Im Namen San
Francisco schwingt noch immer die Unbeschwertheit der Flower Power
Bewegung der 1960er Jahre mit. Die Atmosphäre der Stadt war in den
USA einzigartig, was auch für das nähere Universitäts- und
Forschungsumfeld galt. Das Silicon Valley als Sinnbild des
technologischen Fortschritts liegt nur einen Steinwurf entfernt und
so konnte sie sich Heimstadt vieler erfolgreicher Programmierer und
Entwickler etablieren, die immense Geldsummen in die Stadt brachten.
Doch es gibt Schattenseiten dieser Entwicklung und diese kratzen
inzwischen unübersehbar an der glänzenden Fassade der Stadt.
Extremer Reichtum und extreme Armut auf einem Fleck
San Francisco hatte
bereits in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts massive
Probleme mit Personen, die planlos dem goldenen Ruf der Stadt gefolgt sind,
dann aber süchtig und kaputt auf der Straße landeten. Aufgrund der
Abwesenheit eines umfassenden Sozialsystems und der offenen Duldung
der Drogenszene verschwanden diese Obdachlosen nicht wieder, vielmehr
wuchs ihre Zahl mit jedem Jahr und mit jedem konjunkturellen
Abschwung weiter an.
Es klingt
widersprüchlich, aber zu diesem Phänomen trug der steigende Erfolg
von Unternehmensgründungen im Silicon Valley stark bei. Microsoft,
Sun, Cisco, HP, Apple und viele andere Unternehmen, deren Produkte
mit dem Aufkommen von Personal Computern in den 1980er Jahren zu
Welterfolgen wurden, schufen eine riesige Oberschicht an
Programmierern, Forschern, Ingenieuren und Unternehmern, die es sich leisten
konnten im Silicon Valley zu arbeiten und im mondänen San Francisco
zu leben, das nur etwa 50 Kilometer entfernt liegt.
Dadurch sind die
Häuserpreise über die Jahre so weit in die Höhe geschossen, dass
heute selbst die Mittelschicht der Stadt - also Handwerker, Lehrer
und öffentlich Bedienstete - als "arm" zählen. Ein
aktueller Artikel des Business
Insider spricht von Haushalten mit einem Jahreseinkommen von bis
zu 117.400 US-Dollar, die in diese Kategorie fallen und daher zumindest theoretisch das
Recht haben auf eine Sozialwohnung.
Ganz Südkalifornien
leidet inzwischen unter einem massiven Problem mit der
Obdachlosigkeit. Obwohl die Region insgesamt noch immer boomt und
mehr als genügend öffentliches und privates Geld vorhanden ist, um
die bestehenden Probleme auf lokaler Ebene zu lösen, verschlimmert
sich die Lage eher, als dass sie sich verbessert.
Von San Francisco
über San Diego und Anaheim bis hin zu Los Angeles haben sich
Zeltstädte mit teils tausenden Einwohnern gebildet, in denen sich die abgestürzte Mittelschicht zum
gemeinsamen Überleben sammelt.
Währenddessen sind den Stadtoberen des Bundesstaates sog. „Sanctuary Cities“ als Zufluchtsorte
für illegale Einwanderer und deren medizinische Versorgung wichtiger, als die Nöte der eigenen Bevölkerung.
Hinzu kommen überall
in Kalifornien Pensionskrisen, da öffentliche Angestellte über
die Jahrzehnte zu hohe Pensionsansprüche zugesprochen bekamen und
diese Rechte verfassungsmäßig stärker wiegen als andere
Ausgabenposten. Es ist ein Problem, das nicht nur Kalifornien plagt,
sondern auch andere Bundesstaaten, wie etwa Illinois, wobei viele
davon ausgehen, dass diese Staaten unweigerlich auf ihren kompletten
Zusammenbruch zusteuern.
Schlimmer oder eher
grotesker hinsichtlich der grassierenden Armut und Obdachlosigkeit ist es nur noch im Silicon
Valley selbst, wo sogar hochbezahlte Programmierer verhältnismäßig
arm sind und froh sein können, für eine schäbige Bude 3.000
US-Dollar Miete im Monat zu bezahlen. Nicht wenige leben aus ihrem
Auto heraus. Das im Silicon Valley ansässige Unternehmen Cisco
bot inzwischen 50 Millionen US-Dollar an, um das Problem zu
bekämpfen.
Angesichts der Mondpreise in der Bay Area aber, an deren einen
Ende San Francisco liegt und am anderen Ende das Silicon Valley
dürfte dieser Einsatz nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Die Krise auf San Francisos Straßen schadet inzwischen massiv der Wirtschaft
Wie der San Francisco Chronicle nun berichtet musste ein Medizinerkongress in der Stadt abgesagt werden, weil die öffentliche Sicherheit der Teilnehmer nicht garantiert werden kann. In dem Artikel heißt es, dass „in einem alarmierenden Schritt für San Franciscos größte Industrie eine bedeutende medizinische Gesellschaft ihren Jahreskongress aus der Stadt heraus verlegen musste - zur Begründung heißt es, dass deren Mitglieder sich nicht mehr sicher fühlen.“
Die 15.000 Gäste des Kongress mit einem Budget von 40 Millionen US-Dollar werden sich nun woanders treffen und ihr Geld ausgeben.
Laut
Artikel liegt der spezifische Grund darin, dass die Teilnehmer in
ihrer Freizeit zwar gerne in der Stadt schlendern würden, dies aber
aufgrund des „offenen Drogenkonsums, wegen Drohgebärden und auf
den Straßen häufig anzutreffenden Personen mit psychischen
Problemen“ nicht mehr möglich sei. Das alleinige Aufhalten auf den
Straßen von San Francisco ist zu
gefährlich geworden.
Das große Problem
für die Stadt ist dabei, dass die meisten Besucher, ob beruflich
oder privat in San Francisco, das meiste Geld nicht im Hotel oder auf den Konferenzen ausgeben, sondern beim Bummeln durch die Stadt. In den letzten
Jahren wurde zwar versucht, mit privaten Sicherheitsdiensten vor
allem im Gebiet der Messegelände für eine bessere Sicherheitslage
zu sorgen, allerdings meint Joe D'Alessandro, Chef eines großen
Reiseveranstalters der Stadt, dass diese Versuche gescheitert sind
und die Sicherheitslage sich sogar noch verschlechtert hat.
Das braune i-Tüpfelchen auf der erodierenden öffentlichen Sicherheit von San Francisco
Wie groß und anrüchig San Franciscos aktuell sind lässt sich buchstäblich an
einem Foto ablesen, das einen Artikel von SF
Gate ziert: „20 pounds of human
waste“ heißt es dazu. Auf deutsch: „10 Kilo menschliche Scheiße“, die einfach so
an einer Straßenecke von San Francisco abgeladen wurden. Gefunden
hat das Foto ein
Reddit Nutzer auf einer Smartphone App, mit der man der Polizei
der Stadt Verbrechen melden kann.
Man kann davon
ausgehen, dass die App noch einige andere Leckereien dieser Art
bietet.
Von der „Flower
Power“ jedenfalls ist in San Francisco nicht mehr viel übrig. Die
Probleme stapeln sich und
sie sind für alle offen sichtbar. Von weitem mag die Stadt noch
immer wie ein Traum aus dem Postkartenalbum wirken, je näher man ihr
aber kommt, desto mehr erinnert sie an einen der Armutsmoloche in
Afrika oder Südasien und mitunter an den Dschungel von Calais.
San Franciscos
linke Bürgermeistern London Breed genießt derweil die
Aufmerksamkeit auf einer „Gay Pride“ Parade der Stadt.
twitter
google+
fb share