschaft, dass sie radikal autonom sein müssen in diesem unseren
fortschrittlichen globalen und grenzenlosen Wirtschaftssystem, in dem
der kleinste gemeinsame Nenner darin besteht, sich gegenseitig egal
zu sein. Diese Indifferenz hält uns zusammen als globalisierte
Gemeinschaft. Jedes kulturelle Überbleibsel darin wäre nur
hinderlich bei diesem friktionsfreien Zusammenleben. Es wäre
ausgrenzend und es würde uns daran erinnern, dass wir Teil von etwas
größerem sind, dass wir etwas geerbt haben, und dass es eine Reihe
von Präferenzen, Wünschen und Grenzen gibt, die uns auf
grundlegender Ebene voneinander unterscheiden.
Die
antike Philosophie sah die Res Publica als Optimalzustand, in
dem der Einzelne zur Gesellschaft beiträgt und in der wir
öffentliche Güter zum Vorteil aller gemeinsam bewirtschaften. Was
wir aber erschaffen haben in den letzten Generationen ist etwas, das
man als Res Idiotica bezeichnen könnte - abgeleitet vom griechischen
Wort idiotes, was so viel bedeutet wie Privatperson. Wir bewegen uns
immer mehr auf eine Gesellschaft zu, die nur noch aus selbstbezogenen
Egoisten besteht, denen der persönliche Einsatz für das
öffentliche Wohl und die gemeinsame Kultur und Geschichte völlig
abgeht, und bei denen es sich um völlig leere Gefäße handelt ohne
wirkliche Verpflichtung für ein Ideal, aber empfänglich und
unterwürfig.
Sie
werden gegen nichts kämpfen, aber auch für nichts. Ihre Realität
wird einer permanenten Truman Show gleichen, deren Vergangenheit erst
gestern begann und in der sie sich selbst für den Mittelpunkt
halten.
Jeder Mensch, und
so auch diese Generation hat Talente und ein enormes Potenzial. Aber
man gab ihnen nicht das, was ihnen zustand und so hoffe ich selbst an
besseren Tagen, dass unser Bildungssystem bald schon zusammenbricht,
um auf dessen Ruinen etwas aufbauen zu können, das man als wirkliche
Bildung bezeichnen kann.
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