Noel Ignatiev, ein Mann mit dem Charme eines Politbüros (Bildquelle) |
„Wer dich von Absurditäten überzeugen kann, der kann Dich auch zu Verbrechen verleiten.“ (Voltaire, nicht Ignatiev!)
Heute mal eine gute
Nachricht vom Schlachtfeld des Kulturkampfes. Denn mit Noel Ignatiev
starb ein allzu unbekannter General und Stratege des postmodernen
Kulturmarxismus, dem der Nihilismus zeitlebens aus allen Poren
geströmt zu haben scheint. Bekennender Kommunist war er
selbstverständlich, das ist klar. Er selbst bezeichnete sich als
Autor und Historiker, was ihm
die englische Wikipedia hochamtlich bestätigt. Leider ist es
nicht möglich, auf seinen Eintrag in der deutschen Wikipedia zu
verweisen, da es keinen gibt.
Doch obwohl es sich
bei Ignatiev für mich wie für die meisten Leser dieser Zeilen und
sogar die deutsche Linke von Grün bis Stalin um keinen
Haushaltsbegriff handelte, so scheint er eine weitaus bedeutendere
Rolle gespielt zu haben beim Zusammenbrauen der aktuellen
Verwerfungen in der Gesellschaft, als seine abwesende Bekanntheit
implizieren mag.
Denn Noel Ignatiev
erfand in seiner Karriere als „marxistischer Aktivist“ nichts
geringeres als diese ominöse „Whiteness“, die gerne auch begriff
erweitert wird zur „critical Whiteness“. Es handelt sich dabei um
die ideelle Grundidee, dass der weiße Mann für alles Übel der Welt
verantwortlich sei. Also angefangen vom vergifteten Baggersee, über
die übliche Unterdrückung von Frauen und vor allem Menschen anderer
Hautfarbe, bis hin zur Beschneidung des kleinen Mädchens in einem
Vorort von Mogadischu, hatte der weiße Mann instrumental seine
Finger im Spiel – und zwar ganz alleine.
Das alles, so
Ignatievs Lebensfiebertraum, macht der weiße Mann, weil er genetisch
wie kulturell angetrieben wird von einem geradezu animalischen Drang
zur Profitgier. So etwas geschieht in keinem anderen Kulturkreis und
kein Mensch mit bunter Hautfarbe außer eben dem weißen Mann geht
derart zynisch vor und daher hat er auch so viel Erfolg beim
Drangsalieren aller Dinglichkeiten, die sich von ihm unterscheiden.
Ignatievs Schlussfolgerung war maximal eindeutig und da seine Analyse
mitsamt der Warnung so eindringlich war, folgten ihm entsprechend
viele und erklärten sein Weltbild zum Fundament aller Kultur,
Wissenschaft und Politik in der westlichen Welt des weißen Mannes.
Dieses „weißer
Mann“ in den vorigen Absätzen war, so ehrlich muss ich sein, eine
Spekulation. Ignatiev sprach vom Weißsein generell und das müsste
auch Frauen umfassen wie auch solche, die sich dafür halten. Dann
aber denke ich auch, dass wir uns nichts vormachen brauchen und so
ist es keineswegs abwegig, der weißen Frau im Anbetracht des auch
ihr vom weißen Mann aufgeladenen Jochs der Unterdrückung einen
Persilschein in der Sache auszustellen - auch wenn es genau genommen
die weiße Frau war, die jeden einzelnen weißen Mann zur Welt
brachte.
Genau nehmen muss
man es bei Ignatiev allerdings nicht. Denn auch er schien es nicht
allzu genau genommen zu haben. Im Unterschied zu den allermeisten
seiner ideellen Schüler verbrachte er zwar tatsächlich zwei
Jahrzehnte „in der Produktion“ einer amerikanischen Stahlhütte.
Aber auch dort, im heutigen „Rostgürtel“ taten sich allerlei
Gewerkschaften hervor mit Agitation als Heizmittel für die Köpfe
der Arbeiter anstelle für das Roherz im Kessel. Nicht anders war es
wohl bei ihm, wie sein Wikipediaeintrag andeutet, wo ihm nicht das
Attribut des „exzellenten Stahlgießers“ verliehen wird für
seine Zeit im Umfeld von Schmelzöfen, sondern eben der oben bereits
erwähnte „marxistische Aktivist“.
Ebenso wenig genau
nehmen muss man es bei Ignatiev angesichts seines Hintergrundes. Der
Mann entstammte einer jüdischen Familie, die aus Russland in die USA
ausgewandert ist. Er hatte also gleich ein Mehrfaches an Glück,
würde man es genau nehmen und sich des mittel- bis osteuropäischen
Erbsenzählens für den Zeitraum 1917-1945 betätigen. Mit dem
unempfundenen Glück des rechtzeitig Entkommenen konnte Ignatiev denn
auch die „anti-“faschistische Gegenthese zum allgemeinen
Faschismus formulieren: Nicht der Jude oder der Kapitalist ist schuld
an allem Übel der Welt, sondern der weiße Mann. Dieser ist
unentrinnbar schuldig und kann sich als Ausweg nur in die
Selbstauflösung büßen.
Wegrennen für den
weißen Mann geht allerdings leider nicht. Also in etwa so, wie es
Ignatievs Eltern schafften und nicht weniger auch wie es die
Vorfahren von Ignatievs Arbeitskollegen in der Stahlhütte schafften,
die vom sklavenhaltenden Süden allzu oft von – Achtung! - weißen
Helfern in den Norden und damit in die Freiheit gebracht wurden.
So starb denn dieser
Tage mit Ignatiev ein Historiker, der keiner war, sondern der sich
die Vergangenheit zurecht selektierte wie es ihm passte. Es starb mit
ihm auch ein Marxist, der kein arbeitender Proletarier war, sondern
der sich die Tage mit Agitieren und Aufhetzen vertrieb. Nur den
Autor, den kann man ihm abnehmen – so wie Marx, Lenin, Mao oder
Hitler. Die haben sich auch als Autoren versucht. Nur Stalin schrieb
nichts. Der mordete nur.
Was bleibt von
Ignatievs Tod und der Tatsache, dass es aus
den Untiefen des englischsprachigen Internets auf meinen
Bildschirm gelangte ist die schlussendliche Bestätigung über eine
Vermutung, die ich schon länger hege beim Thema „weißer Mann“.
Denn egal was ich darüber lese oder höre, es ergibt immer erst dann
einen Sinn für mich, wenn ich gedanklich den „weißen Mann“
ersetze durch den Begriff des „Kapitalismus“. Die ehemalige
Existenz des Noel Ignatiev bestätigt mir diese Vermutung nun zu
90%.
Die Differenz zu den
Einhundert Prozent rühren wiederum daher, dass es mir hin und wieder
auch so vorkam, als würde die politische Kulturlinke den „weißen
Mann“ insgeheim nicht nur als Chiffre für den „Kapitalismus“
verwenden, sondern auch für den gemeinen „Juden“. Da Noel
Ignatiev allerdings wie auch der zehn Jahre ältere George Soros über
einen jüdischen Hintergrund verfügt, kann ich ich diese Vermutung
nun ausschließen und ad acta legen. Oder hat vielleicht schon einmal
jemand vom Phänomen des
jüdischen Selbsthasses gehört?
Eines muss Noel
Ignatiev lassen. Angesichts der vielen Krise die sich mit dem Wissen
um ihn schließen müssten sein Name und sein Werk erheblich
bekannter sein. Seine Verantwortung und die Bedeutung seiner Ideen
für die heutige Gemengelage auf dem Schlachtfeld des Kulturkampfes –
und überhaupt dessen Ausbruch – würde ich vergleichen mit niemand
geringerem als Antonio Gramsci.
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