23. Mai 2020

Linke beginnen zu zweifeln: Ist Trump im Herzen ein Linker?

 
Neigt der Mann etwa heimlich nach links (Bildquelle)

Wer einen Eindruck will von der verwirrenden Strahlkraft, die Donald Trump in Richtung der politischen Linken in den USA aussendet, der schaue sich am besten einen kurzen Kommentar des linken Filmemachers Michael Moor an. Im Jahr 2016 kurz vor der Wahl brachte er auf den Punkt, weshalb der politische Außenseiter, mediale Paria und Milliardär Trump ausgerechnet von der Arbeiterschicht des Landes gewählt werden könnte. Trump ist nicht "neoliberal" und auch wenn er in bombastischer Weise ein Populist sein mag, so macht er am Ende auch, was er sagt und sagt es nicht nur zur eigenen Machtbereicherung. Damit bringt er die ehrlicheren Vertreter der politischen Linken in den USA in eine unangenehme Verlegenheit. Denn sie müssen zugeben, dass er ihnen näher ist, als ihnen lieb sein kann.  

 

The Spectator: Steht Trump weiter links als Biden?



Gerade als es so aussah, als hätte Donald Trump endlich politischen Selbstmord begangen - seine Idee, ob man zur Heilung vom Coronavirus Desinfektionsmittel spritzen könnte ist nur eine seiner jüngsten Absurditäten - sagt er aus dem Stegreif etwas völlig anderem, das einen schier verzweifeln lässt im Angesicht von so viel rohem politischem Talent, das in der Person Trump hemmungslos in solipsistischem Irrsinn verschwendet wird.

Ich bin zwar einer dieser linken Anti-Trumper, aber ich war dennoch ziemlich beeindruckt von der Fähigkeit des Präsidenten zu absolut glaubwürdigen, progressiv klingenden politischen Analysen, insbesondere im Bereich von Handelsfragen, die manchmal rechte Nationalisten und linke Verfechter der Arbeitnehmerrechte auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Im Jahr 2016 wechselten schätzungsweise acht Millionen ehemalige Wähler von Obama zu Trump, während mehr als 200.000 Anhänger von Bernie Sanders in den drei entscheidenden Wechselwählerstaaten des Mittleren Westens - Wisconsin, Michigan und Pennsylvania - für ihn stimmten. Das zeugt von seiner Anziehungskraft bei einem Teil der unzufriedenen Arbeiterklasse, was man auf keinen Fall einfach als rassistisch, rechtsgerichtet oder verrückt abtun sollte.

Trumps jüngste Einsichten (ich wähle den Begriff „Einsichten“ maximal relativierend), die von den Mainstream Medien meist nicht berichtet werden, fielen in einem bemerkenswerten einstündigen Interview mit Maria Bartiromo von Fox News. Wie bei allen von Trumps egozentrischen Streifzügen im Fernsehen dauerte es auch dieses Mal sehr lange, bis er auf den Punkt kam, wenn er überhaupt jemals dort ankommt. Ungefähr zehn Minuten nach Beginn des Interviews drehte sich das Gespräch um die US-Handelspolitik, bei der Trump, Sanders und auch Obama bevor er ins Weiße Haus einzog und noch ein Gegner von Hillary Clinton darin übereinstimmten, dass die bisherige Politik das Land Millionen von Fabrikarbeitsplätzen kostete, die nach Mexiko und China verlagert wurden. Jetzt, im Zeitalter des Coronavirus mit Massenarbeitslosigkeit und einem Mangel an medizinischer Notfallausrüstung, hat die Frage des Freihandels und wo die Waren für das Land hergestellt werden sollten, eine neue Dringlichkeit erhalten.

Trump ging das Thema mit der ihm charakteristischen Unschärfe an: „Früher haben wir unsere eigene Produkte hergestellt“, sagte er. „Wir brauchen keine 37 Bleistifte - wir können zwei Bleistifte kaufen, und die können besser sein“. Warum, so fragte ich mich, verwendet Trump Bleistifte als Beispiel und nicht Masken, Beatmungsgeräte oder Testsätze? Mit der Antwort auf die nächste Aussage - warum ist das alles passiert; warum haben die Vereinigten Staaten große Teile ihrer Produktionsbasis und ihrer Industriekultur verschenkt? - klart seine Argumentation auf. „Die Wirtschaft wollte billige Arbeitskräfte, aber sie wollten auch laxe Umweltvorschriften“, gab ihm Bartiromo das Stichwort. Trump antwortete darauf: „Aber sehen Sie, die billigen Arbeitskräfte stellten sich als sehr teuer heraus... denn wenn man addiert, was [das alles] kostet... mit unseren Medikamenten, unseren pharmazeutischen Produkten, so vielen verschiedenen Dingen.“

Dann Trump fasste den Beginn der Pandemie in den USA zusammen mit: „Niemand wusste, was ein Beatmungsgerät ist; wir stellen jetzt Tausende von Beatmungsgeräten pro Woche her... und verkaufen sie auch an andere Länder, die sie dringend benötigen.“

Diese Äußerungen machen deutlich, was heute unbestreitbar ist - dass die Auslagerung so vieler Produktionskapazitäten nach China und in andere Niedriglohnländer wie ein Boomerang zurückgeflogen kam, um uns in einer Zeit der Krise heimzusuchen. Wenn ein Land die Herstellung eines Produkts völlig dominiert, kann es bei steigender Nachfrage jeden Preis verlangen, den es will, oder es kann ein Produkt überhaupt erst gar nicht liefern, falls wie es in Wuhan geschah, die Produktion eingestellt wird. Darüber hinaus dauert der Wiederaufbau der heimischen Produktion in einer Krise länger und es kostet mehr als die Produktion eines bereits im Land hergestellten Produkts hochzufahren.

Das aber ist nicht das, was die Gemeindemitglieder in der Freihandelskirche hören wollen, und auch nicht das, was die Oberen in der Demokratischen Partei - zur Freude orthodoxer Ökonomen und der Wall Street gleichermaßen - gepredigt haben, seitdem sich die Partei ab der Präsidentschaft von Bill Clinton diesem Evangelium verschrieben hat.

Trumps Opposition gegen Amerikas Abhängigkeit von globalen Lieferketten kommen bei der politischen Linken gut an. Barry Lynn etwa vom Open Markets Institute als der führende amerikanische Kritiker des Dogma einer universellen Vorteilheftigkeit globaler Lieferketten, ist sicherlich kein rechtsgerichteter Freund von Trumps Regierung. Als Bewunderer der Kartellrechtsphilosophie des linken Juristen Louis Brandeis vom Anfang des 20. Jahrhunderts wies Lynn vor Jahren darauf hin, dass Taiwans Dominanz bei der Herstellung von Computerhardware eine Gefahr für das US-Computergeschäft darstellt. Lynns Erwachen bei dem Thema geschah im Jahr 1999 mit dem Erdbeben, das taiwanesische Fabriken stilllegte, die ihrerseits Computerfabriken in Texas und Kalifornien stilllegten, da sie keine Teile mehr beschaffen konnten. Lynn drückt es besser aus als Trump, wenn er sagt: „Wir hatten alle unsere Eier in einen Korb gelegt, und dieser Korb war verdammt weit von uns entfernt.“ Kommt Ihnen das angesichts der aktuellen Pandemie bekannt vor?

Trumps Idealvorstellung eines Juristen ist eher jemand wie Roy Cohn, dem scharfen Hund von Senator Joseph McCarthy, so dass er aller Wahrscheinlichkeit nach im Allgemeinen nicht viel von linken politischen Ideen hält - und doch hat er Sympathie für die linke Position geäußert, wonach sich die etablierten Demokraten gegen Sanders verbündet haben, damit er nicht zum Kandidaten der Partei werden kann. Trump kommentierte das Ende von Sanders Präsidentschaftswahlkampf bei Twitter mit: „Bernie Sanders ist raus! Vielen Dank an Elizabeth Warren. Wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätte Bernie am Super Tuesday fast jeden Staat gewonnen! Die nummer endete genau so, wie es die Demokraten und der DNC wollten, es lief genau gleich wie beim Fiasko von Crooked Hillary. Bernie Fans sollte zur Republikanischen Partei kommen, HANDEL!“

Man möchte sich fast fragen: Ist Trump etwa ein heimlicher Linker? Hegt er wirklich Sympathien für jenen Mann, den er als „verrückten Bernie“ bezeichnet? Angenommen, er wäre von einem wärmeren, mitfühlenderen Vater als Fred Trump aufgezogen worden, hätte aus ihm dann womöglich ein wilder Fürsprecher der nationalistischen Linken werden können, so eine Art amerikanischer Jakobiner?

Ich fürchte leider, das der kleine gedankliche Spaß an dieser Stelle zu Ende ist. Trumps Modus Operandi besteht darin zu bekommen, nicht zu geben. Er ist ein Appetit auf zwei Beinen. Er mag billige Arbeitskräfte, wenn sie für ihn arbeiten, wie die illegalen Polen, die in den 1980er Jahren auf seinen Baustellen beschäftigt waren, und in jüngerer Zeit illegal sich im Land aufhaltende Latinos, die sich in seinen Clubs und Hotels abmühten. Wollte er den durch das nordamerikanische Freihandelsabkommen geschädigten Werktätigen wirklich helfen, dann hätte er mit den - wie er sie immer noch nennt - „dummen Republikanern“ gebrochen und wäre zu den Demokraten übergelaufen, um für einen höheren Mindestlohn und ein Programm für öffentliche Bauvorhaben einzutreten. Anstatt Jeff Bezos von Amazon mit Worten anzugreifen, hätte er sein Justizministerium stärker dazu gedrängt, den Multimilliardär und Monopolisten vor Gericht zu bekommen. Und er hätte die amerikanischen Truppen endlich aus dem Irak und Afghanistan nach Hause gebracht - von denen keine wohlhabende Eltern hat und die wie Trump den Wehrdienst verweigern konnten. Dem egozentrischen Trump fehlt es eben auch an Mumm, nicht nur an Prinzipien.

Dennoch sind Egozentrik, Gier und mangelnde Artikulationsfähigkeiten nicht gleichbedeutend mit dumm und Trump hat nicht allzu unrecht über Joe Bidens offensichtliche Schläfrigkeit, wenn er ihn als „verschlafenen Joe“ bezeichnet. Biden verschlief jedoch nicht seine Stimmen für die Gründung NAFTA, die Normalisierung der Handelsbeziehungen zu China, das Konkursgesetz oder die Aufhebung der Glass-Steagall Regelung - und das sollte die Demokraten beunruhigen. Wenn Trump sich damit brüstet, dass „ich Zölle auf China [im Wert von] zig Milliarden Dollar erhoben habe und ... einen Großteil dieses Geldes an die Bauern gab, weil sie von China unter Druck gesetzt wurden“, dann klingt das fast so, als glaube er an Gerechtigkeit und an die Umverteilung des Reichtums. Als überzeugter Neoliberaler der Geschmacksrichtung Clinton – also alles, was gegen die Arbeiterschaft, für die Wall Street und für den Freihandel steht - erkennt der schlafwandlerische Joe nicht, dass Trump auch nach links rücken kann, wenn es ihm ins Konzept passt. Damit ist gemeint: Links von Biden.

Dennoch bleibt, dass Trumps Modus operandi im Nehmen besteht, nicht im Geben. Mit billigen Arbeitskräften hat er rein gar kein Problem, so lange sie für ihn arbeiten.


Wandere aus, solange es noch geht! Finca Bayano in Panama.