8. Juli 2019

Eine kurze Geschichte der wehrhaften Demokratie. Wer hat‘s erfunden?

Wehrhaftes Geröllfeld (Bildquelle)

Stellen Sie sich ein hoch funktionales multikulturelles Land vor. Eines, das zu den reichsten Nationen der Welt gehört, in dem jeder Bürger über ein hohes politisches Mitbestimmungsrecht verfügt, in dem jeder ein freies und sicheres Leben genießt und wo man den letzten Krieg vor mehreren hundert Jahren ausgefochten hat. Sie denken: So etwas gibt es nicht und existiert nur in der irrealen Phantasie linksgrüner Multikultifantasten? Nicht ganz...



Eric Margolis: Eine riesige Festung, die als Land getarnt ist



Morgarten, Schweiz – Im Jahr 1315 überfielen genau hier eine Gruppe schweizerischer Bergbewohner eine Invasionstruppe bestehend aus österreichischen Rittern, die gekommen waren, um die habsburgische Feudalherrschaft über die rebellischen Schweizer wiederherzustellen.

Die robusten Schweizer Bauern und Waldarbeiter aus den Waldkantonen Unterwalden, Uri und Schwytz, bewaffnet langen Lanzen und Halbarden Streitäxten, stürzten sich damals auf die dicht gestaffelten österreichischen Ritter und Waffenträger und vernichteten ohne Zögern.

Zwei Jahre später wurde eine zweite österreichische Militärexpedition von den Bauern der Schweiz bei Sempach in der Nähe von Luzern aufgerieben und vernichtet.

Es waren diese erbitterten Kämpfe, in denen das erste Mal in der modernen Geschichte Fußsoldaten schwer gepanzerte Reiter bezwingen konnten. Diese beiden epochalen Begegnungen markierten den Beginn des Endes des europäischen Feudalismus und den Aufstieg von Infanteriearmeen. Die Siege in den beiden Schlachten besiegelten auch die Freiheit der schweizerischen Waldkantone von der habsburgischen Herrschaft und schufen den ersten unabhängigen demokratischen Staat Europas, die Eidgenossenschaft.

Der immer kluge Machiavelli sagte über die Schweizer Krieger: „Wer am schwersten bewaffnet ist, der ist auch am freiesten“. In der Tat, sie sind bis heute die freiesten von allen.

Wer die Schweiz nur als ein malerisches Land sieht mit Kuckucksuhren und Schokolade, der irrt sich gewaltig. Um Voltaires Bonmot über Preußen zu paraphrasieren, ist die Schweiz eine riesige Festung, die als Land getarnt ist.

Ich habe in der Schweiz die Schule und die Universität besucht. Im Laufe der Jahrzehnte hörte ich immer wieder von Bergen, die sich öffnen, um Kampfflugzeuge auszuspucken, oder von unzählig vielen Felsen, in denen sich Artilleriegeschütze verstecken. Aber selbst meine Schweizer Freunde wussten nicht viel über diese scheinbar mystischen Sichtungen.

Vor fünfzehn Jahren war ich Gast bein Schweizerischen Festungswachschutz, einer streng geheimen Militärtruppe, die für den Betrieb der Bergfestungen in der Schweiz verantwortlich ist. Ich war eine der ersten Ausländer überhaupt, die einen Blick in jene Bergfestungen erhielten, die das Herz des „Alpenreduit“ des Landes ausmachen. Was mir gezeigt wurde beeindruckte mich zutiefst - und das tut es auch weiterhin.

In den späten 1930er Jahren, als sich eine europäische Nation nach der anderen den Forderungen Hitlers unterwarf, da schlossen sich das Militär der Schweiz und seine beliebten Schützenvereine zusammen und beschlossen, dass sich ihre Nation nicht beugen wird vor der Wehrmacht, wie die Tschechen, Niederländer, Norweger, Belgier und dann die Franzosen.

Ein fieberhaftes Programm zum Bau von Festungen in den Alpen wurde gestartet. Etwa 900.000 Truppen wurden mobilisiert. Befehle gingen von General Henri Guisan aus: „Lasst eure Familien im Tiefland zurück. Bemannt unsere Bergfestungen. Wir haben darin keinen Platz oder Nahrung für Zivilisten. Kämpft bis zur letzten Patrone und benutze dann eure Bajonette. Keine Kapitulation!

Alle Straßen und Brücken wurden abgebaut; alle Bergpässe mit Sprengstoff versehen, wie auch die Eisenbahnlinien und Tunnel, die Deutschland mit seinem damaligen Verbündeten Italien verbanden.

Hitler war wütend. Er verurteilte die Schweizer als „unverschämte Hirten“. Hitlers Verbündeter Mussolini fürchtete zu Recht eine Konfrontation mit den knochenharten schweizerischen Bergbauern, die während der Renaissance Norditalien verwüstet hatten. Die Schweizer Garde des Papstes ist ein lebendiges Andenken an diese Zeit der „Furia Helvetica“.

Schweizer Ingenieure schufen rund um die Uhr ein System aus Tunneln und Kanonenpositionen, mit denen St. Moritz, der Gotthard, Thun und Sargans als Hauptzugangspunkte in der innere Schweiz bewacht wurden. Diese Festungen waren versehen mit 75, 105 und 150 mm Kanonen, Maschinengewehren und Mörsern, die an Berghängen aufgestellt wurden und so getarnt sind, dass sie fast unsichtbar sind.

In den Festungsanlagen befinden sich Kasernen, Maschinenräume, Hauptquartiere, Kliniken, Beobachtungsposten und mit Granaten gefüllte Magazine. Die Feuerkraft der versteckten Festungen überschneidet sich, so dass sie sich gegenseitig Feuerschutz geben können. Im Gegensatz zur weniger schwer befestigten Maginotlinie wurde jede Festung in den Alpen der Schweiz von außen von einer speziellen Infanterieeinheit geschützt, die telefonisch mit der unterirdischen Garnison verbunden war.

Dazu baute die Schweiz für die allermeisten Menschen Bombenschutzräume.

Erst in den 1990er Jahren - nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion - begannen die Schweizer allmählich mit der Stilllegung ihrer Festungen. Bis dahin war die Schweiz ein Hauptziel der sowjetischen Roten Armee. Auf ihrem Weg aus der Tschechoslowakei planten die Sowjets, über das nur schwach verteidigte Österreich in die Ostschweiz vorzurücken.

Dann weiter in das Schweizer Tiefland nördlich der Alpen, um dann auf der Achse Basel-Neuchatel-Lausanne nach Genf vorzustoßen. Von dort aus hätten die Sowjetischen Streitkräfte dann mächtige Panzerdivisionen in das französische Rhonetal hineinschicken können, um nach Norden zu den Kanalhäfen der Nordsee vorzurücken, wo sie dann in den Rücken der US und NATO Streitkräfte gefallen wären und ihre Versorgungslinien gekappt hätten. Es wäre eine Wiederholung der brillanten Offensive des deutschen Westfeldzuges im Jahr 1940 gewesen.

Es gab nur ein Problem in diesem Plan und das waren die Festungen der Schweiz und ihre solide Bürgermiliz. Die Nachfahren der Helden von Sempach und Morgarten waren stets auf der Hut.

Eine Erinnerung an die stete Wehrhaftigkeit der Schweizer Bergvölker zeigt sich heute immer noch darin, dass sie bei Wahlen und Abstimmungen stets Gewehre und Schwerter bei sich als ein Symbol dafür, wie ihre Freiheit erlangt haben und über die Jahrhunderte bewahren konnten.