Überbevölkerung: Wenn Idiotie auf Ideologie trifft (Bildquelle) |
Wenn es heute um
die menschengemachten Katastrophen in aller Welt geht, da verweisen
gutmenschliche Kreise und ihre Freunde aus der
leninistisch-marxistischen Ecke gerne auf den bösen Kapitalismus,
mit dem der ebenso böse weiße Mann die Welt malträtiert. Schaut
man sich aber die Sache aber im Detail an, dann ergibt sich ein
anderes Bild. Eines, das geprägt ist von örtlicher Inkompetenz
gepaart mit Überheblichkeit und Ideologie. So auch im Falle
Pakistans und dessen multipler Strukturkrise. Zufällig bin ich
letztens über einen alten Artikel dazu gestolpert. Er handelt von
Pakistans massivem Bevölkerungsdruck - und er stammt aus dem Jahr
1989.
"Plan or Perish" von Alys Faiz(?) aus der Viewpoint Ausgabe vom 7. September 1989 |
Schon vor 30 Jahren bot Pakistan ein Bild des Schreckens
Mit „Plan or
Perish“ war im Jahr 1989 ein Leitartikel betitelt, der im säkularen
pakistanischen Viewpoint Magazin erschien, das heute leider nicht
mehr existiert. Übersetzen lässt sich der Titel sinnhaft in etwa
mit „Vorausplanen oder die Konsequenzen tragen“. Darin wird
beschrieben, dass Pakistan seit seiner Staatsgründung 42 Jahre davor
ein nie dagewesenes Bevölkerungswachstum erlebt. Zwar fielen die
Zahlen relativ, absolut aber drängten damals mehr Menschen denn je
vom Land in die Städte, während die Landbevölkerung noch immer
jenseits der landwirtschaftlichen Kapazitäten wuchs.
Laut Artikel hätte
die Infrastruktur jedes Jahr um mindestens 3,2 Prozent wachsen
müssen, um mit dem Bevölkerungswachstum hinterher zu kommen.
Krankenhäuser, Schulen, Straßen, Elektrizität, all das konnte der
pakistanische Staat damals bereits nicht mehr allen Bürgern zur
Verfügung stellen.
In Karatschi,
einer Millionenmetropole im Süden des Landes an der Indusmündung
seien soziale und ethnische Spannungen an der Tagesordnung, wobei der
Hauptgrund für die Ausschreitungen vor allem in der für alle
sichtbaren wirtschaftlichen Misere begründet lag.
Dies wohlgemerkt,
als die Stadt sieben Millionen Einwohner hatte. 1951 hatte lebte dort
noch eine Million Menschen, während sie zur Zeit der
letzten Volkszählung 2017 bereits 15 Millionen Einwohner zählte.
Der Artikel warnt vor einem „Szenario wie bei Malthus“
Doch selbst
Karatschi war damals schon lediglich die Spitze eines viel größeren
Eisbergs. „Das ganze Land droht zu explodieren, sollten unsere
Wirtschaftsplaner angesichts der gigantischen bevölkerungsbedingten
Probleme nicht bald aufwachen,“ so der Artikel. Gefordert wird eine
sofortige Halbierung des jährlichen Bevölkerungswachstums von 3,1%
und das nur, um die schlimmsten Engpässe in der öffentlichen
Versorgung zu überwinden.
Wie sehr der Artikel
richtig lag in seiner Einschätzung ist seine Prognose von 150
Millionen Einwohnern für Pakistan um das Jahr 2000 herum.
Tatsächlich weist Google für Pakistan eine Bevölkerungszahl von
144 Millionen aus, nachdem das Land 1989 noch etwa 108 Millionen
Einwohner hatte.
Laut den damaligen
Wirtschaftsplanern stellten diese 144 Millionen Einwohner die
maximale Bevölkerungsgröße dar, die das Land ernähren kann. Im
Artikel wird bezweifelt, dass dies auch so kommen wird und stellt die
Frage, wie man effektiv das Wachstum eindämmen will.
Tatsächlich
wächst Pakistan heute mit seinen 170 Millionen Einwohnern noch immer
und beherbergt damit mindestens 20% mehr Menschen, als es dauerhaft
versorgen kann.
Es wird eine Bevölkerungskontrolle gefordert „egal was die Fundamentalisten sagen“
Der Artikel fordert
für „die nächste Planungsperiode“ - offenbar war im damaligen
Pakistan die Zentralverwaltungswirtschaft in Mode – eine
Priorisierung der Bevölkerungskontrolle. Gelder sollen zur Verfügung
gestellt werden für Prämien und Bildungsprogramme, damit Menschen
freiwillig die Zahl ihrer Kinder begrenzen, und damit das Land nicht
mehr weiter unkontrolliert über seine Kapazitäten hinauswächst.
Explizit erwähnt
werden die Fundamentalisten des Landes, die damals noch eine säkulare
Opposition vorfanden. Mittlerweile haben letztere größtenteils das
Land verlassen, oder sie wurden eingeschüchtert, oder ermordet, oder
mit der schieren Bevölkerungsübermacht marginalisiert.
Dazu wird auch das
heute noch bestehende Bildungsproblem Pakistans verwiesen. Anstelle
vieler Kinder fordert der Leitartikel des Viewpoint Magazins weniger
Kinder, denen dafür eine gute Bildung ermöglicht werden kann. Auch
hier lässt sich heute urteilen, dass der Artikel definitiv kein Echo
fand. Seit einem Jahrzehnt stagniert
die Alphabetisierungsrate Pakistans bei erschreckenden 55%.
Anstelle von Lesen
und Schreiben werden zu viele junge Pakistaner in kostenlose
islamische Schulen, sogenannte „Madras“ geschickt. Doch während
den Eltern mitgeteilt wird, dass ihre Kinder dort etwas lernen, so
besteht der Unterrichtsstoff am Ende in zu vielen Fällen aus nicht
viel mehr als dem Auswendiglernen des Korans und dem Einimpfen von
Hass gegen alles vermeintlich unislamische. Ein Phänomen, das auch
bei in
Europa lebenden Pakistanern beobachtet werden kann.
Interessant aus der
Perspektive des deutschen Ökowahns ist der Verweis auf das Argument,
wonach immer mehr Menschen immer mehr Ressourcen verbrauchen und die
Luft verpesten. „Alle fünf Sinne“ waren schon vor 30 Jahren
betroffen vom Smog der Stadt, wie der Artikel mitteilt. Die Augen
gereizt, die Nase verstopft, der Lärm unaufhörlich und auf der
Zunge ein fader Geschmack von Ruß.
Wären die
links-grünen Utopisten wirklich an der Rettung der Welt
interessiert, sie hätten bereits damals auf die Forderungen im
Artikel gehört und spätestens mit dem Antritt der links-grünen
Regierung 1998 mit der Umsetzung begonnen. Die Probleme der Dritten
Welt, sie könnten heute alle gelöst sein.
Leserbrief einer Mutter auf den "Plan or Perish" Artikel |
Ein Leserbrief, der eigentlich alles sagt
Der Artikel endet
mit einem ernüchternden Fazit. Pakistan droht mit Problemen in das
21. Jahrhundert zu stolpern, die es heute (also 1989) nicht bereit zu
lösen ist, die es bald schon aber nicht mehr beherrschen kann. Wie
die Geschichte im weiteren Verlauf leider gezeigt hat war der Artikel
keine Schwarzmalerei, sondern traf voll in die Mitte.
Wie sehr das
säkulare und vernunftbegabte Bürgertum des damaligen Pakistan
bereits verloren hatte zeigt ein Leserbrief zu dem Artikel. Eine
verheiratete Frau aus der Mittelschicht mit zwei Kindern schrieb,
dass sie und ihr Mann beschlossen, ihre Familie sei groß genug,
weshalb sie sich sterilisieren lassen wollte.
Sie ging daher zur
zuständigen Gesundheitsbehörde, die in solchen Fällen berät und
Operationen vermittelt. Neben der Überraschung darüber, dass die
Behörde kaum existent war und es sie fast nur auf dem Papier gab,
wurde ihr von den Ärztinnen der Behörde geraten, noch einmal über
ihre Entscheidung nachzudenken und wollten sie zunächst nicht
vermitteln. Erst als sie vehement auf die Operation bestand wurde sie
an ein Krankenhaus überwiesen.
Im Krankenhaus
weigerte sich die zuständige Frauenärztin offen dagegen, bei ihr
die Operation durchzuführen. Als Grund gab sie an, dass sie als
Angehörige der Mittelschicht ruhig noch ein paar Kinder mehr in die
Welt setzen könne (Plural!) und die Familie im Gegenzug eben „auf
ein paar Annehmlichkeiten verzichten soll“. Die zwei Kinder der
Frau würden laut der Ärztin keine Operation rechtfertigen. Ob die
Frau am Ende ihre Operation bekam ist unbekannt.
An dem Leserbrief
zeigt sich, dass die pakistanische Politik nach außen vielleicht ein
paar Versprechungen und Zugeständnisse in die Richtung der
Bevölkerungskontrolle machte und so tat, als würde sie das Problem
erkennen und es auch als Problem erachten.
Intern aber war die
Marschroute aber offenbar klar. Neben dem „Mitwachsen“ mit dem
großen Erzrivalen Indien, das etwa acht Mal so viele Einwohner hat,
waren auch die islamistischen Strukturen bereits fest installiert.
Zu Beginn seiner
Existenz machte Pakistan dank seines Staatsgründers Muhammad Ali
Jinnah noch einen vielversprechenden Eindruck, zumal das Industal im
British Empire eine sehr wohlhabende Region war.
Die religiösen Extremisten aber schafften es innerhalb von nur zwei
Generationen, dank Geburtenüberschuss – hier ein selten
lesenswerter Artikel
vom SPON dazu - die säkularen und freiheitlichen Werte im Land
so weit abzuschleifen, dass das Land am Ende unregierbar wurde. Den
finalen Schlag versetzte dem Land Mohammed
Zia-ul-Haq, der das Land zwischen 1977
und 1988 als Diktator (und
mit freundlicher Hilfe der CIA) unwiderruflich auf einen
islamistischen Kurs brachte.
Es
wundert daher nicht, dass der Hilferuf des Viewpoint Magazins aus dem
Jahr 1989 nicht nur bei uns ungehört verhallte, sondern auch in
Pakistan selbst. Die Probleme
Pakistan von damals aber, sie sie wuchsen so sehr, dass sie heute
auch ein Problem sind für uns am anderen Ende der Welt.
PS: Ebenfalls im
Viewpoint Magazin gefunden habe ich eine Werbeanzeige des
pakistanischen Finanzamtes: „Bitte zahlt doch eure Einkommensteuer“
:-)
Werbung mal anders: "Zahlen Sie ihre Einkommensteuer nach der Fähigkeit zu zahlen" |
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