Als der Individualverkehr noch öko war (Bildquelle) |
Paul Craig Roberts begibt sich auf eine gedankliche Zeitreise und ergründet die Frage, warum heute alles so kompliziert ist, das wenigste sich damit aber verbessert hat.
Paul Craig Roberts: Wo nur ist meine Welt hin?
Ich erinnere mich
noch an die Zeit, als Verpackungen weder fälschungssicher waren und
auch keine Kindersicherung gab. Das war vor dem Multikulturalismus
und der Identitätspolitik, als wir einander noch vertrauen konnten
und Eltern die Verantwortung für ihre Kinder übernahmen, ohne dass
sie diese über einen Haftungsanspruch an Produkthersteller abgaben.
Ich erinnere mich
auch daran, als es noch keine staatlichen Einkommens- und
Umsatzsteuern gab. Die Bundesstaaten waren früher tatsächlich in
der Lage, ihren Verantwortungen ohne extra Einnahmen daraus
nachzukommen.
Eine Briefmarke
kostete einen Cent. Ein Mittelschichtshaus kostete 11.000 Dollar und
wer der oberen Mittelschicht angehörte, der zahlte 20.000 Dollar für
sein Eigenheim. Eine Million Dollar war ein großes Vermögen.
Milliardäre gab es nicht.
Auf dem
Museumsgelände des Marinestützpunktes in Pensacola gibt es eine
rekonstruierte Straße aus den 1940er Jahren. Das Menü des dort
befindlichen Restaurants enthält ein komplettes Abendessen für 69
Cent.
Ich musste letztens
darüber nachdenken, als ich eine Supermarktrechnung durchgegangen
bin: ein Laib Brot kostet fast vier Dollar, ein Dutzend Bio-Eier fünf
Dollar, ein Paket mit einem halben Dutzend Hotdogs knapp sechs
Dollar, acht kleine Tomaten fünf Dollar, eine Packung Babyspinat
über vier Dollar, zwei Liter Milch fast fünf Dollar, ein Paket mit
zwei Papierhandtuchrollen sechs Dollar. Als ich 5 oder 6 Jahre alt
war, da schickte mich meine Mutter mit einem Zehncentstück einkaufen
und ich bekam dafür in der Bäckerei einen Laib Brot, oder ich
konnte für 11 Cent auf dem Markt einen Liter Milch kaufen. Der
Kinobesuch für zwei Personen kostete 10 Cent. Eine Kiste Cola mit 24
Flaschen kostete einen Dollar. Für zehn Cent bekam man eine Pepsi
Cola und ein Süßgebäck, was sich Bauarbeiter damals gerne zur
Stärkung kauften. Die Kinder haben danach auf Baustellen nach
weggeworfenen Pepsiflaschen gesucht, weil man dafür ein Pfand von
zwei Cent bekam. Eine Flasche hatte für uns einen Gegenwert von vier
Kaugummi. Für fünf Flaschen konnten wir ins Kino gehen.
Einige der
Centmünzen waren früher aus Silber und es gab auch Silberdollar.
Die Fünf-Cent-Münze war aus Nickel, der Pfennig bestand aus
Kupfer. 1933 bereits entfernte FDR das Gold aus dieser Mischung. Die
Silbermünzen verschwanden 1965. Die letzte harte Münze war
irgendwann der Kupferpfennig, der im Jahr 1983 abgeschafft wurde.
Aktuell sprechen sie davon, diese kleinste Einheit der Währung
gänzlich loszuwerden.
Viele von uns haben
sich das erste Geld mit dem Austragen von Zeitungen verdient. Daneben
habe ich mir als Schüler in den Sommerferien in einer Baumwollfabrik
für einen Dollar pro Stunde das erste Geld verdient. Und es war
harte Arbeit. Abzüglich der Steuer lag mein Nettogehalt für 40
Stunden Arbeit pro Woche bei 33 Dollar.
Als ich fünf Jahre
alt war, da konnte ich den mehrere Kilometer langen Weg zur Schule
und nach Hause ganz alleine gehen. Meine Eltern machten sich keine
Sorgen und es bestand kein Risiko, dass sie vom Jugendamt wegen
Vernachlässigung und Gefährdung des Kindeswohls verhaftet würden.
In der Schule malten
wir Bilder von Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen und Geschützen, ohne
dass es als Gefahr für unsere Klassenkameraden angesehen wurde und
wir einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen wurden. Keilereien
waren ein Teil des Erwachsenwerdens. Die Polizei wurde nicht gerufen,
und wir wurden nicht mit Handschellen gefesselt und ins Gefängnis
gebracht. Heute landen Kinder in Polizeigewahrsam, wenn sie
Polizisten und Räuber oder Cowboys und Indianer spielen und dabei
mit dem Finger auf einander zeigen, als hätten sie eine Waffe in der
Hand. Mit jeder Rauferei riskiert man heute eine Anzeige wegen
Körperverletzung und damit möglicherweise eine Vorstrafe.
Die Art von
Freiheit, wie ich sie als Kind noch hatte, gibt es heute nur noch in
abgelegenen ländlichen Gebieten. Wenn ich darüber nachdenke, dann
frage ich mich, ob die Kinder von heute das überhaupt noch
wahrnehmen. Sie leben heute größtenteils in der virtuellen Welt des
Internets und erfassen die reale Welt erst gar nicht mehr. Sie fangen
im Bach keine Flusskrebse mehr, während sie nach Ottern Ausschau
halten, sie spielen draußen in den Büschen kein Fangen mehr, wo sie
sich die Arme zerkratzen, sie organisieren keine Ballspiele mehr in
der Nachbarschaft, sie stauen keine Bäche mehr auf und stürzen sich
auch nicht mehr spontan in den Dreck und spielen mit Schlamm. Heute
sind das alles weitgehend unbekannte Freuden für die Kinder.
Wenn es regnete, da
lasen wir Bücher. Ich erinnere mich, dass ich mit 12 Jahren Robert
Heinleins „Puppenspieler“ gelesen habe. Lesen 12-Jährige heute
noch Bücher? Kann Science Fiction Literaur mit Computerspielen
konkurrieren?
Ich erinnere mich
noch, dass Geschäfte per Handschlag vereinbart wurden. Heute sagen
mir Anwälte, dass selbst Verträge kaum mehr durchsetzbar sind.
Man hat uns
beigebracht, uns so zu verhalten, dass man sich „stets im Spiegel
in die Augen schauen kann“. Heute scheint sich das umgedreht zu
haben und man schaut nicht mehr in den Spiegel, es sei denn, man hat
jemandem die Schau gestohlen oder abgezockt. Charakter zeigen gehört
der Vergangenheit an, ebenso wie zahlreiche heute als unangemessen
erachtete Gewohnheiten. Wenn früher jemand Älteres einer jüngeren
Person eine Lebensregel näher bringen wollte, da hat derjenige zu
Aufmerksamkeitszwecken seine Hand auf den Arm oder den Oberschenkel
des jüngeren gelegt. Wer das heute macht, bekommt im Zweifel eine
Vorladung wegen sexueller Belästigung. Meine beiden Großmütter
hätten wahrscheinlich beide ein langes Vorstrafenregister als
Sexualstraftäter.
Eine Petze zu sein,
war früher eine unerwünschte und entmutigende Eigenschaft. Heute
werden wir dazu ermutigt, jeden zu bespitzeln und zu verraten, der
sich auch nur einem Verdacht schuldig gemacht hat. Am Flughafen hört
man heute permanent derartige Aufrufe. Nachbarn in ruhigen Straßen
rufen sich das Jugendamt gegenseitig auf den Hals, wenn sie die
Kinder der anderen beim unbeaufsichtigten Spiel entdecken.
Ich erinnere mich
noch, als schwarze Amerikaner sagten, sie wollten nur wie alle
anderen behandelt werden. Das war noch vor der Zeit als rassistisch
motivierte Bundesbeamte die Vorschrift erließen, Verträge nur noch
mit Firmen abzuschließen, die sich im Eigentum von Schwarzen
befinden. Wer erst einmal über besondere Privilegien verfügt, der
will vieles, nur er will nicht mehr so sein wie die anderen. Manche
Schwarze behaupten, es sei ein Privileg weiß zu sein. Wenn dem so
ist, dann hat es für ein Unternehmen wie Ultima von Celeste Bennett
allerdings nicht gereicht mit dem Privileg. Obwohl ausgestattet mit
dem Privileg der weißen Hautfarbe und obwohl sie eine Frau war,
siegte das Schwarzenprivileg über sie.
Wenn meine Eltern
und Großeltern wiederbelebt würden, sie bräuchten zunächst ein
Jahr der Ausbildung, bevor sie sich sicher sein könnten, nicht
innerhalb von kürzester Zeit im Gefängnis zu landen. Man müsste
ihnen erst die gewohnten Verhaltensmustern aberziehen und ihnen jene
Begriffe und Sätze abgewöhnen, die man heute nicht mehr sagen darf.
Sie hätten Schwierigkeiten zu begreifen, dass es in den Städten
No-Go-Areas gibt. Als ich Diana Johnstones meisterhaftes Buch „Circle
in the Darkness“ las und ich an die Stelle kam, an der sie darüber
schrieb, wie sie in den 1940er Jahren als 12-Jährige allein und
unbehelligt die Kais im Südwesten von Washington D.C. erkunden
konnte, da erinnerte ich mich an die Sicherheit meiner eigenen
Jugendjahre.
Gestern erhielt ich
den neuen Versicherungsvertrag für Hausbesitzer. Darin enthalten
sind 89 Seiten mit Warnungen, Definitionen und Erklärungen zur
Haftung als Hausbesitzer. Hat man das alles durch, dann weiß man
wirklich nicht mehr, ob man versichert ist oder nicht.
Ich fahre einen 54
Jahre alten Jaguar, den ich seit 47 Jahren besitze. In der
Bedienungsanleitung steht, wie das Auto zu bedienen und zu reparieren
ist. Ein Freund zeigte mir die Bedienungsanleitung für seinen 21
Jahre alten Porsche. Es enthält mehr Seiten mit Warnhinweisen, um
den Hersteller vor Haftungsansprüchen zu schützen, als das Handbuch
meines Jaguar an Seiten mit Gebrauchsanweisungen enthält. Heute
enthält das Handbuch eines jedes Werkzeugs oder Geräts mehr Seiten
mit Warnhinweisen als mit Anweisungen.
Bei meiner mageren
und genauso teuren Krankenvericherung sieht es nicht besser aus.
Zunächst einmal enthält der Vertrag einen Hinweis, in dem erklärt
wird, dass für die Police sprachliche Unterstützung in Spanisch,
Vietnamesisch, Tagalog, Russisch, Arabisch, Haitianisch-Kreolisch,
Französisch, Polnisch, Portugiesisch, Italienisch, Deutsch,
Japanisch, Hmong, Llocano, Somali, Griechisch, Gujarati gibt, und
dass sie keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, Rasse,
Hautfarbe, Behinderung oder nationaler Herkunft enthält. Für den
Fall, dass ich mich diskriminiert fühle, bietet mir der Vertrag
Kontakt zu einem Bürgerrechtsanwalt an. Daneben steht sogar eine
Telefonnummer, falls ich Hilfe bei der Einreichung einer
Diskriminierungsbeschwerde benötige.
Ich fühle mich
tatsächlich diskriminiert. Aber es handelt sich nicht um eine der
Diskriminierung, für die heute vorgesorgt ist. Ich fühle mich, als
sei mir mein Land gestohlen worden, oder als hätte mich jemand
entführt und an einen fremden, unbekannten Ort gebracht, den ich
nicht mehr als mein Zuhause wiedererkenne.
Das gleiche Gefühl
habe ich, wenn ich Spendenaufrufe von Universitäten erhalte. Die
Georgia Tech beispielsweise war früher eine rein männliche
Hochschule, an der hauptsächlich junge Männer aus dem Bundesstaat
Georgia eingeschrieben waren. Die Oxford Universität wiederum
trennte ihre Studenten nach Geschlecht - männlich und weiblich -
wobei die große Mehrheit der Studenten aus Briten bestand. Heute
lassen alle Hochschulen mit Ausnahme einiger ausschließlich
weiblicher jedes Geschlecht zu. Bekomme ich wieder einmal einen ihrer
Spendenaufrufe, dann sieht man weiße Männer nur noch sehr selten
auf den Fotos in den Broschüren. Ich sehe viele Frauen und auch viel
Rassenvielfalt und muss mich dann zwangsläufig fragen, um welche
Universität es sich handelt. Ob es sich dabei um eine Verbesserung
handelt oder nicht, den Hochschulen aus meiner Erinnerung gleichen
sie in keinster Weise mehr. Man hat sie mir einfach weggenommen und
ersetzt durch etwas gänzlich anderes.
Vielleicht war das
schon immer so, aber wenn man heute sehr lange lebt, dann überlebt
man irgendwann seine gewohnte Welt. Wenn die Freunde zu sterben
beginnen, dann erinnert sich irgendwann niemand mehr so richtig an
das, was man selbst aus seiner Erinnerung kennt. Das wirklich
betrübliche daran ist aber, dass die eigenen Erinnerungen früher
oder später in falschen Darstellungen verschwindet, um damit die
Veränderungen und den Zustand der heutigen Welt zu begründen.