Neigt der Mann etwa heimlich nach links (Bildquelle) |
Wer einen Eindruck will von der verwirrenden Strahlkraft, die Donald Trump in Richtung der politischen Linken in den USA aussendet, der schaue sich am besten einen kurzen Kommentar des linken Filmemachers Michael Moor an. Im Jahr 2016 kurz vor der Wahl brachte er auf den Punkt, weshalb der politische Außenseiter, mediale Paria und Milliardär Trump ausgerechnet von der Arbeiterschicht des Landes gewählt werden könnte. Trump ist nicht "neoliberal" und auch wenn er in bombastischer Weise ein Populist sein mag, so macht er am Ende auch, was er sagt und sagt es nicht nur zur eigenen Machtbereicherung. Damit bringt er die ehrlicheren Vertreter der politischen Linken in den USA in eine unangenehme Verlegenheit. Denn sie müssen zugeben, dass er ihnen näher ist, als ihnen lieb sein kann.
The Spectator: Steht Trump weiter links als Biden?
Gerade als es so
aussah, als hätte Donald Trump endlich politischen Selbstmord
begangen - seine Idee, ob man zur Heilung vom Coronavirus
Desinfektionsmittel spritzen könnte ist nur eine seiner jüngsten
Absurditäten - sagt er aus dem Stegreif etwas völlig anderem, das
einen schier verzweifeln lässt im Angesicht von so viel rohem
politischem Talent, das in der Person Trump hemmungslos in
solipsistischem Irrsinn verschwendet wird.
Ich bin zwar einer
dieser linken Anti-Trumper, aber ich war dennoch ziemlich beeindruckt
von der Fähigkeit des Präsidenten zu absolut glaubwürdigen,
progressiv klingenden politischen Analysen, insbesondere im Bereich
von Handelsfragen, die manchmal rechte Nationalisten und linke
Verfechter der Arbeitnehmerrechte auf einen gemeinsamen Nenner
bringen. Im Jahr 2016 wechselten schätzungsweise acht Millionen
ehemalige Wähler von Obama zu Trump, während mehr als 200.000
Anhänger von Bernie Sanders in den drei entscheidenden
Wechselwählerstaaten des Mittleren Westens - Wisconsin, Michigan und
Pennsylvania - für ihn stimmten. Das zeugt von seiner
Anziehungskraft bei einem Teil der unzufriedenen Arbeiterklasse, was
man auf keinen Fall einfach als rassistisch, rechtsgerichtet oder
verrückt abtun sollte.
Trumps jüngste
Einsichten (ich wähle den Begriff „Einsichten“ maximal
relativierend), die von den Mainstream Medien meist nicht berichtet
werden, fielen in einem bemerkenswerten einstündigen Interview mit
Maria Bartiromo von Fox News. Wie bei allen von Trumps egozentrischen
Streifzügen im Fernsehen dauerte es auch dieses Mal sehr lange, bis
er auf den Punkt kam, wenn er überhaupt jemals dort ankommt.
Ungefähr zehn Minuten nach Beginn des Interviews drehte sich das
Gespräch um die US-Handelspolitik, bei der Trump, Sanders und auch
Obama bevor er ins Weiße Haus einzog und noch ein Gegner von Hillary
Clinton darin übereinstimmten, dass die bisherige Politik das Land
Millionen von Fabrikarbeitsplätzen kostete, die nach Mexiko und
China verlagert wurden. Jetzt, im Zeitalter des Coronavirus mit
Massenarbeitslosigkeit und einem Mangel an medizinischer
Notfallausrüstung, hat die Frage des Freihandels und wo die Waren
für das Land hergestellt werden sollten, eine neue Dringlichkeit
erhalten.
Trump ging das Thema
mit der ihm charakteristischen Unschärfe an: „Früher haben wir
unsere eigene Produkte hergestellt“, sagte er. „Wir brauchen
keine 37 Bleistifte - wir können zwei Bleistifte kaufen, und die
können besser sein“. Warum, so fragte ich mich, verwendet Trump
Bleistifte als Beispiel und nicht Masken, Beatmungsgeräte oder
Testsätze? Mit der Antwort auf die nächste Aussage - warum ist das
alles passiert; warum haben die Vereinigten Staaten große Teile
ihrer Produktionsbasis und ihrer Industriekultur verschenkt? - klart
seine Argumentation auf. „Die Wirtschaft wollte billige
Arbeitskräfte, aber sie wollten auch laxe Umweltvorschriften“, gab
ihm Bartiromo das Stichwort. Trump antwortete darauf: „Aber sehen
Sie, die billigen Arbeitskräfte stellten sich als sehr teuer
heraus... denn wenn man addiert, was [das alles] kostet... mit
unseren Medikamenten, unseren pharmazeutischen Produkten, so vielen
verschiedenen Dingen.“
Dann Trump fasste
den Beginn der Pandemie in den USA zusammen mit: „Niemand wusste,
was ein Beatmungsgerät ist; wir stellen jetzt Tausende von
Beatmungsgeräten pro Woche her... und verkaufen sie auch an andere
Länder, die sie dringend benötigen.“
Diese Äußerungen
machen deutlich, was heute unbestreitbar ist - dass die Auslagerung
so vieler Produktionskapazitäten nach China und in andere
Niedriglohnländer wie ein Boomerang zurückgeflogen kam, um uns in
einer Zeit der Krise heimzusuchen. Wenn ein Land die Herstellung
eines Produkts völlig dominiert, kann es bei steigender Nachfrage
jeden Preis verlangen, den es will, oder es kann ein Produkt
überhaupt erst gar nicht liefern, falls wie es in Wuhan geschah, die
Produktion eingestellt wird. Darüber hinaus dauert der Wiederaufbau
der heimischen Produktion in einer Krise länger und es kostet mehr
als die Produktion eines bereits im Land hergestellten Produkts
hochzufahren.
Das aber ist nicht
das, was die Gemeindemitglieder in der Freihandelskirche hören
wollen, und auch nicht das, was die Oberen in der Demokratischen
Partei - zur Freude orthodoxer Ökonomen und der Wall Street
gleichermaßen - gepredigt haben, seitdem sich die Partei ab der
Präsidentschaft von Bill Clinton diesem Evangelium verschrieben hat.
Trumps Opposition
gegen Amerikas Abhängigkeit von globalen Lieferketten kommen bei der
politischen Linken gut an. Barry Lynn etwa vom Open Markets Institute
als der führende amerikanische Kritiker des Dogma einer universellen
Vorteilheftigkeit globaler Lieferketten, ist sicherlich kein
rechtsgerichteter Freund von Trumps Regierung. Als Bewunderer der
Kartellrechtsphilosophie des linken Juristen Louis Brandeis vom
Anfang des 20. Jahrhunderts wies Lynn vor Jahren darauf hin, dass
Taiwans Dominanz bei der Herstellung von Computerhardware eine Gefahr
für das US-Computergeschäft darstellt. Lynns Erwachen bei dem Thema
geschah im Jahr 1999 mit dem Erdbeben, das taiwanesische Fabriken
stilllegte, die ihrerseits Computerfabriken in Texas und Kalifornien
stilllegten, da sie keine Teile mehr beschaffen konnten. Lynn drückt
es besser aus als Trump, wenn er sagt: „Wir hatten alle unsere Eier
in einen Korb gelegt, und dieser Korb war verdammt weit von uns
entfernt.“ Kommt Ihnen das angesichts der aktuellen Pandemie
bekannt vor?
Trumps
Idealvorstellung eines Juristen ist eher jemand wie Roy Cohn, dem
scharfen Hund von Senator Joseph McCarthy, so dass er aller
Wahrscheinlichkeit nach im Allgemeinen nicht viel von linken
politischen Ideen hält - und doch hat er Sympathie für die linke
Position geäußert, wonach sich die etablierten Demokraten gegen
Sanders verbündet haben, damit er nicht zum Kandidaten der Partei
werden kann. Trump kommentierte das Ende von Sanders
Präsidentschaftswahlkampf bei Twitter mit: „Bernie Sanders ist
raus! Vielen Dank an Elizabeth Warren. Wenn sie nicht gewesen wäre,
dann hätte Bernie am Super Tuesday fast jeden Staat gewonnen! Die
nummer endete genau so, wie es die Demokraten und der DNC wollten, es
lief genau gleich wie beim Fiasko von Crooked Hillary. Bernie Fans
sollte zur Republikanischen Partei kommen, HANDEL!“
Man möchte sich
fast fragen: Ist Trump etwa ein heimlicher Linker? Hegt er wirklich
Sympathien für jenen Mann, den er als „verrückten Bernie“
bezeichnet? Angenommen, er wäre von einem wärmeren, mitfühlenderen
Vater als Fred Trump aufgezogen worden, hätte aus ihm dann womöglich
ein wilder Fürsprecher der nationalistischen Linken werden können,
so eine Art amerikanischer Jakobiner?
Ich fürchte leider,
das der kleine gedankliche Spaß an dieser Stelle zu Ende ist. Trumps
Modus Operandi besteht darin zu bekommen, nicht zu geben. Er ist ein
Appetit auf zwei Beinen. Er mag billige Arbeitskräfte, wenn sie für
ihn arbeiten, wie die illegalen Polen, die in den 1980er Jahren auf
seinen Baustellen beschäftigt waren, und in jüngerer Zeit illegal
sich im Land aufhaltende Latinos, die sich in seinen Clubs und Hotels
abmühten. Wollte er den durch das nordamerikanische
Freihandelsabkommen geschädigten Werktätigen wirklich helfen, dann
hätte er mit den - wie er sie immer noch nennt - „dummen
Republikanern“ gebrochen und wäre zu den Demokraten übergelaufen,
um für einen höheren Mindestlohn und ein Programm für öffentliche
Bauvorhaben einzutreten. Anstatt Jeff Bezos von Amazon mit Worten
anzugreifen, hätte er sein Justizministerium stärker dazu gedrängt,
den Multimilliardär und Monopolisten vor Gericht zu bekommen. Und er
hätte die amerikanischen Truppen endlich aus dem Irak und
Afghanistan nach Hause gebracht - von denen keine wohlhabende Eltern
hat und die wie Trump den Wehrdienst verweigern konnten. Dem
egozentrischen Trump fehlt es eben auch an Mumm, nicht nur an
Prinzipien.
Dennoch sind
Egozentrik, Gier und mangelnde Artikulationsfähigkeiten nicht
gleichbedeutend mit dumm und Trump hat nicht allzu unrecht über Joe
Bidens offensichtliche Schläfrigkeit, wenn er ihn als „verschlafenen
Joe“ bezeichnet. Biden verschlief jedoch nicht seine Stimmen für
die Gründung NAFTA, die Normalisierung der Handelsbeziehungen zu
China, das Konkursgesetz oder die Aufhebung der Glass-Steagall
Regelung - und das sollte die Demokraten beunruhigen. Wenn Trump sich
damit brüstet, dass „ich Zölle auf China [im Wert von] zig
Milliarden Dollar erhoben habe und ... einen Großteil dieses Geldes
an die Bauern gab, weil sie von China unter Druck gesetzt wurden“,
dann klingt das fast so, als glaube er an Gerechtigkeit und an die
Umverteilung des Reichtums. Als überzeugter Neoliberaler der
Geschmacksrichtung Clinton – also alles, was gegen die
Arbeiterschaft, für die Wall Street und für den Freihandel steht -
erkennt der schlafwandlerische Joe nicht, dass Trump auch nach links
rücken kann, wenn es ihm ins Konzept passt. Damit ist gemeint: Links
von Biden.
Dennoch bleibt, dass
Trumps Modus operandi im Nehmen besteht, nicht im Geben. Mit billigen
Arbeitskräften hat er rein gar kein Problem, so lange sie für ihn
arbeiten.