Viel y und viel Sand, aber diese russische MiG-29 hat sich eher nicht verflogen (Bildquelle) |
Von Syrien nach Libyen
In der Politik
geschieht nichts aus Zufall, so heißt es gerne, wobei diesem Bonmont
bislang noch niemand widersprochen hat. Daher sollte man auch ein
paar Gedanken darüber verlieren, warum die USA gerade vor einigen
Tagen
Fotos veröffentlicht haben, auf denen russische Kampfflugzeuge
in Libyen zu sehen sind.
Bekannt war bislang,
dass Russland die Seite von General Haftar unterstützt, der eine
Rebellenarmee kommandiert, die sich dem Diktat der international
anerkannten „Einheitsregierung“ in Tripolis nicht unterwerfen
will. Die Einheitsregierung setzt sich aus unterschiedlichen
islamistischen Kräften zusammen und sieht als wichtigstem
internationalen Verbündeten die Türkei auf ihrer Seite. Diese will
über den Hebel des nordafrikanischen Landes ihren
Einfluss im Mittelmeer zulasten Griechenlands ausbauen.
Die Rolle Russlands
ist in diesem Fall weniger durchsichtig, aber es läuft letztlich auf
eine ähnliche Situation wie in Syrien hinaus. Es geht vor allem um
geopolitische Positionierungen, um die Stärkung des eigenen
Einflusses auf die europäischen Machtzentren und vermutlich zu einem
gewissen Teil auch um den ideologischen Führungsanspruch im
kulturell europäischen Sinn, in dessen Rahmen die westeuropäische
Kultur (auch im eigenen Interesse) vor einem Überrennen durch Araber
und Afrikaner bewahrt werden soll.
Beide Seiten sind
fest entschlossen, ihre Pläne mit Gewalt durchzusetzen, denn beide
Seiten haben dies bereits in Syrien unter Beweis gestellt. Während
Russland sich schon lange an die Seite der syrischen Regierung unter
Präsident Assad stellte und sich aktiv in den Bürgerkrieg
einmischte, so tüftelte auch die Türkei im Norden des Landes an
ihren eigenen Plänen für den syrischen Teil des Grenzgebiets
zwischen der Türkei und Syrien.
Bislang trafen die
beiden Kriegsparteien noch nicht aufeinander. In Damaskus musste man
aufgrund der aufgrund des Bürgerkriegs erheblichen Engpässe im
Verteidigungsbereich auf eine Reaktion verzichten und muss die
türkische Präsenz auf dem eigenen Territorium zähneknirschend
akzeptieren. Russland wiederum als der starke Verbündete ist
offenbar nicht bereit – noch nicht bereit – zum großen Angriff
auf das militärisch potente NATO Mitglied zu blasen, und ließ
bislang alle türkischen Provokationen
folgenlos über sich ergehen.
Nicht anders
verhielt sich das Verhältnis bisher in Libyen. Bekannt war, dass
Russland insgeheim Haftar mit Ausrüstung, Ausbildung und Expertise
unterstützt und ebenso bekannt war, dass die Türkei selbiges der
Einheitsregierung zur Verfügung stellt. Es handelte sich um einen
Proxy-Krieg der klassischen Sorte, bei dem alles über die
Konfliktparteien bekannt war, keiner aber offiziell seine Beteiligung
bestätigte.
Der Feind meines Feindes...
Aus der Perspektive
der USA und basierend auf dem bisherigen Vorgehen der US-Außenpolitik
unter Präsident Trump war das eine gute Sache in dem Sinn, als dass
sich einer der bedeutendsten geopolitischen Konkurrenten in eine
potenziell blutige Sache für sich verwickelte. Es war ebenso gut,
als dass auch die unter Präsident Erdogan in Richtung Islamismus der
Marke Moslembruderschaft abgerutschte Türkei in diesem Konflikt mehr
als nur einige Federn verlieren könnte. Man ist zwar NATO Partner,
allerdings nur noch aufgrund der strategischen Lage der Osttürkei
relativ zu Russland und dem Iran. Es ist eine reine Zweckbeziehung,
die so lange halten wird, bis dieser Zweck seine Schuldigkeit getan
hat.
Für die USA gilt es
daher in erster Linie, sich selbst - aber auch die NATO -
herauszuhalten. In der Vergangenheit bemühte man nach dem Abschuss
des russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei sogar das
Mikromitglied der NATO Luxemburg für eine öffentliche Klarstellung,
wonach die NATO keinesfalls eine türkische Aggression in der Levante
unterstützen würde. Es war ein kleines Signal mit maximaler
Wirkung, dass sich die Türkei bei einer Aggression nicht auf den
strategischen Rückraum des Bündnisses verlassen könnte.
Nichts anderes gilt
heute für Libyen, so dass man sich fragen muss, weshalb die USA nun
diese Fotos veröffentlicht haben, mit der zumindest sich die
russische Seite nicht mehr herausreden kann, nichts mit den Kämpfen
direkt am Boden zu tun zu haben.
Ein Grund besteht
sicherlich darin, dass die Seite von General Haftar am gewinnen ist.
Die Einheitsregierung war von Anfang an nur ein künstliches
Konstrukt aus sich eigentlich bekämpfenden Fraktionen, deren
Rekruten aus Islamisten aus aller Welt bestehen, während Haftar
mehrere bedeutende Clans, die Mehrheit des Landes und die Ölvorkommen
auf seiner Seite hatte. Bei einer Konfrontation ohne jegliche äußere
Einmischung wäre es daher nur eine Frage der Zeit gewesen, bis
Haftar den Sieg errungen hätte.
An wen sind die Fotos gerichtet?
Als direktes Kalkül
ergibt sich daraus, dass die USA mit den Fotos womöglich auch die
Türkei zu einer Reaktion zwingen möchte, ihren Einsatz in Libyen zu
erhöhen. Denn das würde den Krieg mit Sicherheit verlängern und
das wäre wie oben beschrieben im Interesse der USA. Eventuell möchte
man auch die europäischen Mächte zu einer Reaktion zwingen, da der
„weiche Bauch“ des Kontinents demnächst ansonsten mit
stahlharten russischen Muskeln versehen sein wird.
Wie die europäischen
Mächte darauf reagieren werden, bleibt dahingestellt. Vielleicht
haben sie auch bereits reagiert, wobei in diesem Fall zu fragen wäre,
welche Strategie verfolgt wird. Denn zum einen wäre sie überaus
erfolglos – falls die Einheitsregierung unterstützt wird – denn
der Krieg wird gerade verloren, während die Migrantenboote legen
weiterhin fast täglich vom Hafen in Tripolis ablegen. Oder aber die
EU unterstützt Haftar und steht damit an der Seite Russlands, was
jedoch als äußerst unwahrscheinlich gelten kann. Es stünde im
diametralen Gegensatz zu allem, was bislang politisch von Seiten der
EU und der europäischen Länder in Richtung Russland ausgegangen
ist.
So lässt sich
schließen, dass die amerikanischen Fotos in erster Linie an die
Türkei gerichtet sind. Interessant wird es vor allem dann, sollten
die USA auch Fotos von türkischen Einheiten in Libyen
veröffentlichen, wobei man in Ankara allerdings in erster Linie auf
Söldnertruppen zurückgreift. Es könnte also an Fotoobjekten
mangeln, noch jedenfalls.
Doch auch ohne
Beweisfotos für eine weitere Runde im Kriegsspiel um Libyen scheint
man in den USA das absehbare Ende des Bürgerkriegs zu sehen, so dass
sich ein anderes Ziel der USA in der Angelegenheit andeutet. Trump
hat in der Vergangenheit sehr deutlich artikuliert, dass er keine
Proxy-Kriege mehr führen würde, dass er der CIA das Anfüttern von
Kriegsparteien verbieten würde und er keine „amerikanischen
Stiefel“ mehr auf fremden Boden am anderen Ende der Welt setzten
lassen würde. Da es sich dabei um eines seiner zentralen
Wahlkampfthemen handelte und seine Wählerbasis ihm unter anderen
deswegen die Stimme gab, wird er so kurz vor der Wahl kaum einen
direkten oder indirekten Krieg mit Russland riskieren.
Türkei VS Russland = Win-Win für Trump
Das Kalkül der USA
kann letztlich nur darin bestehen, den Krieg entweder bei minimalen
Kosten in allen Dimensionen für sich selbst am köcheln zu halten.
Oder aber darin, sich rechtzeitig vor der Entscheidung als Zünglein
an der Waage zu präsentieren, um vom jeweiligen Gewinner noch den
maximalen Preis abverlangen zu können, bevor der Krieg entschieden
ist.
Dafür sind
derartige Fotos perfekt geeignet. Denn sie reizen den Rezipienten
Türkei so weit, als dass das Land sein Engagement in Libyen
aufstocken wird, um den russisch befeuerten Siegeszug von General
Haftar zumindest eine zeitlang aufzuhalten. Beide Seiten werden aus
diesem Grund bald schon die USA brauchen, da sie sie als einziges
Land über ausreichend Macht und Gewaltmittel verfügt, um eine klare
Entscheidung zu bringen.
Stellen sich die USA
schließlich auf die Seite Russlands, dann wird Russland den Preis
bezahlen müssen, keine Militärbasen in Libyen zu unterhalten und
den Ölpreis auf ein Niveau zu heben, das die US-Erdgasindustrie vor
dem Bankrott rettet. Stellen sich die USA wiederum auf die Seite der
Türkei, dann wird der Preis darin bestehen, dass die Türkei seine
zulasten anderer Länder gerichteten neo-osmanischen Ambitionen
aufgibt und den politischen Islam nicht mehr als Hebel seiner
Machtinteressen nutzen wird.
Trump wird sich in
der Libyengeschichte am Ende aussuchen können, wessen Kuchen er
essen will. Eventuell wird er vielleicht sogar in der Lage sein, sich
beide Kuchen zu schnappen. Es wäre ein Deal, wie es Trump gefällt.
In Anbetracht der politischen Mentalitäten in Ankara und Moskau aber
scheint es an der Zeit zu sein, eine Wette gegen die türkische Lira zu platzieren.
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