16. April 2019

Die Natur beginnt im Kongo mit der Korrektur der afrikanischen Bevölkerungsexplosion

Afrikas Damoklesvirus (Bildquelle)

Allmählich beginnt sich der neueste Ausbruch von Ebola im Kongobecken durch die größeren Orte zu fressen und damit in das mediale Bewusstsein in der entwickelten Welt. Über eintausend Infizierte mit der üblichen Todesrate von einem Drittel sind ein überaus beängstigender Wert und das in einer Region, die nur punktuell mit einer Infrastruktur ausgestattet ist, um die Krise wieder einzudämmen. Hinzu kommt eine Bevölkerung, die mangels Bildung und Kontakt zu globalem Wissen lieber auf die Beschwörung von Geistern baut, als auf Isolierstationen. Die Frage ist: Wie gefährlich könnte es werden?

Endstation Großstadt?



Nachdem die aktuelle Ebolakrise im Kongo längere Zeit ein unbeachtetes Randthema blieb, so berichten die Mainstream Medien inzwischen intensiv über die sich verbreitende Seuche. Mehrere hundert Tote wurden bislang gezählt, wobei der Ausbruch laut einhelliger Meinung nicht unter Kontrolle ist. In naher Zukunft wird es also noch zu weit mehr Infektionen kommen, sprich, es wird noch sehr, sehr vielen Menschen das Leben kosten.

Medizinische Mittel zur Seuchenbekämpfung sind dabei durchaus vorhanden und es gibt sogar immer wieder Berichte über einen Impfstoff gegen Ebola. Dieser wird aber wohl erst beim nächsten Ausbruch zum Einsatz kommen - oder alternativ nur dann, wenn die Seuche so heftig zu wüten beginnt, dass der Einsatz eines mit hohen Risiken behafteten halbfertigen Produkts als weniger gefährlich erachtet wird, als eine weitere Verbreitung der Seuche.

Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Virus die Zwillingsmetropolen Kinshasa/Brazzaville erreicht, einer Metropolregion mit weit über 10 Millionen Einwohnern. Allgemein stehen die Chancen aber verhältnismäßig gut, dass die Seuche dort aufgehalten werden kann. Denn ein Gutteil der Ansteckungen lässt sich auf die zivilisationsferne Mentalität (und möglicherweise schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit) im riesigen und von Dschungel beherrschten ländlichen Hinterland des Kongobeckens zurückführen.

Ein Faktor, der für eine erfolgreiche Eindämmung innerhalb des Kongo spricht ist, dass die Stadtbevölkerung trotz Elend und Slums heute relativ gut an die internationalen Kommunikationssysteme angebunden ist. Mit dem globalisierten Blick der Stadtbevölkerung veränderte sich bei vielen auch die Mentalität hinsichtlich der Seuche. Auf drohende Infektionen und Seuchenbekämpfungsmaßnahmen wird nicht mehr in erster Linie mit (Aber-)Glaube reagiert, sondern mit Kooperation.

Als zweiter Faktor, der eindeutig für eine Eindämmung spricht ist die Tatsache, dass der Milliardär Bill Gates heute eine wichtige Rolle bei der Seuchenbekämpfung spielt. Durch ihn sind in Afrika in den letzten Jahren medizinische Einrichtungen entstanden inklusive ausgebildeten Personals, das weiß, wie man eine Isolierstation betreibt. 

Der dritte gegen eine weltweite (oder afrikaweite) Pandemie sprechende  Faktor besteht darin, dass mit Erreichen der ersten großen Metropole die Warnsirenen überall angehen würden. Sämtliche Flughäfen, über die Militärapparate der Welt, bis hin zur UN und anderen Institutionen hätten einen triftigen Grund, das Problem in den Griff zu bekommen. In erster Linie bedeutet das Reiseeinschränkungen in der Region und dazu jede Menge Gelder und Expertenpersonal, das sich um die Optimierung des Apparats zur Seuchenbekämpfung vor Ort kümmert.

Als vierter und letzter Faktor spielt auch die Symptomatik von Ebola eine bedeutende Rolle. Vom ersten Symptom bis zum Ausbruch der Krankheit, ab der sie für Dritte infektiös wird dauert es meist nur eine Woche. Das genügt, um an Knotenpunkten wie Flughäfen Personen mit Krankheitssymptomen abzufangen (beispielsweise Fieber), und es genügt auch für eine rechtzeitige Isolation vor Ort.

Insgesamt spricht alles dafür, dass die Welt voraussichtlich mit einem blauen Auge davon kommen wird von diesem Ebolaausbruch.



Systematische Risiken und unsystematische Risiken



Die systemischen Risiken sind die üblichen. Einmal könnte die Krankheit mutieren und in mehr Fällen als bislang zum Tod führen, oder es könnte sein, dass die Symptome erst später zur Geltung kommen, so dass der Wirt die Krankheit weiter als bislang verbreiten kann.

Ebenso üblich ist die Inkompetenz der Behörden und man darf auch nie vergessen, dass jede Sicherheitsmaßnahme eine gewisse Fehlertoleranz hat. Diese lässt sich zwar über Redundanz minimieren, allerdings ist es unmöglich, das Restrisiko auf Null zu drücken. Es kann daher nie ausgeschlossen werden, dass die machbaren Vorsichtsmaßnahmen zwar alle getroffen werden, dann aber trotzdem etwas schief läuft oder jemand durch das Raster rutscht.

Unsystematische Risiken wiederum sehe ich vor allem zwei. Das erste ist der im Kongo zum Glück abwesende Islamismus. Trotzdem wäre es vorstellbar, dass sich eine Gruppe Dschihadisten möglicherweise unter dem Deckmantel einer Hilfsorganisation dorthin begibt und sich absichtlich anstecken lässt. Alles, was es dann noch braucht ist ein kleines Flugzeug, mit dem die Gruppe zügig in Richtung Norden zur Mittelmeerküste fliegen kann. Dem ersten Anschlag mit einer biologischen Waffe stünde dann nichts mehr im Weg, nun da der Sommer vor der Tür steht und die Migrantenboote mit den Außenbordmotoren scharren.

Das zweite Risiko wiederum ist ein lokales und basiert auf dem oben angesprochenen Aberglauben und der Ablehnung moderner Seuchenbekämpfung. So etwas ist kaum zu berechnen und könnte im von Bürgerkriegen und allgegenwärtiger Armut geprägten Kongo schnell außer Kontrolle geraten. Es ist kein allzu großer Schritt von der Ablehnung eines Eingriffs von außen, hin zum Griff zur auch im Kongo allgegenwärtigen AK-47.

Sollte ein derartiger Zwischenfall am falschen Ort und zur falschen Zeit stattfinden oder gar in koordinierter Weise, dann könnte eine Kaskade ausgelöst werden, mit der die komplette Infrastruktur für die Seuchenbekämpfung zerstört würde.



Warum Bill Gates schon vor einem Jahr von der drohenden Pandemie wusste



Das eigentlich interessante hinter dem Ebolaausbruch aber ist die Person Bill Gates, über den ziemlich exakt einem Jahr und zwei Wochen unter anderem der Business Insider schrieb: „Bill Gates erwartet, dass die nächste Pandemie in einem halben Jahr 30 Millionen Menschen töten“ wird und wir innerhalb des kommenden Jahrzehnts mit dieser rechnen müssen. Er bezog sich dabei unter anderem auf Ebola und verglich diese anstehende Pandemie mit der Spanischen Grippe vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Seine damit verbundene Forderung bestand darin, dass die Menschheit sich darauf vorbereiten muss wie auf einen Krieg, wobei wir bislang kaum dafür gewappnet seien.

Nun ist das nicht gerade prophetisch, da für Pandemien immer ein Restrisiko besteht. Ich denke aber, Gates wusste weit mehr, als er damals öffentlich sagte. Damit meine ich keine geheime Verschwörung zur Verringerung des Menschheitsbestandes, sondern dass ihm als Milliardär ausgefeilte Hochrechnungen und Risikoanalysen zur Verfügung stehen, und dass diese Analysen ihm sehr wahrscheinlich gesagt haben, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Pandemie „irgendwann in den kommenden ein bis zwei Jahren“ signifikant wird (signifikant = ab 5%) und in weniger als zehn Jahren die 100% Marke erreicht.

Meine starke Vermutung dabei ist, dass als Basis für diese Risikoabschätzung das Bevölkerungswachstum in Afrika diente. Dabei verhält es sich nicht anders als mit dem steigenden Risiko, wonach in Afrika immer mehr Menschen von „Extremwetterereignissen“ ausgesetzt sind. Das liegt nicht am Klimawandel wie gerne behauptet wird, sondern ebenfalls am Bevölkerungswachstum, wie ich in diesem Artikel zeige.

Der Gedanke dahinter besteht darin, dass wenn die Bevölkerungszahl steigt, dann benötigt sie mehr Platz. Dieser Platz wird so lange in den gegebenen Siedlungen geschaffen, bis die Grenze des vorhandenen Kapitals und die Grenze zur Kompetenz für den Bau von komplexer Infrastruktur erreicht wurde, was sich an steigenden Preisen ablesen lässt. Aufgrund der gestiegenen Llebenshaltungskosten ziehen dann die ersten Menschen weiter in die Peripherie heraus an Orte, die bislang unerschlossen sind, wo das Leben aber billig ist.

Am billigsten sind dabei jene Orte, die am unwirtlichsten, unerschlossensten und gefährlichsten sind. Sei dies aufgrund von schlechten Böden, oder Banden, die dort ihr Unwesen treiben, oder aufgrund drohender Unwetter wie in Mosambik, oder wegen gefährlicher Tiere oder der Gefahr durch Infektionskrankheiten wie Ebola. All das senkt den Kaufpreis einer Parzelle auf quasi Null und wird damit attraktiv für die Ärmsten in der Bevölkerung.


Zaire/Kongo: 60% dichter Dschungel, 30% nutzbare Savanne (Bildquelle)


Im Kongo wurde genau dieser Punkt inzwischen erreicht, an dem immer mehr Menschen in den gefährlichen Teil der Peripherie ziehen müssen, da die Bevölkerung jenseits ihres Kompetenzniveaus ungebremst weiterwächst. Seit 1993 und trotz Bürgerkrieg hat sich die Bevölkerung des Kongo verdoppelt und ohne Anzeichen einer Abschwächung geht es weiter mit einem jährlichen Wachstum von über 3%.

Mehr als 80 Millionen Menschen zählt der Kongo heute, wobei nicht nur die großen Metropolen aus allen Nähten platzen, sondern vor allem kleine, billige Regionalstädte wie auch in anderen Ländern Afrikas. Wie man an dieser Liste der kongolesischen Städte ablesen kann gibt es gleich fünf Städte, die noch 1984 unter 100.000 Einwohner hatten, deren Bevölkerungen sich bis heute aber mindestens verdreifacht haben (plus 16 Städte der selben Größenordnung, die mindestens eine Verdoppelung erlebten). Spitzenreiter ist dabei der Ort Kabinda, wo heute über acht Mal so viele Menschen leben als noch vor eineinhalb Generationen.

Das Problem hinter dieser Zersiedelung und Aufblähung der kleineren Orte mag den Einheimischen nicht klar sein oder sie ignorieren es angesichts der Platznot. Die Entwicklungshilfeorganisationen in ihrem Hilfskomplex wiederum ignorieren es. Aber ich denke, man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass Bill Gates Analysten den Zusammenhang sehr wohl kennen, der besteht zwischen der Zersiedelung in den Dschungel hinein und dem Risiko einer Ansteckung mit exotischen Krankheiten.

Alles, was sie für die Risikoabschätzung berechnen mussten ist, wie sehr die Bevölkerung in den Risikoregionen wächst, wie weit dort Kapital und Kompetenz vorhanden sind zur Verdichtung der Siedlungen, und dazu mussten sie der Peripherie um die Siedlungen herum Wahrscheinlichkeiten vergeben für das Auftreten des Ebolaerregers.

Davon lässt sich dann ein einfaches Modell ableiten, mit dem sich bestimmen lässt, wann welche Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich jemand ansteckt und die Krankheit weiterträgt. Glaubt man Gates, dann liegt die Wahrscheinlichkeit bei 100%, dass derartige Kontakte zwischen Menschen und pandemiefähigen Viren in den kommenden Jahren oft genug vorkommen werden, um eine nicht beherrschbare globale Pandemie auszulösen mit 100 Millionen oder noch mehr Ansteckungen.

Schnaxeln bis der Erreger kommt (Bildquelle)


Natur und Mensch im schmerzhaften Gleichgewichtsprozess



Der Blick auf die Bevölkerungspyramide des Kongo bestätigt dabei die Gates‘sche Warnung. Sie zeigt, dass heute gut 18 Millionen Menschen im Kongo leben, die zwischen 15 und 29 Jahre alt sind. Sie machen den Hauptteil der autonom lebenden und mobilen Gesellschaft aus. Weitere 22 Millionen Kongolesen sind heute zwischen 5 und 15 Jahre alt, sie werden also in spätestens zehn Jahren ebenfalls zur mobilen Klasse gehören und damit einen möglichen Seuchenausbruch weitertragen können. Spätestens sie werden die Dichte so weit erhöht haben, um das fragile System zum kippen zu bringen.

Sollte bis dahin kein Impfstoff zur Verfügung stehen oder signifikante Fortschritte beim Seuchenschutz erzielt worden sein - was beides eher unwahrscheinlich ist - dann könnte sich die Bevölkerungspyramide des Landes in einem schmerzhaften Prozess bald schon umdrehen.

Als Fazit bleibt, die Gewalt der Natur und die Kompetenz des Menschen bilden eine Identität. In Afrika und vor allem im bitterarmen Kongo scheint inzwischen der Punkt erreicht worden zu sein, an dem das aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis zwischen Mensch und Natur bald schon wieder eingerenkt wird - und zwar auf Kosten des Menschen.

Dieser Prozess wird sich nachfolgend so lange wiederholen, bis entweder alle Menschen immun sind gegen Ebola (und andere Exoten), oder bis der Mensch gelernt hat im Einklang mit der Natur zu leben.

Jenseits des Leids auf individueller Ebene ist das ein überaus beruhigender Gedanke.