29. Mai 2020

Früher war alles besser? Vielleicht nicht, aber es war vieles einfacher

Als der Individualverkehr noch öko war (Bildquelle)

Paul Craig Roberts begibt sich auf eine gedankliche Zeitreise und ergründet die Frage, warum heute alles so kompliziert ist, das wenigste sich damit aber verbessert hat.

Paul Craig Roberts: Wo nur ist meine Welt hin?



Ich erinnere mich noch an die Zeit, als Verpackungen weder fälschungssicher waren und auch keine Kindersicherung gab. Das war vor dem Multikulturalismus und der Identitätspolitik, als wir einander noch vertrauen konnten und Eltern die Verantwortung für ihre Kinder übernahmen, ohne dass sie diese über einen Haftungsanspruch an Produkthersteller abgaben.

Ich erinnere mich auch daran, als es noch keine staatlichen Einkommens- und Umsatzsteuern gab. Die Bundesstaaten waren früher tatsächlich in der Lage, ihren Verantwortungen ohne extra Einnahmen daraus nachzukommen.

Eine Briefmarke kostete einen Cent. Ein Mittelschichtshaus kostete 11.000 Dollar und wer der oberen Mittelschicht angehörte, der zahlte 20.000 Dollar für sein Eigenheim. Eine Million Dollar war ein großes Vermögen. Milliardäre gab es nicht.

Auf dem Museumsgelände des Marinestützpunktes in Pensacola gibt es eine rekonstruierte Straße aus den 1940er Jahren. Das Menü des dort befindlichen Restaurants enthält ein komplettes Abendessen für 69 Cent.

Ich musste letztens darüber nachdenken, als ich eine Supermarktrechnung durchgegangen bin: ein Laib Brot kostet fast vier Dollar, ein Dutzend Bio-Eier fünf Dollar, ein Paket mit einem halben Dutzend Hotdogs knapp sechs Dollar, acht kleine Tomaten fünf Dollar, eine Packung Babyspinat über vier Dollar, zwei Liter Milch fast fünf Dollar, ein Paket mit zwei Papierhandtuchrollen sechs Dollar. Als ich 5 oder 6 Jahre alt war, da schickte mich meine Mutter mit einem Zehncentstück einkaufen und ich bekam dafür in der Bäckerei einen Laib Brot, oder ich konnte für 11 Cent auf dem Markt einen Liter Milch kaufen. Der Kinobesuch für zwei Personen kostete 10 Cent. Eine Kiste Cola mit 24 Flaschen kostete einen Dollar. Für zehn Cent bekam man eine Pepsi Cola und ein Süßgebäck, was sich Bauarbeiter damals gerne zur Stärkung kauften. Die Kinder haben danach auf Baustellen nach weggeworfenen Pepsiflaschen gesucht, weil man dafür ein Pfand von zwei Cent bekam. Eine Flasche hatte für uns einen Gegenwert von vier Kaugummi. Für fünf Flaschen konnten wir ins Kino gehen.

Einige der Centmünzen waren früher aus Silber und es gab auch Silberdollar. Die Fünf-Cent-Münze war aus Nickel, der Pfennig bestand aus Kupfer. 1933 bereits entfernte FDR das Gold aus dieser Mischung. Die Silbermünzen verschwanden 1965. Die letzte harte Münze war irgendwann der Kupferpfennig, der im Jahr 1983 abgeschafft wurde. Aktuell sprechen sie davon, diese kleinste Einheit der Währung gänzlich loszuwerden.

Viele von uns haben sich das erste Geld mit dem Austragen von Zeitungen verdient. Daneben habe ich mir als Schüler in den Sommerferien in einer Baumwollfabrik für einen Dollar pro Stunde das erste Geld verdient. Und es war harte Arbeit. Abzüglich der Steuer lag mein Nettogehalt für 40 Stunden Arbeit pro Woche bei 33 Dollar.

Als ich fünf Jahre alt war, da konnte ich den mehrere Kilometer langen Weg zur Schule und nach Hause ganz alleine gehen. Meine Eltern machten sich keine Sorgen und es bestand kein Risiko, dass sie vom Jugendamt wegen Vernachlässigung und Gefährdung des Kindeswohls verhaftet würden.

In der Schule malten wir Bilder von Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen und Geschützen, ohne dass es als Gefahr für unsere Klassenkameraden angesehen wurde und wir einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen wurden. Keilereien waren ein Teil des Erwachsenwerdens. Die Polizei wurde nicht gerufen, und wir wurden nicht mit Handschellen gefesselt und ins Gefängnis gebracht. Heute landen Kinder in Polizeigewahrsam, wenn sie Polizisten und Räuber oder Cowboys und Indianer spielen und dabei mit dem Finger auf einander zeigen, als hätten sie eine Waffe in der Hand. Mit jeder Rauferei riskiert man heute eine Anzeige wegen Körperverletzung und damit möglicherweise eine Vorstrafe.

Die Art von Freiheit, wie ich sie als Kind noch hatte, gibt es heute nur noch in abgelegenen ländlichen Gebieten. Wenn ich darüber nachdenke, dann frage ich mich, ob die Kinder von heute das überhaupt noch wahrnehmen. Sie leben heute größtenteils in der virtuellen Welt des Internets und erfassen die reale Welt erst gar nicht mehr. Sie fangen im Bach keine Flusskrebse mehr, während sie nach Ottern Ausschau halten, sie spielen draußen in den Büschen kein Fangen mehr, wo sie sich die Arme zerkratzen, sie organisieren keine Ballspiele mehr in der Nachbarschaft, sie stauen keine Bäche mehr auf und stürzen sich auch nicht mehr spontan in den Dreck und spielen mit Schlamm. Heute sind das alles weitgehend unbekannte Freuden für die Kinder.

Wenn es regnete, da lasen wir Bücher. Ich erinnere mich, dass ich mit 12 Jahren Robert Heinleins „Puppenspieler“ gelesen habe. Lesen 12-Jährige heute noch Bücher? Kann Science Fiction Literaur mit Computerspielen konkurrieren?

Ich erinnere mich noch, dass Geschäfte per Handschlag vereinbart wurden. Heute sagen mir Anwälte, dass selbst Verträge kaum mehr durchsetzbar sind.

Man hat uns beigebracht, uns so zu verhalten, dass man sich „stets im Spiegel in die Augen schauen kann“. Heute scheint sich das umgedreht zu haben und man schaut nicht mehr in den Spiegel, es sei denn, man hat jemandem die Schau gestohlen oder abgezockt. Charakter zeigen gehört der Vergangenheit an, ebenso wie zahlreiche heute als unangemessen erachtete Gewohnheiten. Wenn früher jemand Älteres einer jüngeren Person eine Lebensregel näher bringen wollte, da hat derjenige zu Aufmerksamkeitszwecken seine Hand auf den Arm oder den Oberschenkel des jüngeren gelegt. Wer das heute macht, bekommt im Zweifel eine Vorladung wegen sexueller Belästigung. Meine beiden Großmütter hätten wahrscheinlich beide ein langes Vorstrafenregister als Sexualstraftäter.

Eine Petze zu sein, war früher eine unerwünschte und entmutigende Eigenschaft. Heute werden wir dazu ermutigt, jeden zu bespitzeln und zu verraten, der sich auch nur einem Verdacht schuldig gemacht hat. Am Flughafen hört man heute permanent derartige Aufrufe. Nachbarn in ruhigen Straßen rufen sich das Jugendamt gegenseitig auf den Hals, wenn sie die Kinder der anderen beim unbeaufsichtigten Spiel entdecken.

Ich erinnere mich noch, als schwarze Amerikaner sagten, sie wollten nur wie alle anderen behandelt werden. Das war noch vor der Zeit als rassistisch motivierte Bundesbeamte die Vorschrift erließen, Verträge nur noch mit Firmen abzuschließen, die sich im Eigentum von Schwarzen befinden. Wer erst einmal über besondere Privilegien verfügt, der will vieles, nur er will nicht mehr so sein wie die anderen. Manche Schwarze behaupten, es sei ein Privileg weiß zu sein. Wenn dem so ist, dann hat es für ein Unternehmen wie Ultima von Celeste Bennett allerdings nicht gereicht mit dem Privileg. Obwohl ausgestattet mit dem Privileg der weißen Hautfarbe und obwohl sie eine Frau war, siegte das Schwarzenprivileg über sie.

Wenn meine Eltern und Großeltern wiederbelebt würden, sie bräuchten zunächst ein Jahr der Ausbildung, bevor sie sich sicher sein könnten, nicht innerhalb von kürzester Zeit im Gefängnis zu landen. Man müsste ihnen erst die gewohnten Verhaltensmustern aberziehen und ihnen jene Begriffe und Sätze abgewöhnen, die man heute nicht mehr sagen darf. Sie hätten Schwierigkeiten zu begreifen, dass es in den Städten No-Go-Areas gibt. Als ich Diana Johnstones meisterhaftes Buch „Circle in the Darkness“ las und ich an die Stelle kam, an der sie darüber schrieb, wie sie in den 1940er Jahren als 12-Jährige allein und unbehelligt die Kais im Südwesten von Washington D.C. erkunden konnte, da erinnerte ich mich an die Sicherheit meiner eigenen Jugendjahre.

Gestern erhielt ich den neuen Versicherungsvertrag für Hausbesitzer. Darin enthalten sind 89 Seiten mit Warnungen, Definitionen und Erklärungen zur Haftung als Hausbesitzer. Hat man das alles durch, dann weiß man wirklich nicht mehr, ob man versichert ist oder nicht.

Ich fahre einen 54 Jahre alten Jaguar, den ich seit 47 Jahren besitze. In der Bedienungsanleitung steht, wie das Auto zu bedienen und zu reparieren ist. Ein Freund zeigte mir die Bedienungsanleitung für seinen 21 Jahre alten Porsche. Es enthält mehr Seiten mit Warnhinweisen, um den Hersteller vor Haftungsansprüchen zu schützen, als das Handbuch meines Jaguar an Seiten mit Gebrauchsanweisungen enthält. Heute enthält das Handbuch eines jedes Werkzeugs oder Geräts mehr Seiten mit Warnhinweisen als mit Anweisungen.

Bei meiner mageren und genauso teuren Krankenvericherung sieht es nicht besser aus. Zunächst einmal enthält der Vertrag einen Hinweis, in dem erklärt wird, dass für die Police sprachliche Unterstützung in Spanisch, Vietnamesisch, Tagalog, Russisch, Arabisch, Haitianisch-Kreolisch, Französisch, Polnisch, Portugiesisch, Italienisch, Deutsch, Japanisch, Hmong, Llocano, Somali, Griechisch, Gujarati gibt, und dass sie keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, Rasse, Hautfarbe, Behinderung oder nationaler Herkunft enthält. Für den Fall, dass ich mich diskriminiert fühle, bietet mir der Vertrag Kontakt zu einem Bürgerrechtsanwalt an. Daneben steht sogar eine Telefonnummer, falls ich Hilfe bei der Einreichung einer Diskriminierungsbeschwerde benötige.

Ich fühle mich tatsächlich diskriminiert. Aber es handelt sich nicht um eine der Diskriminierung, für die heute vorgesorgt ist. Ich fühle mich, als sei mir mein Land gestohlen worden, oder als hätte mich jemand entführt und an einen fremden, unbekannten Ort gebracht, den ich nicht mehr als mein Zuhause wiedererkenne.

Das gleiche Gefühl habe ich, wenn ich Spendenaufrufe von Universitäten erhalte. Die Georgia Tech beispielsweise war früher eine rein männliche Hochschule, an der hauptsächlich junge Männer aus dem Bundesstaat Georgia eingeschrieben waren. Die Oxford Universität wiederum trennte ihre Studenten nach Geschlecht - männlich und weiblich - wobei die große Mehrheit der Studenten aus Briten bestand. Heute lassen alle Hochschulen mit Ausnahme einiger ausschließlich weiblicher jedes Geschlecht zu. Bekomme ich wieder einmal einen ihrer Spendenaufrufe, dann sieht man weiße Männer nur noch sehr selten auf den Fotos in den Broschüren. Ich sehe viele Frauen und auch viel Rassenvielfalt und muss mich dann zwangsläufig fragen, um welche Universität es sich handelt. Ob es sich dabei um eine Verbesserung handelt oder nicht, den Hochschulen aus meiner Erinnerung gleichen sie in keinster Weise mehr. Man hat sie mir einfach weggenommen und ersetzt durch etwas gänzlich anderes.

Vielleicht war das schon immer so, aber wenn man heute sehr lange lebt, dann überlebt man irgendwann seine gewohnte Welt. Wenn die Freunde zu sterben beginnen, dann erinnert sich irgendwann niemand mehr so richtig an das, was man selbst aus seiner Erinnerung kennt. Das wirklich betrübliche daran ist aber, dass die eigenen Erinnerungen früher oder später in falschen Darstellungen verschwindet, um damit die Veränderungen und den Zustand der heutigen Welt zu begründen.


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