6. Juli 2019

Klimaflüchtlinge, überall Klimaflüchtlinge: Das übervölkerte Indien trinkt sich seine Lebensgrundlage weg

Geschäftsmodell Plastikeimerverkauf (Bildquelle)

Dank der mit deutscher Entwicklungshilfe betankten Tschadseekonferenz wissen inzwischen viele um das Schicksal des Tschadsee, er trocknet aus. Zurückgeführt wird dies selbstverständlich auf den Klimawandel als das All(un)heilmittel der zeitgeistigen Wahl. Aber nicht nur dort erleben die Menschen einen Schock, der ihre Kehlen austrocknen lässt, auch auf dem Subkontinent sieht es ähnlich aus. Über Pakistans chronische Wasserkalamitäten habe ich bereits geschrieben. Weiter östlich, in Indien sieht es aber nicht besser aus. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Wasserversorgung, als auch für den Veitstanz, dem man dort veranstaltet um den wirklichen Grund für die zivilisationsbedrohende Knappheit des unabdingbaren Nass herum.



Die knochentrockene Situation im südlichen Indien



In der indischen Onlinepostille The Print erschien gerade ein Artikel, der sich mit dem Phänomen der sterbenden Seen in Indien beschäftigt. Nicht nur in der südindischen Metropole Chennai (4,6 Mio. Einwohner / 8,7 Mio. in der Metropolregion) ging den Menschen das Wasser aus, worüber sogar das DDR1 Nachrichtenprogramm seine Zuschauer informierte. Aber es ist längst nicht nur Chennai, wo die bislang als Wasserreservoir dienenden Flüsse den Geist aufgeben und immer mehr versanden.

Von Bhopal über Bangalore bis nach Chennai heißt es bei The Print sieht es ganz ähnlich aus. Für alle, denen die Orte und ihre Geografie nichts sagen, sie liegen in etwa auf einer Linie mit einer Entfernung wie es ungefähr der Strecke Kiel – Frankfurt – Konstanz entspricht, und zwar mit circa der doppelten bis dreifachen Bevölkerungszahl.

Für die Region geht es also um viel, sehr viel sogar. Den vor allem vom Monsunregen gespeisten Seen geht es gar nicht gut, sie trocknen in einer alarmierenden Geschwindigkeit aus.

Über Chennais chronische Wasserknappheit heißt es, dass die Stadt bis 2020 komplett auf externe Quellen angewiesen sein wird und dessen See jetzt schon circa 80% seiner Fläche verloren hat. In Bhopal wiederum sieht es nicht viel besser aus, dessen Seen für die Wasserversorgung der 3,5 Millionen Einwohner in der Metropolregion innerhalb von drei Jahren drei Viertel in der Fläche zurückgingen.

In Bangalore als die dritte und größte Metropole der drei (20 Mio. Einwohner in der Metropolregion) verloren die Seen im Verlauf der sogar über 90% ihrer Fläche, wobei der Bellandursee der Stadt wie es heißt zu den „berüchtigtsten“ im ganzen Land gehört, da er gleichzeitig als Kloake verwendet wird und quasi sämtliche Abwässer der Stadt dort hineingeleitet werden. In den Jahren 2015 und 2018 hat er sogar gebrannt, eine Leistung, die man erst einmal vollbringen muss und für die es jede Menge hoch entzündlichen „Brennstoffs“ benötigt.

Puzhalsee in Chennai 2018/2019 (Bildquelle)

Die Seen trocknen aus und alle schauen nach oben



Über die Ursachen meint The Print, dass vor allem in Bhopal „Fehler im Wassermanagement“ zur dramatischen Lage beigetragen hätten, was sich wohl am besten mit Korruption übersetzen lässt und was auch in Bangalore zur chronisch erbärmlichen Situation beigetragen haben soll.

Daneben weist der Artikel auf eine durchaus relevante Eigenschaft der Seen hin, sie sind nämlich relativ flach. Tiefer als 20 Meter ist keiner von ihnen, was bei Hitzewellen erwartbar zu einer stärkeren Verdunstung führt.

Das sind überaus nachvollziehbare Ursachen, von denen beide mehr oder weniger als Naturgewalten bezeichnet werden können, denen der Mensch kaum Herr werden kann. Da es beides in der längeren Vergangenheit aber auch schon gab, sich aber trotzdem keine so extremen und allem chronischen, über das Jahr hinausgehenden Knappheiten ereigneten, greifen The Print wie auch die Tagesschau im Subtext ihrer Artikel zur üblichen unter den Erklärungen: Es ist der menschengemachte Klimawandel, der für immer mehr Hitze sorgt und die Seen austrocknet.

Übersetzt bedeutet das: Wir – in Indien - rauben uns selbst die Lebensgrundlage, während wir – in Deutschland – ein schlechtes Gewissen haben müssen über das erzeugte Elend in dem Dritte Welt Land.

Daher, so die leise Schlussfolgerung brauchen wir uns – in Deutschland - auch nicht wundern, wenn sich in Folge der von uns dort verursachten Wasserknappheit urplötzlich eine durstige Migrantenlawine über uns ergießt, die selbst wiederum völlig berechtigt von sich behaupten kann, ein Anrecht auf die Teilhabe an den deutschen Trinkwasserreserven zu haben.

Es ergibt also alles Sinn, oder?

Bhojtalsee in Bhopal 2017/2019 (Bildquelle)


Ein Hauch von Soilent Green..



Die Megakloake von Bangalore deutet es bereits an, es gibt wie in fast allen Geschichten zum Thema auch hier eine zweite Ebene, die geflissentlich ignoriert wird. Es geht um das Bevölkerungswachstum in den von Knappheit betroffenen Regionen, die in den vergangenen drei Generationen weit jenseits der Tragfähigkeit ihrer natürlichen Ressourcen gewachsen sind.

Für die Veranschaulichung, wie extrem auch in Indien die Verdichtung des Lebensraums vonstatten ging reicht es sogar, die bekannt linksdrehende Wikipedia zu Rate zu ziehen. Dort heißt es über die Bevölkerungsentwicklung von Chennai:

„Durch Geburtenüberschuss und Landflucht wächst der Ballungsraum Chennai [..] rasant an. Da in dem bereits dicht besiedelten Stadtgebiet aber kaum noch Raum für weiteres Wachstum ist, konzentriert sich die Expansion auf den Vorortgürtel [..]. Zwischen 2001 und 2011 [..] verzeichnete der gesamte Ballungsraum [..] einen starken Anstieg der Einwohnerzahl von 35,3 %.“

Ein Drittel Wachstum innerhalb von einem Jahrzehnt! Das muss man sich einmal vorstellen und zwar in einem Land mit extrem viel Korruption, nur sporadisch vorhandenen Kompetenzen und eng begrenztem Vertrauen in privatwirtschaftliche Institutionen, den unabdingbaren Voraussetzungen für das Ansammeln von privatem Investitionskapital. Ohne ausreichend Kapital jedoch ist es kaum möglich, die Infrastruktur mit dem Bedarf mitwachsen zu lassen. Ein Leben auf der Rasierklinge ins Verderben ist die logische Konsequenz daraus.

Wie fatal sich das Wachstum der Bevölkerung nicht nur in Chennai, sondern quasi in allen vermeintlich vom Klimawandel betroffenen Weltregionen auswirkt, deren Lebens- und Wirtschaftsgrundlage hauptsächlich auf einem See beruht, zeigt am besten ein Vergleich mit Deutschland.

Hier die notwendigen Zahlen für den Vergleich, wobei die erste jeweils der Bevölkerung um das Jahr 1950 herum entspricht und die zweite dem Stand um das Jahr 2010. Die dritte gibt die relative Änderung an.

  • Chennai: 1,4 Mio. → 4,7 Mio. → +236%
  • Bangalore: 0,75 Mio. → 8,3 Mio. → +1006%
  • Bhopal: 0,14 Mio. → 1,8 Mio. → +1186%


Bei den Zahlen handelt es sich jeweils um Ungefährwerte, wobei sich die Zahlen seit 2010 noch einmal umfassend nach oben verändert haben.


Bellandursee in Bangalore 2018/2019 (Bildquelle)

Stellen Sie sich vor, um Bodensee herum lebten nicht 4,5 Millionen Menschen, sondern das Siebenfache dessen



Als Vergleich für die Veränderung möchte ich den Bodensee verwenden, der als Lebensquelle für circa 4,5 Millionen Menschen in den Regionen nördlich und südlich davon dient, wobei das weit entfernte Stuttgart sogar den größten Teil seines Trinkwassers aus dem See erthält. Bemerkenswert ist laut Wikipedia trotz der intensiven Wasserentnahme aus dem Bodensee, „dass insgesamt immer noch mehr Wasser natürlich verdunstet, als für die Trinkwassergewinnung entnommen wird.“

Der See wird mit der gegenwärtigen Bevölkerungszahl also eindeutig nicht übernutzt. Die Frage ist nun, wie viele Menschen seit 1950 hinzukamen und wie viele Menschen heute auf den Bodensee angewiesen wären, hätte es eine vergleichbare Bevölkerungsexplosion gegeben wie in Indien.

Als Annäherung für die Bevölkerungsentwicklung seit den 1950er Jahren werde ich als Basis die Bevölkerungsentwicklung der Schweiz und Baden-Württembergs verwenden, deren Einwohnerzahl zwischen 1950 und 2010 jeweils um circa 80% zunahm.

Im Jahr 1950 lebten demnach ungefähr 2,5 Millionen Menschen vom Wasser aus dem Bodensee. Überträgt man nun die Verhältnisse am Bodensee auf jene der genannten Städte in Indien, dann kommt das folgende heraus:

  • Chennai hätte heute keine 3 Millionen Einwohner.
  • Im Großraum von Bangalore würden aktuell weniger als 1,5 Millionen Menschen leben.
  • Bhopal wäre mit unter 300.000 Einwohnern deutlich kleiner als Zürich oder Stuttgart.

Es wäre naiv anzunehmen, dass mit derartigen Bevölkerungszahlen derzeit mit der Hitzewelle keine Wasserknappheit herrschen würde, aber sie bliebe trotz Ineffizienz und Korruption sehr wahrscheinlich in einem beherrschbaren Rahmen.

Wie sehr man in Indien aber über seine eigene Verhältnisse lebt zeigt die andere Umkehrung der Bevölkerungsrelation, also das gedankliche Übertragen des indischen Wachstums auf die Bodenseeregion. Aus den 2,5 Millionen Einwohnern im Einzugsgebiet des Bodensees im Jahr 1950 ergäben sich die folgenden Werte für 2010:
  • Basis Chennai (236%) → 8,4 Millionen
  • Basis Bangalore: (+1006%) → 27,7 Millionen
  • Basis Bhopal: (+1186%) → 32,2 Millionen

Bei derzeit real 4,5 Millionen Menschen, die vom Bodensee mit Wasser versorgt werden wäre das Resultat zumindest in den beiden unteren Fällen ziemlich eindeutig. 

Die Fläche des Bodensees ist mit 536km² zwar ziemlich groß und er ist an einigen Stellen deutlich über 100m tief. Stellt man sich jedoch vor, wie 30 Millionen Menschen pro Kopf täglich 500 Liter Wasser entnähmen – Indiens pro Kopf Verbrauch ist fast doppelt so hoch wie der deutsche - dann würde der See, wenn es für einige Wochen nicht regnet oder gar eine normale Hitzewelle über das Land geht, schrumpfen wie sonst nur männliche primäre Geschlechtsmerkmale im eisigen Wind.

Bodensee früher/heute (Bildquelle)

Würde der See überdies von den Menschen exzessiv als Kloake verwendet werden wie es mindestens in Bangalore der Fall ist, dann wäre nicht ausgeschlossen, dass der See über die Jahrzehnte sogar komplett aufgefüllt würde mit den Exkrementen seiner Anwohner. Etwas, das sich wiederum auf die Geschwindigkeit der Verdunstung auswirken würde, da relativ zum Volumen die Oberfläche steigt.

Mit indischen Verhältnissen, so das traurige Fazit, würde dem Bodensee kein anderes Schicksal drohen als seinen indischen Pendants, in denen im Verlauf der letzten Jahrzehnte städtische Großräume entstanden sind, die man nur noch als Moloch bezeichnen kann.

Tatsächlich könnte die übermäßige Entnahme und Vermüllung des Bodensees aufgrund einer derartigen Übervölkerung seines Einzugsgebiets sogar dem Rhein einen Gutteil seines Wassers entziehen. Die Folgen daraus wären dramatisch. Dutzenden Millionen von Menschen zwischen Basel, Köln und Rotterdam würde es damit die Lebensgrundlage entziehen.

Zum Glück kann man nur sagen, sind die Menschen in der Bodenseeregion vernünftig genug und halten sich seit Generationen zurück beim „schnaxeln“. Mit dem allenthalben propagierten Klimawandel allerdings hat all das rein gar nichts zu tun.