Was für ein Unmensch: Putin will Steuern senken und Regulierungen abschaffen (Bildquelle) |
Seit 1999 ist Wladimir Putin der starke Mann in Russland und blickt man nur auf den BIP des Landes, so kann man nichts anderes als den Hut ziehen vor der Leistung des Mannes. Unter seiner Führung hat sich das Land entwickelt, wie noch nie eines davor. Inzwischen ist Russlands Position nach außen wie nach innen so unangreifbar gefestigt, dass das Land mit umfassenden Reformen beginnen kann, die seinen Bürgern eine umfassende Wohlstandsdividende bescheren wird. Putins jährliche Ansprache vor der Nationalversammlung lässt dabei keine Wünsche offen und gibt einen Hinweis darauf, wie sehr sich die mediale Propaganda hierzulande unterscheiden muss von den wirklichen Verhältnissen in Russland.
Russia Insider: Putin hält die westlichen Eliten inzwischen für „Schweine“
Ein Artikel mit
dem Titel „Putin
sagt den westlichen Eliten: Die Spielereien sind zu Ende“, den
ich vor fast fünf Jahren veröffentlicht habe, wurde zu meinem
bislang erfolgreichsten Artikel, der in den vergangenen Jahren
auf über 200.000 Klicks kam. In dem Artikel schrieb ich über Putins
Rede auf der Valdai Club Konferenz von 2014. In dieser Rede
definierte er die neuen Regeln, nach denen Russland seine
Außenpolitik ausrichten sollte: Mit offenen Karten, sich in Gänze
öffentlich darstellen, als souveräne Nation unter anderen
souveränen Nationen, als ein Land, das seine nationalen Interessen
geltend macht und von anderen Nationen eine gleichberechtigte Behandlung fordert. Doch
wie schon zuvor haben die westlichen Eliten nicht auf ihn gehört.
Anstelle einer für
beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit ergaben sie sich in der
Folge weiterhin in leeren Anschuldigungen und verfügten
kontraproduktive wie zahnlose Sanktionen. So klang bei Putin in
seiner gestrigen Ansprache vor der russischen Nationalversammlung
eine deutlich wahrnehmbare und völlige Verachtung und Missbilligung
für seine „westlichen Partner“ durch, wie er sie in der Vergangenheit
für gewöhnlich nannte. Dieses Mal aber bezeichnete er sie als
„Schweine“.
Die jährliche Rede
des Präsidenten vor der Nationalversammlung hat eine große
Bedeutung. Der Charakter der jährlichen präsidialen Rede vor der russischen Nationalversammlung ist ein ganz anderer als beispielsweise
in Venezuela, wo nicht viel mehr passiert, als dass ein seltsam
dicklicher Typ mit Schnäuzer in seinem Wohnzimmer ein Video aufnimmt
und es bei YouTube hochlädt. In Russland dagegen ist diese
Veranstaltung ein Treffen der Who-is-Who der russischen Politik,
darunter Kabinettsminister, Kremlmitarbeiter, das Parlament
(Staatsduma), Regionalgouverneure, Wirtschaftsmagnaten, politische
Experten sowie eine große Anzahl an Journalisten. Auffällig bei der
diesjährigen Ansprache war die sehr große Spannung, die bei der
Veranstaltung herrschte: Die Atmosphäre wirkte, als würde sie unter
Strom stehen.
Schnell wurde klar,
warum die oberste Führungsebene der russischen Staatsbürokratie
nervös war: Putins Rede war zum Teil eine Ausgabe der neuen
Marschroute des russischen Staates, zum Teil aber auch eine
Standpredigt. Seine Pläne für die nächsten Jahre sind äußerst
ambitioniert, wie er selbst zugab. Die Latte ist sehr hoch angesetzt,
so seine eigenen Worte, und diejenigen, die der Herausforderung nicht
gewachsen sind sollten besser Abstand davon nehmen. Auf fast alle der
im Saal Versammelten wartet sehr harte Arbeit und diejenigen von
ihnen, die bei ihren Aufgaben scheitern, werden beim nächsten Mal
wahrscheinlich nicht dabei sein, weil ihre Karriere aufgrund
mangelhafter Leistungen beendet sein wird.
In der Ansprache gab
es kaum schlechte Nachrichten und gleichzeitig eine ganze Reihe sehr
guter. Die finanziellen Reserven Russlands sind mehr als ausreichend,
um die gesamte öffentliche und private Auslandsverschuldung des
Landes zu decken. Die Exporte von Ressourcen jenseits von
Energieträgern boomen so stark, dass Russland keine Öl- und
Gasexporte mehr benötigt, um eine positive Handelsbilanz zu erzielen. Das Land hat sich inzwischen weitgehend immunisiert gegen
westliche Sanktionen. Die eurasischen Integrationsprojekte laufen
sehr gut. Die Investitionen der russischen Regierung in die Industrie
zahlen sich aus.
Die Regierung
verfügt über große Kapitalreserven, die nun für heimische
Programme ausgeben werden und den Menschen im Land zugute kommen
sollen. Es soll allen Russen dabei geholfen werden länger und gesünder zu leben und mehr Kinder zu bekommen. „Mehr Kinder -
niedrigere Steuern“ so einer der eingängigeren Slogans. In der Hauptsache drehte sich die Rede um:
- Die Beseitigung der verbliebenen Armut
- Niedrige, subventionierte Hypothekenzinsen für Familien mit zwei oder mehr Kindern
- Renten, die über das offizielle Mindesteinkommen hinaus gehen und an die Inflation angepasst sind (und sogar rückwirkend ausgezahlt werden sollen)
- Alle Schule werden ans Hochgeschwindigkeitsinternet angeschlossen
- Ein System ländlicher Kliniken soll einen universellen Zugang zur Gesundheitsversorgung garantieren
- mehrere neue Onkologiekliniken von Weltklasse sollen entstehen
- Unternehmensgründungen im Technologiebereich bekommen Unterstützung
- Es gibt ein „Sozialvertrags“-Programm, das Menschen bei der Gründung von Kleinunternehmen unterstützt
- Ein weiteres Programm namens „Ticket in die Zukunft“ für Sechstklässler entsteht, damit diese frühzeitig einen Karriereweg einschlagen können inklusive gezielter Studienprogramme, sowie Mentoren- und Ausbildungsplätze
- Viele neue Infrastrukturprojekte wie die demnächst eröffnete Autobahn zwischen Moskau und der St. Petersburg
- Ein verbessertes Recyclingsystem sowie die Reduzierung der Luftverschmutzung in einem Dutzend Großstädte
Die Liste geht
weiter und weiter. In keinem einzigen Kommentar zu dieser Rede in
den Nachrichtensendungen und Talkshows wurden die Vorschläge mehr
als nur im Detail kritisiert; wer könnte schon dagegen sein, das
Vermögen des Landes für Projekte zu verwenden, die der Bevölkerung zugute kommen?
Das vielleicht
ehrgeizigste Ziel von Putin ist dabei eine umfassende Reform des
gesamten Systems staatlicher Regulierungen in Russland, das sowohl
föderal als auch regional, und in allen Bereichen des öffentlichen
Lebens und des Handels. In den nächsten zwei Jahren wird jede
einzelne Regulierung daraufhin untersucht, ob sie notwendig ist, ob
sie den heutigen Bedürfnissen entspricht oder nicht und ob sie daher
abgeschafft werden kann. Damit werden die Belastungen, die mit dem
Einhalten und Überwachen der Vorschriften einhergehenm erheblich
verringert und die Kosten für Unternehmen deutlich gesenkt.
Ein weiteres Ziel
besteht darin, den bereits boomenden Agrarexportsektor weiter
auszubauen. Im vergangenen Jahr hat Russland die Selbstversorgung mit
Weizensaatgut erreicht, aber das übergeordnete Ziel ist es, eine
vollständige Selbstversorgung mit Lebensmitteln zu erreichen und der
weltweit führende Anbieter von ökologisch sauberen Lebensmitteln zu
werden. (Wie Putin betonte bleibt Russland der einzige bedeutende
landwirtschaftliche Produzent der Welt, der nicht mit amerikanischen
GVO verseucht ist.) Ein weiteres Ziel ist es, die bereits boomende
russische Tourismusindustrie durch die Einführung von einfach zu
erhaltenden elektronischen Touristenvisa weiter auszubauen.
In seiner
letztjährigen Rede überraschte Putin die Welt mit deren zweiten
Teil, als er die Entwicklung einer ganzen Reihe neuer Waffensysteme
bekannt gab, die effektiv jeden Teil der militärischen Überlegenheit
der USA zunichte machen. In diesem Jahr fügte er nur ein neues
System hinzu: Eine Überschallrakete namens „Zirkon“, die mit Mach 0 fliegt und eine Reichweite von 1000 km hat. Dazu er legte er auch
einen Zwischenbericht über alle anderen neuen Waffensysteme
vor: Alles läuft nach Plan; einige neue Rüstungsgüter wurden
bereits geliefert, andere gehen in die Serienproduktion, der Rest
wird getestet. Er sprach sich für normalisierte Beziehungen zur EU
aus, warf den USA aber „Feindseligkeit“ vor und fügte hinzu,
dass Russland niemanden bedroht und nicht an Konfrontation
interessiert sei.
Putins schärfste
Worte galten dabei der Entscheidung durch die USA, den INF-Vertrag
aufzugeben. Er sagte, dass die USA in böser Absicht gehandelt
hatten, als sie Russland beschuldigten den Vertrag zu verletzen,
während sie selbst gegen ihn verstoßen haben, insbesondere gegen
die Artikel 5 und 6, indem sie in Rumänien und Polen
Dual-Use-Startsysteme einsetzen, die sowohl für die Luftverteidigung
als auch für offensive Kernwaffen eingesetzt werden können, die der
Vertrag jedoch ausdrücklich verbietet. Die von den USA in Polen und
Rumänien eingesetzten Tomahawkraketen können auch mit
Atomsprengköpfen ausgestattet werden, weshalb sie ein Risiko
darstellen. Allerdings verschaffen sie den USA keinen
Erstschlagvorteil, da dieser Raketentyp so weit veraltet ist, so dass
selbst die Luftabwehrsysteme Syriens aus der Sowjetzeit die meisten
davon abfangen konnten, die von den USA als Strafe für den
Chemiewaffenangriff unter falscher Flagge in Douma gegen sie
eingesetzt hatten.
Im Hinblick auf den
amerikanischen Traum eines globalen Luftverteidigungssystems forderte
Putin die USA auf, „diese Illusionen aufzugeben“. Die Amerikaner
können denken was sie wollen, sagte er, aber die Frage ist: „Können
sie auch rechnen?“ Eine Frage mit Erklärungsbedarf.
Erstens können die
Amerikaner denken, was sie wollen, weil sie.... Amerikaner sind. Die
Russen selbst erlauben sich den Luxus nicht, auch über völlig
Unsinniges zu sinnieren. Wer in Russland seine Annahmen nicht auf
Tatsachen und Logik gründet, der handelt sich schnell die
Zuschreibung „likbez“ ein. Ein Begriff, der ursprünglich für
den „Kampf gegen das Analphabetentum“ stand und mit dem im
allgemeinen Sprachgebrauch Ahnungslose abgewürgt werden. Im
Unterschied dazu ist in den USA die offene Zurschaustellung von
grober Ahnungslosigkeit durchaus akzeptabel. Als Beispiel genügt es,
auf den idiotischen „Green New Deal“ hinzuweisen, der vom
Kongressneuling Alexandria Ocasio-Cortez angepriesen wird. Wäre sie
Russin, dann hätte man sie deswegen schon längst aus der Stadt
gelacht.
Also: „Können sie
auch rechnen?“ - Anscheinend nicht! Es gibt noch einen anderen
russischen Begriff - Matchast – der wörtlich „materieller Teil“
bedeutet, der im übertragenen Sinn aber für jenes Wissen steht, das
man sich nur mit Mathematik, den Naturwissenschaften und als Ingenieur aneignen kann. In Russland reagiert man auf Unwissende
wie Ocasio-Cortez, die der Meinung sind, dass der notwendige Strom für Elektrofahrzeuge alleine mit Wind- und Sonnenenergie gedeckt werden
kann, indem man ihnen sagt, sie sollen sich doch bitte erst einmal
etwas „Matchast“ aneignen, in den USA dagegen lässt man solche Leute wild
in den Hallen des Kongress herumturnen. Könnten die Amerikaner
rechnen, so würden sie schnell herausfinden, dass es kein denkbares
Verteidigungssystem gibt, das gegen die neuen russischen Waffen
wirksam wäre, dass es keine denkbaren Angriffswaffen gibt, die
Russland daran hindern können, einen unaufhaltsamen
Vergeltungsschlag zu starten, und dass daher das „neue Wettrüsten“
(das einige Amerikaner angekündigt haben) effektiv jetzt schon
vorbei ist und Russland gewonnen hat. Daher, und ich verweise hier
auf den oberen Teil, muss Russland sein Geld nicht für Waffen
ausgeben, sondern kann dank dieser Friedensdividende seine
Bevölkerung unterstützen. Die USA können gerne beliebige Summen
für den Kauf neuer Waffen verschwenden, es wird keinen Unterschied
machen. Ein Angriff auf Russland wäre das letzte, was die Amerikaner
je machen würden.
Russland will nicht
der Erste sein, der gegen den ABM-Vertrag verstößt, aber wenn die
USA Mittelstreckenatomraketen gegen Russland stationiert, dann wird
Russland in gleicher Weise reagieren, indem es nicht nur die Gebiete,
in denen es bedroht wird ins Visier nimmt, sondern auch jene Orte, an
denen die Entscheidungen zur Bedrohung getroffen werden. Auf so einer
Liste stehen natürlich Washington, Brüssel und andere
NATO-Hauptstädte. Das aber ist keine Neuigkeit. Russland hat bereits
angekündigt, dass sollte es jemals einen nächsten Krieg geben, dann
wird dieser nicht auf russischem Boden ausgekämpft werden. Russlands
Strategie besteht darin, den Kampf sofort zum Feind zu führen.
Natürlich wird es keinen Krieg geben - also vorausgesetzt, die Amerikaner
sind vernünftig genug für die Erkenntnis, dass ein Angriff gegen
Russland funktional gleichbedeutend ist mit der atomaren Vernichtung
Nordamerikas. Die Frage ist, ob sie für diese Erkenntnis vernünftig
genug sind, und die ganze Welt ist die Geisel dieser Frage.
Es war, als seine
Rede zu den Amerikanern kam, als Putin das abfälligste Wort in
seiner Ansprache verwendete. In Bezug auf die Unehrlichkeit und
Böswilligkeit der Amerikaner, Russland des Bruchs des ABM-Vertrages
zu beschuldigen während sie es selbst waren, die ihn verletzt
haben, da kam der folgende Halbsatz aus ihm heraus: „....und die
amerikanischen Satellitenstaaten grunzen mit...“. Es ist ziemlich
schwierig, eine adäquate Übersetzung für das russische Verb
"подхрюкивать" zu finden, „mitgrunzen“
trifft es aber wohl am besten.
Putin malte da also
das geistige Bild von einer Schar kleiner Schweine, die sich um ein
großes Schwein versammeln. Was er mit dieser Analogie sagen wollte
ist offensichtlich: Putin hält die Amerikaner für Schweine sind und das selbe denkt er über deren NATO-Satelliten. Sie sollten daher
nicht erwarten, dass Putin ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt als
notwendig oder gar irgendwelche Perlen vor ihnen verstreut. Er wird
ohnehin viel zu sehr damit beschäftigt sein, den Russen zu einem
besseren Leben zu verhelfen.
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