28. Mai 2020

Die USA veröffentlichen Fotos von russischen Kampfflugzeugen in Libyen und läuten damit die nächste Runde ein im Proxy-Krieg zwischen Russland und der Türkei


Viel y und viel Sand, aber diese russische MiG-29 hat sich eher nicht verflogen (Bildquelle)


Von Syrien nach Libyen


In der Politik geschieht nichts aus Zufall, so heißt es gerne, wobei diesem Bonmont bislang noch niemand widersprochen hat. Daher sollte man auch ein paar Gedanken darüber verlieren, warum die USA gerade vor einigen Tagen Fotos veröffentlicht haben, auf denen russische Kampfflugzeuge in Libyen zu sehen sind.

Bekannt war bislang, dass Russland die Seite von General Haftar unterstützt, der eine Rebellenarmee kommandiert, die sich dem Diktat der international anerkannten „Einheitsregierung“ in Tripolis nicht unterwerfen will. Die Einheitsregierung setzt sich aus unterschiedlichen islamistischen Kräften zusammen und sieht als wichtigstem internationalen Verbündeten die Türkei auf ihrer Seite. Diese will über den Hebel des nordafrikanischen Landes ihren Einfluss im Mittelmeer zulasten Griechenlands ausbauen.

Die Rolle Russlands ist in diesem Fall weniger durchsichtig, aber es läuft letztlich auf eine ähnliche Situation wie in Syrien hinaus. Es geht vor allem um geopolitische Positionierungen, um die Stärkung des eigenen Einflusses auf die europäischen Machtzentren und vermutlich zu einem gewissen Teil auch um den ideologischen Führungsanspruch im kulturell europäischen Sinn, in dessen Rahmen die westeuropäische Kultur (auch im eigenen Interesse) vor einem Überrennen durch Araber und Afrikaner bewahrt werden soll.

Beide Seiten sind fest entschlossen, ihre Pläne mit Gewalt durchzusetzen, denn beide Seiten haben dies bereits in Syrien unter Beweis gestellt. Während Russland sich schon lange an die Seite der syrischen Regierung unter Präsident Assad stellte und sich aktiv in den Bürgerkrieg einmischte, so tüftelte auch die Türkei im Norden des Landes an ihren eigenen Plänen für den syrischen Teil des Grenzgebiets zwischen der Türkei und Syrien.

Bislang trafen die beiden Kriegsparteien noch nicht aufeinander. In Damaskus musste man aufgrund der aufgrund des Bürgerkriegs erheblichen Engpässe im Verteidigungsbereich auf eine Reaktion verzichten und muss die türkische Präsenz auf dem eigenen Territorium zähneknirschend akzeptieren. Russland wiederum als der starke Verbündete ist offenbar nicht bereit – noch nicht bereit – zum großen Angriff auf das militärisch potente NATO Mitglied zu blasen, und ließ bislang alle türkischen Provokationen folgenlos über sich ergehen.

Nicht anders verhielt sich das Verhältnis bisher in Libyen. Bekannt war, dass Russland insgeheim Haftar mit Ausrüstung, Ausbildung und Expertise unterstützt und ebenso bekannt war, dass die Türkei selbiges der Einheitsregierung zur Verfügung stellt. Es handelte sich um einen Proxy-Krieg der klassischen Sorte, bei dem alles über die Konfliktparteien bekannt war, keiner aber offiziell seine Beteiligung bestätigte.

Der Feind meines Feindes...


Aus der Perspektive der USA und basierend auf dem bisherigen Vorgehen der US-Außenpolitik unter Präsident Trump war das eine gute Sache in dem Sinn, als dass sich einer der bedeutendsten geopolitischen Konkurrenten in eine potenziell blutige Sache für sich verwickelte. Es war ebenso gut, als dass auch die unter Präsident Erdogan in Richtung Islamismus der Marke Moslembruderschaft abgerutschte Türkei in diesem Konflikt mehr als nur einige Federn verlieren könnte. Man ist zwar NATO Partner, allerdings nur noch aufgrund der strategischen Lage der Osttürkei relativ zu Russland und dem Iran. Es ist eine reine Zweckbeziehung, die so lange halten wird, bis dieser Zweck seine Schuldigkeit getan hat.

Für die USA gilt es daher in erster Linie, sich selbst - aber auch die NATO - herauszuhalten. In der Vergangenheit bemühte man nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei sogar das Mikromitglied der NATO Luxemburg für eine öffentliche Klarstellung, wonach die NATO keinesfalls eine türkische Aggression in der Levante unterstützen würde. Es war ein kleines Signal mit maximaler Wirkung, dass sich die Türkei bei einer Aggression nicht auf den strategischen Rückraum des Bündnisses verlassen könnte.

Nichts anderes gilt heute für Libyen, so dass man sich fragen muss, weshalb die USA nun diese Fotos veröffentlicht haben, mit der zumindest sich die russische Seite nicht mehr herausreden kann, nichts mit den Kämpfen direkt am Boden zu tun zu haben.

Ein Grund besteht sicherlich darin, dass die Seite von General Haftar am gewinnen ist. Die Einheitsregierung war von Anfang an nur ein künstliches Konstrukt aus sich eigentlich bekämpfenden Fraktionen, deren Rekruten aus Islamisten aus aller Welt bestehen, während Haftar mehrere bedeutende Clans, die Mehrheit des Landes und die Ölvorkommen auf seiner Seite hatte. Bei einer Konfrontation ohne jegliche äußere Einmischung wäre es daher nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Haftar den Sieg errungen hätte.

An wen sind die Fotos gerichtet?


Als direktes Kalkül ergibt sich daraus, dass die USA mit den Fotos womöglich auch die Türkei zu einer Reaktion zwingen möchte, ihren Einsatz in Libyen zu erhöhen. Denn das würde den Krieg mit Sicherheit verlängern und das wäre wie oben beschrieben im Interesse der USA. Eventuell möchte man auch die europäischen Mächte zu einer Reaktion zwingen, da der „weiche Bauch“ des Kontinents demnächst ansonsten mit stahlharten russischen Muskeln versehen sein wird.

Wie die europäischen Mächte darauf reagieren werden, bleibt dahingestellt. Vielleicht haben sie auch bereits reagiert, wobei in diesem Fall zu fragen wäre, welche Strategie verfolgt wird. Denn zum einen wäre sie überaus erfolglos – falls die Einheitsregierung unterstützt wird – denn der Krieg wird gerade verloren, während die Migrantenboote legen weiterhin fast täglich vom Hafen in Tripolis ablegen. Oder aber die EU unterstützt Haftar und steht damit an der Seite Russlands, was jedoch als äußerst unwahrscheinlich gelten kann. Es stünde im diametralen Gegensatz zu allem, was bislang politisch von Seiten der EU und der europäischen Länder in Richtung Russland ausgegangen ist.

So lässt sich schließen, dass die amerikanischen Fotos in erster Linie an die Türkei gerichtet sind. Interessant wird es vor allem dann, sollten die USA auch Fotos von türkischen Einheiten in Libyen veröffentlichen, wobei man in Ankara allerdings in erster Linie auf Söldnertruppen zurückgreift. Es könnte also an Fotoobjekten mangeln, noch jedenfalls.

Doch auch ohne Beweisfotos für eine weitere Runde im Kriegsspiel um Libyen scheint man in den USA das absehbare Ende des Bürgerkriegs zu sehen, so dass sich ein anderes Ziel der USA in der Angelegenheit andeutet. Trump hat in der Vergangenheit sehr deutlich artikuliert, dass er keine Proxy-Kriege mehr führen würde, dass er der CIA das Anfüttern von Kriegsparteien verbieten würde und er keine „amerikanischen Stiefel“ mehr auf fremden Boden am anderen Ende der Welt setzten lassen würde. Da es sich dabei um eines seiner zentralen Wahlkampfthemen handelte und seine Wählerbasis ihm unter anderen deswegen die Stimme gab, wird er so kurz vor der Wahl kaum einen direkten oder indirekten Krieg mit Russland riskieren.

Türkei VS Russland = Win-Win für Trump


Das Kalkül der USA kann letztlich nur darin bestehen, den Krieg entweder bei minimalen Kosten in allen Dimensionen für sich selbst am köcheln zu halten. Oder aber darin, sich rechtzeitig vor der Entscheidung als Zünglein an der Waage zu präsentieren, um vom jeweiligen Gewinner noch den maximalen Preis abverlangen zu können, bevor der Krieg entschieden ist.

Dafür sind derartige Fotos perfekt geeignet. Denn sie reizen den Rezipienten Türkei so weit, als dass das Land sein Engagement in Libyen aufstocken wird, um den russisch befeuerten Siegeszug von General Haftar zumindest eine zeitlang aufzuhalten. Beide Seiten werden aus diesem Grund bald schon die USA brauchen, da sie sie als einziges Land über ausreichend Macht und Gewaltmittel verfügt, um eine klare Entscheidung zu bringen.

Stellen sich die USA schließlich auf die Seite Russlands, dann wird Russland den Preis bezahlen müssen, keine Militärbasen in Libyen zu unterhalten und den Ölpreis auf ein Niveau zu heben, das die US-Erdgasindustrie vor dem Bankrott rettet. Stellen sich die USA wiederum auf die Seite der Türkei, dann wird der Preis darin bestehen, dass die Türkei seine zulasten anderer Länder gerichteten neo-osmanischen Ambitionen aufgibt und den politischen Islam nicht mehr als Hebel seiner Machtinteressen nutzen wird.

Trump wird sich in der Libyengeschichte am Ende aussuchen können, wessen Kuchen er essen will. Eventuell wird er vielleicht sogar in der Lage sein, sich beide Kuchen zu schnappen. Es wäre ein Deal, wie es Trump gefällt. In Anbetracht der politischen Mentalitäten in Ankara und Moskau aber scheint es an der Zeit zu sein, eine Wette gegen die türkische Lira zu platzieren.


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