Letzten Monat habe ich den Stand der Beliebtheit der deutschen Onlinemedien analysiert und kam zum Schluss, dass es zur Mitte des Jahres einen Bruch gegeben haben muss, da die Zugriffe auf die großen Vertreter der linken Mainstream Presse merklich zurückgegangen sind, während die alternativen Medien deutlich dazu gewannen. Einige führten dies zurück auf das Sommerloch, da es im Urlaub wichtigeres gibt als Nachrichten. Wie sich nun aber mit den Zahlen aus dem September zeigt war der Knick im Publikumszuspruch kein Versehen. Der mediale Wachwechsel beschleunigt sich sogar.
Die bittersüßen Leiden des deutschen digitalen Mainstreams
Die Zusammensetzung der Liste mit Mainstream Medien hat sich im Vergleich zum letzten Mal nicht verändert. Selbiges gilt eingeschränkt auch für deren Rangliste, da lediglich Heise und die Sueddeutsche nach unten gerutscht sind. Das viele rot bei der prozentualen Veränderung zeigt entsprechend, dass mit Ausnahme von tz.de alle erneut signifikant Leser verloren haben.
Die Alternativmedien sind in der Gesamtsumme nicht enthalten; die Zahlen stammen jeweils von Similarweb |
Im Vergleich zum August hat sich der Absturz des linken Mainstreams im Internet sogar noch beschleunigt, was man daran sieht, dass die Hälfte der Seiten von August bis September prozentual so viel oder noch mehr verloren haben als im Vergleich zwischen Mai und September. Die Verluste der anderen Hälfte im letzten Monat wiederum lagen in etwa im Durchschnitt der vergangenen vier Monate.
Die Stabilität und teilweise Zugewinne der drei relativen Ausnahmen lassen sich erklären mit einer zaghaften Richtungsänderung im Bereich der politischen Berichterstattung (Bild), sowie mit deren genereller Ausrichtung (tz.de und Merkur).
Die alternative Medienlandschaft wächst robust
Insgesamt befinden sich nun also 14 Seiten in der Liste, während es davor 13 waren, wobei die neuen im September in etwa genauso viele Zugriffe hatten wie die beiden herausgenommenen im August. Die Änderung hat damit keine verstärkende Wirkung auf den Gesamtwert.
Es geht aufwärts |
Im Monatsvergleich gewannen die Alternativen zusammen 6 Prozent hinzu, was bedeutet, dass sie in der Summe fast konstant im Durchschnitt der vier Monate (7%) weiter gewachsen sind.
Bei den beiden Spitzenreitern zeigt sich, dass möglicherweise eine obere Grenze erreicht wurde bei circa 8 Millionen Zugriffen im Monat. Im Vergleich zu den großen Anbietern mit deutlich linkslastiger Mainstream Ausrichtung (Zeit, Sueddeutsche) zeigt sich, dass dies etwa 25-30 Prozent von deren Reichweite entspricht. Blickt man auf politische Umfragen, dann zeigt sich, dass diese Relation dort eine Entsprechung findet.
Die gute Nachricht daran ist, dass die Alternativmedien im Bereich des nicht-linken Spektrums heute fest etabliert sind und das Publikum auf das Angebot gut anspricht. Vor allem für Jouwatch und die übrigen breit aufgestellten kleineren Anbieter ist das ein gutes Zeichen, da sie noch viel Luft nach oben haben und sich mit dem erwartbaren größeren Zuspruch weiter professionalisieren können.
Die schlechte Nachricht dagegen ist, dass es für die größeren Alternativen schwer werden wird, über diese Grenze hinauszuwachsen. Ich halte Zuwächse zwar weiterhin für wahrscheinlich, aber sie werden ab dieser Grenze von 8 Millionen pro Monat wohl nicht über ein Prozent hinausgehen, da es seine Zeit dauert, bis die Menschen aufwachen und medial über den Tellerrand heraus finden.
Seltsam: Der Mainstream verliert mehr als die Alternativen hinzugewinnen
Wie schon in der Analyse für den August zeigt sich, dass der Mainstream deutlich mehr verliert (-36 Mio), als die Alternativen hinzugewinnen (+2 Mio). Woran das liegt kann ich nicht sagen, kann mir aber mehrere Ursachen vorstellen:
- Die Konsumenten steigen auf kleinere (regionale) Anbieter oder andere digitale Vertriebswege um.
- Ausländische Presse wird bevorzugt angesurft („Westmedien“).
- Den Alternativen wird genauso wenig vertraut wie dem Mainstream.
- Der demografische Wandel, aufgrund dessen bis zu 12.500 ehemalige Internetnutzer mehr sterben (oder auswandern) als neue Nutzer nachwachsen.
- Die Menschen schalten angesichts der Nachrichtenlage immer öfters ab und ignorieren die Katastrophe lieber.
- Es gibt eine veränderte Zählweise bei Similarweb (halte ich für unwahrscheinlich).
Sollte sich die Gesamtentwicklung so fortsetzen und die Alternativen weiterhin monatlich mindestens um drei Prozent wachsen während der Mainstream genauso viel verliert, dann werden die Alternativen Medien als ganzes bis in spätestens 18 Monaten in Deutschland zu den drei größten Nachrichtenanbietern im Internet gehören.