14. April 2019

Umweltschutz über Packungsgrößen in Supermärkten verwirklichen – Warum wird es nicht gemacht?

Ökovorbild Champagnerindustrie (Bildquelle)

Wer sich das Geschrei um Greta und den Hitzetod einmal genauer anhört, der wird nicht viele Programmpunkte finden, denen nicht der steife Stallgeruch des Utopismus anhängt. Dabei gäbe es sehr viel, was zeitnah und ohne volkswirtschaftliche Kosten für Umwelt und Klima getan werden könnte. Ein wichtiges und weitgehend unbeachtetes Feld stellt dabei die Logistik dar jenseits der Wiedereinführung von Eselskarren. Ein Beispiel dafür habe ich bereits beschrieben. Im folgenden möchte ich nun auf Supermärkte eingehen als einem wahren Paradies für lineare Optimierer.


Skaleneffekte mal Zigtausend



Lidl betreibt über 10.000 Ladengeschäfte. Die beiden Aldis über 11.000, Penny und Netto jeweils fast 4.000, Rewe 3.000, dazu kommen noch die Märkte von Kaufland und Edeka, Drogisten wie DM, Müller und Rossmann und eine Reihe kleinerer regionaler Ketten. Im Jahr 2017 waren es in Deutschland insgesamt über 35.000 Supermärkte, die für den täglichen Bedarf bereit standen.

Das ist eine ganze Menge, was sich da auf dem deutschen (und europäischen) Markt herumtummelt. Aus der Perspektive möglicher Umweltoptimierungen ihrer Betriebe ganz besonders interessant ist dabei die Tatsache, dass der Markt mit dem halben Dutzend der erwähnten Ketten von einem Oligopol beherrscht wird. Das heißt, für Optimierer liegen hervorragende Bedingungen vor, weil nur wenige Verantwortliche von der Vorteilhaftigkeit einer Änderung überzeugt werden müssen. Dies gilt sowohl für das übliche Spiel der Kostensenkungen, als auch für Verbesserungen der Umweltverträglichkeit der Märkte und ihres Angebots.

Um sich klar zu machen, wie groß der Hebel bei den Supermarktketten sein kann muss man sich das Folgende vorstellen. Man nehme einen x-beliebigen Supermarkt, von denen mehr oder weniger alle gleich aussehen, die alle das gleiche Sortiment haben und die alle in der gleichen Weise organisiert sind. Das heißt, wer nur ein kleines Detail findet, mit dem in diesem einen Supermarkt an jedem Öffnungstag nur ein einziger Euro eingespart werden kann, der spart diesem einen Supermarkt nicht nur 300 Euro im Jahr ein. Vielmehr spart man der gesamten Kette aufgrund der Normierung aller Supermärkte bis zu zehntausend Mal 300 Euro im Jahr ein.

Wird diese eine Änderung gar von allen Supermarktketten übernommen, dann belaufen sich die Einsparungen in Deutschland sogar auf 35.000 x 300 Euro im Jahr oder über 10 Millionen Euro. Das ist ein ziemlich dicker Brocken und der Grund, weshalb Controller in der Regel erstklassig bezahlt werden.



Den Hebel richtig ansetzen



Leider wird es nur ungern gesehen, wenn beispielsweise Aldi eine neue Methode entdeckt und erfolgreich umsetzt, nur um dann beobachten zu müssen, wie Lidl einfach hingeht und die Sache kopiert (ein Beispiel wären die Kaffeeautomaten am Eingang, die es inzwischen überall gibt). Bei den von außen sichtbaren Prozessen geschieht dies zwangsläufig, bei den internen Abläufen – man denke an die Logistik für verderbliche Ware – sieht es dagegen etwas anders aus. Da muss jeder selbst drauf kommen, weshalb Produktivitätssteigerungen bei der einen Kette nicht immer auch bei allen anderen ankommen.

Daher braucht es im Hinblick auf die Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks der Supermarktketten eine andere Stelle im Verwertungsprozess, wo man in einer Weise ansetzen kann, damit die Verbesserungen möglichst rasch überall ankommen. Keine Sorge, ich ziele nicht auf den Staat ab und seine Brüsseler Regulierungsbürokratur, sondern auf die Zulieferindustrie.

Vielen ist es vermutlich bekannt, dass die verschiedenen in den Supermarktregalen stehenden Marken oftmals vom selben Hersteller kommen. Das gilt für Luxusmarken genauso wie für Handelsmarken, wobei die unterschiedlichen Markenhersteller meist auch die Handelsmarke abfüllen und einfach nur etwas anderes auf das Etikett kleben. Daraus abgeleitet heißt es auch, dass die verschiedenen Ketten zu einem Gutteil von den selben Zulieferern bedient werden. Hinter vielen Produktkategorien stehen entsprechend noch weniger Hersteller, als es Supermarktketten gibt.

Genau bei diesen lässt sich ansetzen für den maximalen Hebel. Also, dem einen Hersteller aller in Deutschland verkauften Essigreiniger, dem einen Hersteller aller Wattestäbchen in Europa, dem einen für alle Wegwerffeuerzeuge, Teelichter, Tampons und so weiter.



Wie man Produkte umweltfreundlicher und gleichzeitig kostengünstiger macht



Im Kern geht es um die Packungsgröße und der Gedanke dahinter ist ein mathematischer, wonach der Inhalt eines Körpers stärker zunimmt als dessen Oberfläche, wenn man diesen proportional vergrößert. Auf gut Deutsch bedeutet es, dass man umso weniger umweltschädliche (in der Regel aus Plastik bestehende) Verpackungsmaterialien benötigt, je mehr Produkt pro Packung verkauft wird.

Beispielsweise hätte eine Steigerung von derzeit 300 Wattestäbchen pro Packung auf das Dreifache zur Folge, dass die benötigte Menge an Plastik für die Schale um etwa 50% sinkt. Grob geschätzt wären das circa drei Gramm Plastik oder ungefähr fünf Gramm Rohöl. Das mag nach sehr wenig klingen, berücksichtigt man jedoch die damit verbundenen Skaleneffekte, dann kommt einiges zusammen.

Eine 900er Packung als durchschnittlichen Jahresbedarf für jeden Deutschen angenommen würde eine derartige Vergrößerung der Packung zu einem Minderbedarf von 400 Tonnen Rohöl führen. Zugegeben, das ist immer noch nicht wirklich viel, aber zumindest Winfried Kretschmann könnte mit dem Äquivalent in Flugbenzin den Rest seiner Amtszeit aus der Luft regieren.

Klar ist, verderbliche Ware und allgemein Produkte mit Verfallsdatum eignen sich überwiegend nicht für eine solche Anpassung (Kaffee, Nudeln, Konserven und Tiefkühlware gingen evtl.). Diese Optimierungsmethode über die Packungsgröße ist folglich begrenzt auf einen relativ kleinen Teil des Angebots. Trotzdem zähle ich bei den Haushalts- und Drogeriewaren weit über 100 Produkte, bei denen die Packung ohne weiteres vergrößert werden könnte.

Bei den meisten Produkten könnte absolut gesehen sogar deutlich mehr eingespart werden als mit einer Vergrößerung der Wattestäbchenpackung. Beispielsweise übersteigt kein Flüssigwaschmittel die 1,5 Liter Grenze, obwohl es für Kunden kaum einen Unterschied macht, ob sich zu Beginn ein, zwei oder gar drei Liter in der Flasche befinden. Etwaigen Problemen beim Hantieren der deutlich schwereren Falsche an der Waschmaschinenschublade ließe sich entgegnen mit dem Verwenden der zweiten Hand beim Eingießen oder möglicherweise mit einem Drückschnabel, wie erbei Flüssigseifen zum Standard gehört.

Letztlich wäre die Änderung auf Kundenseite keine große Sache, während sie der Umwelt deutliche Vorteile brächte. Denn während die Dicke des Plastiks möglicherweise etwas steigen müsste - eine zu dünne Wand kann des höheren Gewichts wegen beim Herunterfallen fatale Folgen haben - so bleibt der Vorteil des überproportional größeren Volumens verglichen mit der Oberfläche trotzdem weitgehend bestehen.



Nicht nur die Umwelt würde gewinnen, auch die Hersteller hätten einen Vorteil



Das großartige an der Vergrößerung der Packungen wäre, dass quasi alle Beteiligten in der Verwertungskette profitieren würden. Die Kunden gewinnen, weil sie dank des Mehrs an Inhalt seltener einkaufen müssen und zu Hause gleichzeitig weniger Verpackungsmüll anfällt.

Die Lieferanten würden gewinnen, weil sie wahrscheinlich die Einsparungen bei den benötigten Rohmaterialien für sich behalten könnten. In der Regel stehen sie zwar unter der strengen Fuchtel der allmächtigen Supermarktketten, allerdings wäre es zumindest in der kürzeren Frist möglich, dass sie die Einsparungen erst mit dem Abschluss eines neuen Vertrags weitergeben müssen. Je nach Produkt wären das mehrere Prozent an den Herstellungskosten.

Die Supermärkte wiederum würden profitieren von den langsameren Warenumlaufzyklen. Wer doppelt so viel Shampoo zu Hause hat, der muss es nur halb so oft nachkaufen, so die Regel. Das bedeutet, die Mitarbeiter in den Supermärkten müssten weniger oft die Regale auffüllen. Wie groß diese Einsparungen wären kann ich nur schätzen, vermute aber, dass die Verdoppelung des Inhalts bei zwei Prozent aller Waren zu einer Reduktion der Arbeit für das Auffüllen der Regale um insgesamt ein Prozent führen würde. Pro Supermarkt der Standardgröße käme das pro Tag in etwa einem Euro an Einsparungen gleich - es wäre also eine ziemlich große Sache.



Wie man die Kundschaft umgewöhnt und wo die Grenzen liegen



Nicht für alle Kunden wäre die Umstellung auf größere Packungen problemlos machbar. Wer die Produkte unterwegs braucht – etwa im Kulturbeutel – der kann nicht einfach doppelt so viel mitnehmen. Das heißt, es muss weiterhin kleinere Packungsgrößen geben, um diese Kundengruppe zufriedenzustellen.

Stellenweise könnte die Führung eines Produkts in zwei Größen im Regal zu Platzproblemen führen. Dank des vorteilhaften Volumen- zu Oberflächenverhältnisses denke ich jedoch nicht, dass es sich allzu sehr bemerkbar machen würde. Insgesamt sehe ich hier jenseits des ohnehin viel zu kleinen Ladengeschäfts in jeder Altstadt keine unlösbaren Probleme.

Das Dilemma totschlagen ließe sich, indem man die kleinere Packungsgröße noch etwas verkleinert und diese gleichzeitig auf die Menge gerechnet verteuert. Die aktuell mit 125ml Inhalt angebotene Zahnpasta zum Preis von 45 Cent könnte alternativ einmal mit 80ml angeboten werden für 49 Cent und dann noch einmal mit 275ml für 99 Cent (in etwa so wie beim Tomatenmark).

Dadurch hätten die Kunden einen starken Anreiz, zum selben Mengenpreis auf die große Tube umzusteigen und wer es braucht, der bekommt nach wie vor die kleine, muss diese Extrawurst zu Ungunsten der Umwelt aber teuer bezahlen. Von diesen Kleinversionen müssten nun lediglich noch wenige Exemplare vorgehalten werden und könnten bei Platzmangel vielleicht sogar nur auf Anfrage aus dem Lager geholt werden.

Diese Art der Umweltoptimierung würde übrigens nicht nur bei den Handelsmarken funktionieren. Ich bin mir sicher, auch die besonders teuren Marken von Persil bis Gillette würden sehr schnell mit aufspringen auf den Ökozug per „Supersizing“. Alles was es braucht ist ein kurzer Aufschrei wegen der Ökosauerei kleiner Packungen in den Sozialen Medien und schon werden sie spuren.

Den Erfolg dieser Methode beweisen die immer zahlreicheren Beispiele für Entschuldigungen und Produktanpassungen jüngerer Zeit, wenn wieder einmal eine Marke zum Zielobjekt des Twittermobs wird: Siehe die rassistischen Entlein von Waitrose, das Einknicken von Hornbach vor Nichts, oder der eingebaute Kotau bei Gillette, auf den kürzlich das Umwerben fetter Quallen durch das selbe Unternehmen folgte. In dieser Richtung sehe ich absolut rotgrünes Licht. Kein Hersteller und keine Marke will heute noch rassistisch sein - oder in diesem Fall eben ökorassistisch. Lieber beißt man in den kulturlinken Apfel und fügt sich.

Die allgemeine Idiotisierung der medialen Öffentlichkeit mit ihrem Aufschrei-Tourette hat also durchaus auch ihre Vorteile.



Fazit und eine Frage



Mindestens 50.000 Tonnen Öl und unzählige Arbeitsstunden ließen sich einsparen mit der einfachen Maßnahme größerer Produktabfüllungen in Supermärkten. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser Maßnahme wiederum lägen bei Null, da niemand auf etwas verzichten müsste. Die Änderung brächte uns allen nur Vorteile, wobei der Aufwand für die Umstellung der Verwertungskette aufgrund der Marktstruktur nur gering ausfiele.

Während die Arbeitskosten mit dem geringeren Aufwand in den Supermärkten um mehr als 10 Millionen Euro pro Jahr sänken, so könnte im Hinblick auf das Öl und andere eingesparte Materialien ein Vielfaches an Geld eingespart werden. Auf den Gesamtölverbrauch Deutschlands gerechnet wäre es zwar nicht viel, aber immerhin das Äquivalent eines halben Tages, an dem wir künftig nicht mehr auf Öl angewiesen wären.

Angesichts dieser Umstände, wonach ausnahmslos alle beteiligten Parteien gewännen und niemand verlieren würde - während die Politik gänzlich außen vor bleibt - frage ich mich, warum dies nicht schon lange umgesetzt wurde. Oder zumindest ganz oben steht im Forderungskatalog für eine umweltverträglichere Gestaltung unserer Wirtschaftsweise.

Falls jemand die Antwort kennt, sie würde mich wirklich interessieren.