Eigentlich recht hübsch, oder? |
Ein
gängiger Vergleich für das „einzigartige“ Experiment des Euro
ist die für ein halbes Jahrhundert existierende Lateinische
Münzunion, die an ganz ähnlichen Defiziten litt wie das
heutige Euro System und schließlich aufgegeben werden musste. Bei Gefira
wurde nun aber eine andere Vergleichswährung gefunden, deren
Ähnlichkeiten und Defizite zum Euro fast noch frappierender sind. Es
geht um den Transferrubel
für den transnationalen Handel im Ostblock.
Der Transferrubel als Zahlungsmittel mit fixen Wechselkursen
Mit
der Einführung des Transferrubels im Jahr 1963 sollte in den Ländern
des ehemaligen Ostblocks der grenzüberschreitende Warenverkehr
verbessert werden. Die nicht konvertible und damit nur in den
Teilnehmerländern bedeutende Einheitswährung wurde mit fixen
Wechselkursen relativ zu den nationalen Währungen ausgestattet, so
dass ein festes und verlässliches Verrechnungssystem entstehen
konnte, das in das System der in Moskau ansässigen Bank für internationale
wirtschaftliche Zusammenarbeit eingebettet war.
Die
erachteten Vorteile dieses Systems waren die selben wie sie heute
mit dem Euro beworben werden, was vor allem im geringeren
Handelsrisiko der Teilnehmer bestand aufgrund von Wert- und
Produktivitätsschwankungen in einzelnen Volkswirtschaften.
So
entstand dann auch das größte Problem des Transferrubels analog zum
Euro. Es sind die im Zeitverlauf in der Realwirtschaft schwankenden
Wechselkurse, die nicht in den monetären Kreislauf übertragen
werden und damit zu Verzerrungen und Ungleichgewichten führen.
Während heute der größte Profiteur der fixen Wechselkurse im Euro
System Deutschland ist – also zumindest so lange das System bestehen bleibt –
so war es damals vor allem Sowjetrussland, das mit Hilfe eines zu
hoch angesetzten Relativwerts des sowjetischen Rubel geldwerte
Vorteile im Handel mit den übrigen Ostblockstaaten ziehen konnte.
Während
es heute eine Unterbewertung ist, die Deutschlands Exportwirtschaft
am laufen hält, so war es damals angesichts der in der zentralen
Planwirtschaft notorischen Angebotslücken die Überbewertung, die
dazu führte, dass Russland benötigte Konsumgüter aus den anderen
Teilnehmerländern billiger beziehen konnte, als es in einem
Marktsystem möglich gewesen wäre. Leiden musste darunter vor allem
Bulgarien, dessen Währung um etwa 20% unterbewertet war, während
Polen mit am meisten profitierte. Diese Überbewertung könnte
tatsächlich auch mitverantwortlich gewesen sein für die während der
kommunistischen Herrschaft relativ gute Konsumlage in dem Land.
Sowjetrussland
nutzte den fixen Arbitragevorteil für den Bezug von Rohstoffen und
Fertigprodukten, die dann gegen wertvolle Devisen weiter in
kapitalistische Länder verkauft werden konnten. Dank der
real-existierenden Brürderlichkeit, den russischen Truppen überall
und der Tatsache, dass die Verrechnungsstelle des Transferrubels wie
die meisten anderen wichtigen Institutionen des Weltkommunismus in
Moskau angesiedelt waren, konnte das System lange Zeit aufrecht
erhalten werden.
Moskau
war also in der Lage, seine eigene Inkompetenz zu exportieren und die "Bruderstaaten" mit Defiziten zu belasten. Ironischerweise
entspricht dieses Vorgehen ziemlich genau dem, was Wladimir Lenin den
kapitalistischen Ländern vorwarf, wonach der Kapitalismus nur in der
Heimat Wohlstand erzeugt, während die Armut in die Dritte Welt exportiert
wird. Offenbar ist der Sozialismus noch viel besser darin als sein
Systemkonkurrent.
Trotz der Unterschiede könnten die Gemeinsamkeiten für das gleiche Schicksal ausreichen
Natürlich
gibt es auch einige bedeutende Unterschiede zwischen Euro und
Transferrubel. Neben der oben erwähnten
Über/Unterbewertungskausalität wäre da zu nennen, dass die EZB
nicht in Berlin angesiedelt ist und im EZB Exekutivgremium jeder
einmal mitstimmen darf, sogar die Griechen. Darüber hinaus ist der
Euro eine Währung im klassischen Fiat-Sinn, während der
Transferrubel eine reine Verrechnungseinheit war, die nur zwischen
den großen Konglomeraten, den Regierungen und Zentralbanken eine
Rolle spielte.
Ebenso
unterschiedlich wird heute umgegangen mit dem Ausgleich der Relativwerte und der daraus entstehenden Ungleichgewichte in
dem fixierten System. Während der Ostblock tatsächlich mindestens
einmal die relativen Wechselkurse änderte, so weigert sich die EU
und ihre Machthaber beständig, etwas an der Struktur zu verändern.
Im Gegenzug wird heute nach Bedarf Geld nachgedruckt, es werden
Sicherheiten in Billionenhöhe gegeben und auch Zinsen erlassen. Das
gab es nicht mit dem Transferrubel. Lediglich dem Anreiz, „schlechte
Qualität gegen Transferrubel zu exportieren“ wurde nachgekommen,
wenn man Wikipedia glaubt.
Der
Tranferrubel könnte daher insgesamt
eher mit dem Target2 System
verglichen werden. Auch dieses existiert nur in den Köpfen der
Entscheidungsträger und in den Büchern der Euro-Zentralbanken.
Außerhalb davon kommt es nicht vor und spielt auch keine Rolle, so
lange die Währung weiterexistiert ohne Mitglieder zu verlieren. Und
ebenso gibt es heute die Neigung, „ schlechte Qualität gegen
[Euro] zu exportieren“ in der Form, dass die Zentralbanken der
Mitgliedsländer schlechte Anleihen der eigenen Regierung und des
eigenen Bankensystems aufkaufen und diese an die EZB weiterreichen, die sie in ihrem Risiko besser bewertet als sie sind.
Die
Geschichte mit dem Transferrubel endete schließlich im Jahr 1990 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, nachdem die
letzte Version des Transferrubels 25 Jahre lang existierte. Zum Zeitpunkt der Einstellung der Verrechnungswährung schuldete die
Russische Föderation als Rechtsnachfolger von Sowjetrussland der
Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger der DDR noch etwa 7,4
Milliarden Euro. Unter Gerhard Schröder wurden Russland dann 7,1
Milliarden Euro davon erlassen. In dem System verlor einer der
Profiteure letztlich also 94 Prozent seiner Buchgewinne.
Der
Euro existiert nun seit 20 Jahren in der aktuellen Form. Nimmt man die
strukturellen Parallelen zum Transferrubel ernst, dann kann man
erwarten, dass es bis in fünf Jahren entweder zu einer fundamentalen
Neuanpassung der Wechselkurse kommt, oder gar zu einem Ende des Systems
als solchem. Im letzteren Fall würde Deutschland erneut ein Ausfall
eines bedeutenden Anteils der Buchgewinne drohen.
Dieses Mal aber
braucht es dank der sich bei knapp einer Billion befindlichen
Ungleichgewichts keine 94 prozentige Abschreibung der Buchgewinne. Selbst wenn nur die Hälfte ausfällt, dann würde es das Land für Jahre in
den Bankrott treiben.
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