15. September 2020

Maskengeschichten. Ein paar Erlebnisse aus den letzten Wochen



Vermüllt und verseucht. Wie unsere Gesellschaft (Bildquelle)

Ganz am Ende meines ersten Beitrags nach der kleinen Sommerpause habe ich eine kleine Maskengeschichte erzählt, wie sie mir vor kurzem in der Bahn zugestoßen ist. Weil sie auf mich so einprägsam wirkte, kann man sie hier gleich noch einmal nachlesen. Dazu einige weitere Leckerbissen des Zusammenlebens im „Neuen Normal“, das zumindest meiner Erfahrung nach ebenso „täglich neu ausgehandelt werden“ will, wie gewisse andere Neuerungen im gesellschaftlichen Zusammenleben unseres Landes.


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Leere Sitzreihen voller Viren


Vor nicht allzu langer Zeit saß ich gemütlich in einem fast leeren Zug und hörte von einer Schaffnerin in breitestem Bayrisch die folgende Durchsage (das „R“ beim mitlesen bitte rollen):

„Bitt‘schön denkens dran, dass ma nicht nur eine Masknpflicht hamn, sondern aach, dass diesi Maskn übers Naserl gahn mussn. Mir is Wurscht, was‘s da hängn hobn. Haapsach, s‘Naserl is verdeckt.“

Keine Minute danach folgen zwei automatische Banddurchsagen (hochdeutsch, Männerstimme).

Durchsage 1: „Bitte denken sie daran, auf allen Bahnhöfen und Zügen der Deutschen Bahn herrscht zu jeder Zeit und in allen Bereichen eine Maskenpflicht.“

Drei Sekunden Pause.

Durchsage 2: „Bitte denken sie daran, alle Zugabteile der Deutschen Bahn werden videoüberwacht.“

Die zweite Durchsage war ein Novum für mich. Zwar waren mir die allgegenwärtigen Kameras bekannt, sie blicken stets aus allen Richtungen gesichtslos an.

Aber eine derartige Durchsage? Und das direkt hinter der anderen?

Die Nudging Abteilung der Deutschen Bahn weiß offenbar, was sie macht.

Ich konnte nicht anders, als dem Mann am Überwachungsbildschirm mit einem Lächeln zu antworten. Meine Maske hing dabei schlaff vom rechten Ohr.

Wiederum drei Sekunden später tippt mir ein kaum 20-jähriger an die Schulter. Er sitzt schräg hinter mir, sein Sitz geht in die andere Richtung. Wir sind die einzigen im Abteil.

Nuschelnd unter seiner bestimmt nicht billigen, dafür asbestfähigen Maske herrscht er er mich an:

„Können Sie bitte Ihre Maske aufsetzen? Hier herrscht Maskenpflicht.“

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5mm Plexiglas


Nicht alles geht online. Entgegen der allgemeinen Euphorie über die Möglichkeiten digitaler Endgeräte muss man heutzutage vor allem dann noch physisch vorstellig werden, wenn man kein Smartphone besitzt.

Ja, ich bin ein Verweigerer dieser Geräte – zumindest noch. Wobei ich mir nicht sicher bin, wie lange ich es noch durchhalten kann, ohne mobilen Daueranschluss an die Datenzentren der Elite am allgemeinen Gesellschaftsleben teilzunehmen. Die zum Wirbelwind geratene normative Kraft des Faktischen geht auch an mir nicht spurlos vorbei.

Jedenfalls musste ich wegen einer digitalen Angelegenheit bei der Post vorstellig werden und meine Identität bestätigen lassen. Eigentlich kein großer Vorgang.

Auch virentechnisch war der Ausflug unbedenklich. Außer mir befand sich in der Postfiliale kundenseitig nur noch eine weitere Person, und das am Schalter am anderen Ende des Raumes.

Hinter mir wiederum standen zwei Personen in der Schlange. Dank einer räumlichen Anpassung standen diese aber an der anderen Wandseite, während zwischendrin die üblichen Verkaufswarenstände den Viren den Weg versperrten.

Ich stand also ziemlich alleine vor meinem Schalter. Gleichzeitig wurde die Dame auf der anderen Seite des Schalters von mir getrennt durch eine üppig dimensionierte Plexiglasscheibe. Gefühlt war die Scheibe so dick, dass selbst mit Pistolen verschossene Viren daran abgeprallt wären.

Wie immer in geschlossenen Räumen verstand ich das Tragen meiner Maske als „Dienst nach Vorschrift“. Das heißt: Das Ding hängt im Gesicht, der Mund ist halb bedeckt, die Nase frei.

Nur dann, wenn sich jemand beschwert schiebe ich sie hoch, um sie nach einigen Momenten über die Kieferbewegungen beim Kaugummi kauen wieder auf halbmast zu setzen.

Ihr gefiel es nicht. Noch vor der Begrüßung herrschte sie mich an: „Maske hoch!“

„Hier herrscht Maskenpflicht. Die Nase muss verdeckt sein.“

Unter Aufbietung all meiner Selbstbeherrschung ignorierte ich ihren Tonfall und auch die Tatsache, dass sich da dank ihrer vorschriftsmäßig sitzenden Maske und der Plexiglasscheibe gleich zwei Barrieren zwischen uns befanden, die nicht nur keine Viren durchließen, sondern auch einen Teil des stimmlichen Frequenzbereichs abprallen ließen.

So schob ich die Maske über die Nase und trug der Dame drei Mal mein Anliegen vor. Die ersten beiden Male verstand sie mich leider nicht.

Ich legte also meine Unterlagen vor und durfte kurz die Maske vom Gesicht ziehen, damit sie mein Ausweisgesicht mit dem echten vergleichen konnte.

„Maske sofort wieder hoch!“ kam es keine zwei Sekunden nach der Befreiung meiner oberen Atemorgane in meine Richtung geschossen. Wieder im Befehlston.

Es entsprach jener Art von Ansage durch Autoritätspersonen, die ich zu Schulzeiten mit der vollen Wucht eines gelangweilten Pubertierenden quittierte.

Aber egal. Es ist ja gleich vorbei, dachte ich mir.

Die Frau nahm ihren Stempel und hämmerte diesen auf mehrere Durchschläge. Es hatte sogar etwas humoristisches, wie sie ihre Finger an der Maske vorbei zwängend zu ihrem Mund führte, um diese für den besseren Papierwechsel zu befeuchten.

Schon war sie fertig damit und schob mir die gestempelten Blätter zur Unterschrift rüber. Ich unterschrieb und machte mich von Dannen.

Die Maske hing schon wieder auf halbmast, als es mir dämmerte: Hat die Tussi etwa gerade ihren Sabber über die Theke geschmiert?

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Nuschelzwang mit Nasenfreiheit


Seitdem ich vor vielen Jahren mittlerweile für einen Bafög Antrag erstmalig so richtig mit staatlichen Behörden in Berührung kam, hege ich eine Abneigung diese, die vergleichbar nur noch ist mit der Abneigung einiger gegen den Zahnarzt.

So machte ich mich mit der üblichen Gemütsmischung aus Frust, präventiver Wut und Hoffnung, dass es doch nicht so schlimm würde, auf zum Behördenturm.

Dort angekommen stellte ich mich zu den anderen in die Social-Distancing Schlange, bei der ich mir angesichts der Klientel aus aller Welt mehr vorkam wie bei der UN als bei einer deutschen Stadtverwaltung.

Endlich war ich an der Reihe und setzte an, um den Mann hinter der Plexiglaswand zu adressieren. Während das mit dem Mann als Attribut leicht übertrieben war, so muss man sich das mit der Wand aus Plexiglas durchaus wörtlich verstehen. Der ganze Raum war geteilt von einem Monstrum aus Plexiglas, bei dem ich mich frage, wie sie das Ding überhaupt durch die Tür brachten. Ränder verschiedener Segmente konnte ich zumindest keine ausmachen.

Mir blieb allerdings auch kaum Zeit für eine nähere Inspektion der Umbauten, wie auch das erste Wort in einem Granateneinschlag von Hinweis erstickte.

„Die Maske hoch!“ hieß es von hinter der Wand.

Dabei hatte ich beim Betreten des Raumes extra die Maske bis über – ja, über – die Nase gezogen und auch dort gelassen, um sie erst auf der markierten Fläche am Boden stehend wieder herunterzuziehen, damit der Herr mein Anliegen besser versteht.

Man kann es wirklich niemandem recht machen in diesen Tagen. Also wieder hoch mit dem Ding.

Aber nur über den Mund, meldete sich im Affekt mein innerer Dissident und so schob ich den Stofffetzen bis genau über die Oberlippen, aber keinen Millimeter weiter.

Ich begann zu reden.

„Können Sie das bitte wiederholen?“ kam es zurück.

Zum Glück konnte er meine ins genervte gezogenen Mundwinkel nicht sehen.

Ich zog die Maske wieder runter un.. “Die Maske hoch!“

Na gut. Die Macht scheint stark zu sein in diesem jungen Mann.

Ohne Murren zog ich die Maske wieder hoch, aber erneut nur über den Mund und setzte ein weiteres Mal zum Sprechen an.

Diesmal eben etwas lauter und zudem etwas abgehackt, weil ich mit jeder Silbe erwartete, dass er mich ein weiteres Mal anherrschen würde.

Doch die freie Nase störte ihn nicht. Keine Unterbrechung, kein Hinweis, kein auf die eigene Nase tippen. Nichts.

Er ignorierte es einfach und schickte mich danach auf den Weg.

Die gänzliche Abwesenheit jeglicher verbaler wie nonverbaler Maßregelungen bezüglich der Nase irritierte mich so sehr, dass ich mich danach zunächst im falschen Raum meldete.

Am Ende ging doch noch alles gut, ich fand das korrekte Zimmer. Die Frau dort war sogar so freundlich, dass ihr nicht nur meine am Kinn hängende Maske egal war, sondern mich sogar ohne vorige Desinfektion ihren Kugelschreiber benutzen ließ.

Aber sie war auch alleine im Raum mit mir. Vielleicht lag es daran.

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Bestrafe einen, erziehe Hundert


Ich hasse Rewe. Wann immer es geht, meide ich diese Kette. Zu oft gibt es in ihrem Riesensortiment alles, nur das nicht, was ich gerade brauche. Auch die Kassierer dort sind nicht gerade die schnellsten und manch einer auch nicht der hellste, um es einmal freundlich auszudrücken.

Inwieweit Ursache und Wirkung verteilt sind, dass Rewe als Arbeitgeber überdies ein Magnet für Arschlöcher zu sein scheint, kann ich nicht beurteilen. Aber es gibt einige dort und sie lieben ihre Macht.

So stand ich wieder einmal in der viel zu langen Schlange, um mir etwas überteuertes zu kaufen, das ich eigentlich nicht haben wollte, weil ich mir etwas anderes holen wollte. Ich weiß nicht mehr was, es war. Möglicherweise war es ein kühles Radler, das ich zum doppelten Preis durch ein Bier und eine Limonade substituieren musste.

Ich stand also in der Schlange und döste der exakt 1,5m vor mir wartenden Studentin auf den Hintern blickend vor mich hin. Als es weiterging wachte ich kurz auf und erblickte hinter der durchsichtigen Schutzwand, dass der Kassierer keine Maske trug.

Nicht einmal ein Schild oder etwas ähnliches. Auch nicht pro forma am Hals, um es bei Bedarf nach oben ziehen zu können. Ganz so, als sei nichts geschehen saß er da, wie es damals normal gewesen ist.

Ich war beeindruckt. Sitzt da etwa ein kleiner Rebell? Er sah zumindest so aus.

Geschätzt Ende 20, wilde lange Haare, ausgiebige Tätowierungen und grob geschätzt ein halbes Pfund Metall in die sichtbaren Körperöffnungen gestochen.

Ein Ensemble mit einer kaum fehlinterpretierbaren Aussage, dachte ich mir. Wäre ich Frau oder schwul, er hätte mit Sicherheit in dem ein oder anderen feuchten Traum eine Hauptrolle bekommen.

Das einzig schräge an ihm war seine Rewe Uniform. Über diese sah ich genauso hinweg, wie sie in einem feuchten Traum noch in der ersten Szene am Boden gelegen hätte.

Ich sah da an der Kasse einen Gleichgesinnten sitzen und wog mich so sehr in Sicherheit, dass ich die Maske nicht nur bis zum Kinn herunterzog, sondern am linken Ohr baumeln ließ.

Doch ich sollte mich täuschen. Sofort kam es geschossen: „Maske auf! Hier herrscht Maskenplicht!“

Er sprach es aus, als hätte ich auf einem Kasernengelände gerade den Stift aus einer Granate gezogen. Mehr noch: Sofort stoppte er das Scannen der Waren, streckte seinen Arm aus und zeigte mit dem Finger auf mich.

Was für ein krasses Arschloch!

Der halbe Laden drehte ich zu mir um. Es war eine Szene, die nahe dran war an dem, was zu Maos Zeiten in China abging. Bestrafe einen, erziehe Hundert.

Ohne mich zu rühren zog ich die Maske wieder dahin, wo sie mir den Atem abschnürt, wartete bis ich dran war, sagte brav „Hallo“ und „Danke“, und unterstrich in Gedanken die vier Buchstaben der Kette noch ein bisschen stärker auf der Liste jener Orte, die ich nicht mehr besuchen werde.

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Menopausenmedikamente


Im Supermarkt einer anderen Kette läufts besser. Zwar wird auch dort am Eingang erinnert an den Wisch im Gesicht. Aber man stört sich nicht daran, wenn er nur da hängt wie ein nasses Handtuch.

Hauptsache irgendwie da. Eine Mentalität, mit der ich mich abfinden kann. Problematisch, so mein kleines Erlebnis vor kurzem beim Einkauf, sind eher die Kunden.

Ich stand gerade in der Regalreihe für Süßkram und blickte mir in die Suche vertieft die Auslage an.

Da kam plötzlich von der Seite ein lang gezogenes und nicht laut, aber intensiv ausgesprochenes:

„Haaaaaahhhllllooooohhhh!“

Eine mittelalte Frau verlangte nach meiner Aufmerksamkeit, was zunächst aber gar nicht bemerkte. Ich nahm sie erst wahr, als sie direkt neben mir stehend wild in Richtung ihrer Maske gestikulierte und noch einmal heischte:

„Haaaaaahhhllllooooohhhh!“

Als Begrüßung war das nicht gedacht. Das war klar.

Ich drehte mich wortlos zu ihr hin.

„Entschuldigung bitte?“ machte sie weiter und das in der selben eindringlichen Weise, wobei diesmal die Augen Pate standen für die Angstpanik, die im Gemüt dieser Frau am brodeln war.

Ich begriff zwar, was sie wollte, war aber nicht bereit, ihre Panik zu teilen. Vor allem aber wollte ich auch, dass sie mir sagt, was sie will. Ich bin kein Gedankenleser und ich hatte auch keine Lust, die Maske in einer fast menschenleeren Regalreihe sinnlos über die die Nase zu ziehen.

Mein Unverständnis über ihr Anliegen deutete ich mit einem leichten Kopfschütteln an, blieb aber weiterhin stumm.

Dann wurde sie laut: „Es gibt eine Maskenpflicht! Ziehen sie sofort die Maske über ihre Nase!“

„Oder wollen Sie uns alle umbringen?“

Es kam schrill aus ihr heraus. Bevor ich reagieren konnte setzte sie zu einer regelrechten Tirade an.

„Sind sie eigentlich komplett verblödet? Wissen sie eigentlich, was sie da machen? Das ist illegal!“

Ich wusste in dem Moment nicht, was ich sagen sollte.

Klein beigeben oder zum Contra ansetzen?

Einen Moment lang schaute ich mir die schimpfende Frau einfach nur an. Sie muss derzeit eine furchtbare Zeit erleben, dachte ich mir. Wahrscheinlich würde mir am liebsten an die Kehle gehen, wenn da nur nicht diese Killerviren an mir hingen.

So blieb ich still und wog meine Optionen ab. Es machte sie nur noch wilder.

Dann entschloss ich mich für Option drei und stellte mich dumm.

„Was ist denn damit, mit der Maske?“ fragte ich mehrmals in den Momenten, in denen sie zum einatmen absetzen musste.

Sie wurde nur noch hysterischer.

Schließlich beendete ich das Schauspiel und zog die Maske über die Nase.

Noch einmal zeigte sie mir den Vogel, ließ mich dann aber wieder in Ruhe.

Spaß hat das ja nicht gemacht, kommentierte ich die Szene im Kopf, eher bedenklich.

Ich tippte auf falsch eingestellte Medikamente für die Menopause plus die übliche Propaganda. Soll öfters vorkommen bei Frauen in einem bestimmten Alter.

Gegen weitere Maßnahmen im Kampf gegen Corona wird sie aber definitiv nicht stimmen. Im Gegenteil, Bill Gates wird ihr bestimmt schon bald seinen Impfstoff spritzen dürfen.

Was mich an der Szene aber vor allem verwunderte ist, warum sich kein einziger Mitarbeiter blicken ließ. Solche Szenen, vor allem zu diesem Thema und in dieser Lautstärke, werden vom Personal eigentlich sehr schnell wieder aufgelöst.

Vermutlich hatte einfach niemand die Lust und die Nerven, um sich damit zu befassen.

Mein Gefühl sagt mir, dass aus den Maskengeschichten eine ganze Serie werden könnte.



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