21. November 2019

Ein Nachruf auf Noel Ignatiev, dem Erfinder des linken Weißenhasses


Noel Ignatiev, ein Mann mit dem Charme eines Politbüros (Bildquelle)

„Wer dich von Absurditäten überzeugen kann, der kann Dich auch zu Verbrechen verleiten.“ (Voltaire, nicht Ignatiev!)


Heute mal eine gute Nachricht vom Schlachtfeld des Kulturkampfes. Denn mit Noel Ignatiev starb ein allzu unbekannter General und Stratege des postmodernen Kulturmarxismus, dem der Nihilismus zeitlebens aus allen Poren geströmt zu haben scheint. Bekennender Kommunist war er selbstverständlich, das ist klar. Er selbst bezeichnete sich als Autor und Historiker, was ihm die englische Wikipedia hochamtlich bestätigt. Leider ist es nicht möglich, auf seinen Eintrag in der deutschen Wikipedia zu verweisen, da es keinen gibt.

Doch obwohl es sich bei Ignatiev für mich wie für die meisten Leser dieser Zeilen und sogar die deutsche Linke von Grün bis Stalin um keinen Haushaltsbegriff handelte, so scheint er eine weitaus bedeutendere Rolle gespielt zu haben beim Zusammenbrauen der aktuellen Verwerfungen in der Gesellschaft, als seine abwesende Bekanntheit implizieren mag.

Denn Noel Ignatiev erfand in seiner Karriere als „marxistischer Aktivist“ nichts geringeres als diese ominöse „Whiteness“, die gerne auch begriff erweitert wird zur „critical Whiteness“. Es handelt sich dabei um die ideelle Grundidee, dass der weiße Mann für alles Übel der Welt verantwortlich sei. Also angefangen vom vergifteten Baggersee, über die übliche Unterdrückung von Frauen und vor allem Menschen anderer Hautfarbe, bis hin zur Beschneidung des kleinen Mädchens in einem Vorort von Mogadischu, hatte der weiße Mann instrumental seine Finger im Spiel – und zwar ganz alleine.

Das alles, so Ignatievs Lebensfiebertraum, macht der weiße Mann, weil er genetisch wie kulturell angetrieben wird von einem geradezu animalischen Drang zur Profitgier. So etwas geschieht in keinem anderen Kulturkreis und kein Mensch mit bunter Hautfarbe außer eben dem weißen Mann geht derart zynisch vor und daher hat er auch so viel Erfolg beim Drangsalieren aller Dinglichkeiten, die sich von ihm unterscheiden. Ignatievs Schlussfolgerung war maximal eindeutig und da seine Analyse mitsamt der Warnung so eindringlich war, folgten ihm entsprechend viele und erklärten sein Weltbild zum Fundament aller Kultur, Wissenschaft und Politik in der westlichen Welt des weißen Mannes.

Dieses „weißer Mann“ in den vorigen Absätzen war, so ehrlich muss ich sein, eine Spekulation. Ignatiev sprach vom Weißsein generell und das müsste auch Frauen umfassen wie auch solche, die sich dafür halten. Dann aber denke ich auch, dass wir uns nichts vormachen brauchen und so ist es keineswegs abwegig, der weißen Frau im Anbetracht des auch ihr vom weißen Mann aufgeladenen Jochs der Unterdrückung einen Persilschein in der Sache auszustellen - auch wenn es genau genommen die weiße Frau war, die jeden einzelnen weißen Mann zur Welt brachte.

Genau nehmen muss man es bei Ignatiev allerdings nicht. Denn auch er schien es nicht allzu genau genommen zu haben. Im Unterschied zu den allermeisten seiner ideellen Schüler verbrachte er zwar tatsächlich zwei Jahrzehnte „in der Produktion“ einer amerikanischen Stahlhütte. Aber auch dort, im heutigen „Rostgürtel“ taten sich allerlei Gewerkschaften hervor mit Agitation als Heizmittel für die Köpfe der Arbeiter anstelle für das Roherz im Kessel. Nicht anders war es wohl bei ihm, wie sein Wikipediaeintrag andeutet, wo ihm nicht das Attribut des „exzellenten Stahlgießers“ verliehen wird für seine Zeit im Umfeld von Schmelzöfen, sondern eben der oben bereits erwähnte „marxistische Aktivist“.

Ebenso wenig genau nehmen muss man es bei Ignatiev angesichts seines Hintergrundes. Der Mann entstammte einer jüdischen Familie, die aus Russland in die USA ausgewandert ist. Er hatte also gleich ein Mehrfaches an Glück, würde man es genau nehmen und sich des mittel- bis osteuropäischen Erbsenzählens für den Zeitraum 1917-1945 betätigen. Mit dem unempfundenen Glück des rechtzeitig Entkommenen konnte Ignatiev denn auch die „anti-“faschistische Gegenthese zum allgemeinen Faschismus formulieren: Nicht der Jude oder der Kapitalist ist schuld an allem Übel der Welt, sondern der weiße Mann. Dieser ist unentrinnbar schuldig und kann sich als Ausweg nur in die Selbstauflösung büßen.

Wegrennen für den weißen Mann geht allerdings leider nicht. Also in etwa so, wie es Ignatievs Eltern schafften und nicht weniger auch wie es die Vorfahren von Ignatievs Arbeitskollegen in der Stahlhütte schafften, die vom sklavenhaltenden Süden allzu oft von – Achtung! - weißen Helfern in den Norden und damit in die Freiheit gebracht wurden.

So starb denn dieser Tage mit Ignatiev ein Historiker, der keiner war, sondern der sich die Vergangenheit zurecht selektierte wie es ihm passte. Es starb mit ihm auch ein Marxist, der kein arbeitender Proletarier war, sondern der sich die Tage mit Agitieren und Aufhetzen vertrieb. Nur den Autor, den kann man ihm abnehmen – so wie Marx, Lenin, Mao oder Hitler. Die haben sich auch als Autoren versucht. Nur Stalin schrieb nichts. Der mordete nur.

Was bleibt von Ignatievs Tod und der Tatsache, dass es aus den Untiefen des englischsprachigen Internets auf meinen Bildschirm gelangte ist die schlussendliche Bestätigung über eine Vermutung, die ich schon länger hege beim Thema „weißer Mann“. Denn egal was ich darüber lese oder höre, es ergibt immer erst dann einen Sinn für mich, wenn ich gedanklich den „weißen Mann“ ersetze durch den Begriff des „Kapitalismus“. Die ehemalige Existenz des Noel Ignatiev bestätigt mir diese Vermutung nun zu 90%.

Die Differenz zu den Einhundert Prozent rühren wiederum daher, dass es mir hin und wieder auch so vorkam, als würde die politische Kulturlinke den „weißen Mann“ insgeheim nicht nur als Chiffre für den „Kapitalismus“ verwenden, sondern auch für den gemeinen „Juden“. Da Noel Ignatiev allerdings wie auch der zehn Jahre ältere George Soros über einen jüdischen Hintergrund verfügt, kann ich ich diese Vermutung nun ausschließen und ad acta legen. Oder hat vielleicht schon einmal jemand vom Phänomen des jüdischen Selbsthasses gehört?

Eines muss Noel Ignatiev lassen. Angesichts der vielen Krise die sich mit dem Wissen um ihn schließen müssten sein Name und sein Werk erheblich bekannter sein. Seine Verantwortung und die Bedeutung seiner Ideen für die heutige Gemengelage auf dem Schlachtfeld des Kulturkampfes – und überhaupt dessen Ausbruch – würde ich vergleichen mit niemand geringerem als Antonio Gramsci.